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Antequera und die Knüppel-Suppe: Kulinarischer Ausflug ins Hinterland der Costa del Sol

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Von: Marco Schicker

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Preisgekrönte Porra antequerana
Die Suppe mit dem Knüppel: Preisgekrönte Porra antequerana aus dem Mesón Adarve. © Mesón Adarve/Diputación de Málaga

Porra, Pio, Mollete, Bienmesabe: Antequera ist ein kulinarischer Lust- und Irrgarten in Málagas Hinterland. Von Gazpacho-Versionen, schwammigen Brötchen und anderen Spezialitäten. Mit Rezepten und Tipps für den Besuch. Feria vom 17. bis 21. August.

Antequera – „Essen die Spanier Salamander?“ Die mit hochgezogenen Augenbrauen gestellte Frage des deutschen Gastes im „Mesón Numero Uno“ in Antequeras Altstadt übersetze ich der Kellnerin, die in schallendes Gelächter ausbricht. Der Urlauber hatte sich die Karte des Lokals per Google Translator übersetzen lassen. Lagartos ibéricos, die iberischen Salamander, sind gegrillte Streifen vom iberischen Schwein, ein Stück zwischen Rippe und Lende. Unter den Vorspeisen fiel ihm der „antequeranische Knüppel“ auf oder Schlagstock, wie ihm Google als Alternative anbot.

Erfrischung auf dem Feld: Wie Andalusiens Bauern ihr Suppe schlagen

Diese Porra antequerana sieht aus wie ein Salmorejo aus Córdoba, den wiederum viele mit einem Gazpacho andaluz verwechseln und einige für kalte Tomatensuppe halten. „Als Junge musste ich auf dem Feld arbeiten, nach der Schule, manchmal auch davor oder anstatt“, erzählt Marcos, Stammgast im „Numero Uno“. „Da habe ich noch gesehen, wie sie die porra zubereiten, nämlich wirklich mit einem Holzstock, einer Art Keule“, sagt der Mittsiebziger.

„Die hatten da mitten zwischen den Olivenbäumen einen großen Stein mit einer Mulde in der Mitte, da kamen Tomaten, altes Brot, Zwiebel, Knoblauch, Salz oder was man sonst noch so hatte drauf, manchmal eine Paprika, auch eine Zucchini. Dann fingen sie an, die Zutaten zu schlagen und dann zu stampfen und langsam kaltes Brunnenwasser und das Olivenöl unterzumischen. Das war stärkend und erfrischend und alle löffelten das aus dem Stein oder stippten Brot hinein“, sagt Marcos mit nostalgischem Blick und fügt dennoch hinzu: „Das waren harte Zeiten“.

Bis der Löffel steht: Porra antequerana, der bessere Salmorejo - Rezept

Er erinnert sich sogar an eine „heiße porra“ im Winter, auch auf Brotbasis in einem gusseiesernen Kessel, aber diese Tradition habe sich verflüchtigt. Heute mixen sie die Porra in der batidora, im Mixer zusammen, der Knüppel hat ausgedient. Die Zutaten blieben gleich und der einzige Unterschied zum Salmorejo cordobés (1kg Tomaten, 200g nicht frisches Weißbrot, 1-2 Knoblauchzehen, 150ml Olivenöl, Salz und sonst nichts), besteht darin, dass auf das Kilo Tomaten eine rote und eine grüne (italienische) Paprika kommen und doppelt so viel Knoblauch und Brot verwendet werden.

Altes Burgtor in Antequera.
Im Schatten der Alcazaba von Antequera: Die maurische Puerta del Agua und pittoreskes Andalusien. © Marco Schicker

Im Idealfall bleibt der Löffel dann in der Schüssel – oder für Küchen-Hippster in einem übergroßen Mörser – aufrecht stecken. Trick: Anstelle Wasser angeschmolzene Eiswürfel mit dem Öl und dem „Zauberstab“ einarbeiten, das macht das Ergebnis noch cremiger und kühlt das Gericht gleich auf Esstemperatur. Das Weißbrot muss nicht alt, aber sollte nicht backfrisch sein, die Industrie-Baguettes eignen sich nicht, es sollte schon ein dichteres Landbrot sein, auf Spanisch können Sie nach pan cateto oder pan de lebrillo fragen.

Beim Essig scheiden sich die Geister. In den originalen Salmorejo cordobés (den Namen hat er von der Lachsfarbigkeit) gehört er nicht, die Fertigprodukte im Supermarkt enthalten ihn aber, allein schon aus Gründen der Konservierung. Bei der Porra antequerana kann man ihn benutzen, aber nur alten Sherry-Essig und höchstens ein Esslöffel auf ein Kilo Tomaten. Puristen lassen ihn weg. Ausgeschmückt werden Salmorejo wie Porra mit Schinkenfusseln, zerkrümeltem gekochten Ei, manchmal auch Dosenthunfisch, dann möglichst die edlen Bauchlappen ventresca. Hauptunterschiede zum Gazpacho andaluz sind das Fehlen der Gurke, weniger Essig und mehr Brot. Wird die Porra antequerana zur Feria mit einem Glas Wein oder Sherry gereicht, nennt man sie Porra flamenca.

Fließende Übergänge in Málagas Küchen: Vom Gazpacho zum Salat

Gazpacho andaluz, boquerones en vinagre
Gazpacho andaluz, leichte, leckere Sommerküche. © Marco Schicker

Eine Version à la malagueña dazu ist der Zoque. Ein Salmorejo mit sehr wenig Brot, dafür mit zwei Karotten und einer gegrillten roten Paprika (oder im Ofen gegart). Bevor Sie neumodische Verballhornungen mit allerhand Früchten und Superfoods verbrechen, halten Sie sich an die Alten! Die Gazpachos, von caspas (Schuppen, früher auch für Brotkrümel, heute eigentlich migas) sind übrigens viel älter als die vor 500 Jahren aus Mexiko nach Spanien eingeführten Tomaten und waren ein Resteessen, bei dem alles, was noch irgendwie genießbar war, mit altem Brot, Wasser, Öl und Essig zerstückelt wurde, um ja nichts wegwerfen zu müssen.

Zum Thema: Spaniens Zaubertrank - Gazpacho.

Die nicht zermixten Sorten haben es zum Teil ins Heute geschafft. Ebenfalls in der Provinz Málaga kennt man den Gazpacho de era, Tomate, Gurke, Brotkrümel in gleichkleine Würfelchen schneiden, Knoblauch sehr fein darunter mischen, alles mit Essig, Öl und Salz vermengen und dann nach Gusto mit eiskaltem Wasser aufgießen. Sehr simpel, aber im Sommer manchmal die Rettung und quasi die verflüssigte Version des Pipirrana-Salates, den es in ganz Andalusien in etlichen Arten gibt.

Apropos Salat. Auch hier war Antequera der Meinung, dem Ensalada malagueña einen eigenen Namen geben zu müssen, den Pio antequerano. Die Zutaten sind bei beiden gleich: Orangenfilets, gekochtes Ei, rehydrietrter Kabeljau, schwarze Oliven, Frühlingszwiebel oder Knoblauchtriebe (ajo tierno), Olivenöl. In Granada heißt das gleiche Gericht Remojón granaíno und sieht aus wie die Verzierung einer Mauren-Kachel der Alhambra.

Zu einer Porra antequerana serviert man Ihnen in der schnuckeligen Kleinstadt mit den berühmten Dolmen, gefühlt 300 Kirchen und dem märchenhaften Torcál-Gebirge in der Nähe, gerne die Molletes. Gut, dass unser Google-Gast kein Italiener war, sonst würde er nämlich erfahren, dass es sich dabei um Wäscheklammern handelt.

Mollete und Bienmesabe: Antequeras uraltes Comfort Food

Mollette-Brötchen in Antequera
Typisches Mollette-Brötchen in Antequera mit „mantequa colorá“, gewürztem Schweineschmalz. © Tirithel/WikiCommons

Tatsächlich ist es ein handtellergroßes, ziemlich blasses, weil kurz und nicht zu heiß gebackenes Weizenbrötchen aus mehrfach gesiebtem sehr feinen Mehl. Die Antequeranos stehen drauf, wenn es getoastet und dick mit „mantequa colorá“, mit Paprika und anderen Spezereien gefärbtem Schweineschmalz beschmiert ist. Den Namen führt man auf mollar zurück, was mit schwammig-zart erklärt wird.

Um uns und unser Google-Menü abzurunden, findet sich als Dessert in Antequera das „Schmeckt mir gut“, das als zusammengezogenes Bienmesabe zum Überbegriff für eine ganze Reihe von quiecksüßen Desserts mit maurischen Ursprüngen wurde. Geriebene Mandeln, Eigelb und Zuckersirup (almíbar) sind immer die Basis, Engelshaar (karamelisiertes Fruchtfleisch, oft Apfel, in dünne Fäden gezogen), Honig, Anis, Zitronenschale sind mögliche Erweiterungen und Variationen, die sich dann von Schäumchen über Küchlein bis zu ausgewachsenen Keksen formen können.

Antequera behauptet, Gralshüter des einzig originalen Rezeptes, einer Art bizcocho, zu sein, das noch heute bei den Clarissen im Kloster genauso zubereitet wird, wie es eine Nonne 1635 niederschrieb. Und vielleicht findet sich in den alten Folianten auch ein Rezept für Salamander.

Antequera: Tipps für einen Besuch

Antequera, 40.000-Einwohner, 45 Kilometer nördlich von Málaga, vom 17. bis 21. August steigt die große Real Feria de Agosto de Antequera mit Konzerten, Rummel, Pferden, Tapas, Stierkampf und nationalem Porra-Wettbewerb. Neben der imposanten maurischen Burg, den endlosen mittelalterlichen Gässchen, 40 Kirchen, empfiehlt sich das Stadtmuseum Antequeras mit einer der besterhaltenen Epheben-Figuren Spaniens aus dem 1. Jahrhundert. Unweit des Zentrums findet sich das UNESCO-Weltkulturerbe der Dolmen von Antequera sowie 18 km entfernt das bizarre Torcál-Kalksteingebirge. Infos: turismo.antequera.es

Zu Thema: Flamenco auf dem Teller - Die Küchen Andalusiens, Málaga.

Tipp: Flamenco-Nächte in Málagas Hinterland.

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