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Küche im Baskenland: Spießrutenlauf mit Gilda - Mit Rezepten

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Von: Marco Schicker

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Spieße mit Oliven und Sardellen liegen gestapelt auf einem Teller.
So simpel wie genial: Die Gilda ist der Ur-Pintxo der Küche des Baskenlandes. © Pixabay

Das Baskenland verfügt über eine reiche und überraschende Gastronomie. Die Pintxos, also die Tapas-Spießchen, sind die Visitenkarten in eine bunte kulinarische Welt.

Bilbao/San Sebastián - Wie soll eine Stadt den Gourmet enttäuschen, deren Strand schon nach einem Lieblingsgericht benannt ist? Die Bahía de la Concha, Muschelbucht, schmiegt sich wie ein Topf frisch gekochter mejillones an die Altstadt von San Sebastián – Donostia wie sie auf Euskara, also Baskisch, heißt. Hier ist die Hauptstadt der Pintxos, jener so simplen wie genialen, manchmal auch geradezu künstlerischen Tapas, die ihren Namen den kleinen Spießen zu verdanken haben, die sie zusammenhalten.

Die Mode der Pintxos und der gleichnamigen Barkultur hat das Baskenland auf die Landkarte des kulinarisch orientierten Städtetourismus gehievt, ist aber relativ neu. Baskische Gourmet-Lokale haben mittlerweile 33 Michelin-Sterne gesammelt, viele davon trafen sich gerade zur Messe Gastronomika, die 2020 erstmals online abgehalten werden musste.

Blick auf die Muschelbucht von San Sebastián im Baskenland
Die berühmte Concha, die muschelförmige Bucht von San Sebastían - Auch eine Verheißung für gute Küche. © dpa/Manuel Meyer

Doch die eigentlichen gastronomischen Traditionen beruhen auf dem Leben der Fischer und Bergbauern eines kleinen, faszinierenden kelt-iberischen Volkes, das sich nicht nur einmal mit Krallen und Pintxos gegen die Vereinnahmungsversuche der Spanier und der Franzosen gewehrt hat.

Sture, aber flexible Basken: Baskische Küche unweit von Rioja und Navarra

Die Pyrenäen, die das Siedlungsgebiet der Basken durchziehen, die schon vor 7.000 Jahren hier lebten, waren ihr Rückzugsgebiet. Die Römer brachten Militärtaktik, neue Techniken in der Landwirtschaft, Bergbau und „Autobahnen“ und durften wieder gehen, als die Basken alles wussten, was sie brauchten. Ob als Königreich von Bilbao oder später als Krone von Navarra, man ließ sowohl die Mauren, die Kastilier, die Aragonesen als auch die Franken abblitzen. Wen man nicht besiegen konnte, mit dem arrangierte man sich unter Einforderung weitgehender Autonomie. Das gilt bis heute.

Aus der Einzigartigkeit der baskischen Sprache – es ist die einzige in Europa, die nicht auf indogermanische Wurzeln zurückzuführen ist und sie wird daher als „isolierte Sprache“ klassifiziert – könnte man schließen, dass auch andere kulturelle Merkmale einzigartig geblieben sind. Für die Küche stimmt das, wie so oft, nicht. In ihr löst sich in sanfter Fusion auf, was übertriebene Nationalismen in der Welt da draußen künstlich trennen wollen.

Wir haben schon an der katalanischen Küche den Beweis geführt, dass sie im Grunde spanisch ist, während die spanische so richtig gar nicht existiert, weil sie mediterran fundiert und regional ausgeprägt ist. Der politische Konflikt ist letztlich konstruiert, auch wenn viele historische Wunden klaffen. Denn wer immer den Deckel auf den Topf stülpt, beim Servieren kommt die Wahrheit ans Licht und die ist am Ende spanisch, in all ihrer Vielfalt.

Im Baskenland ist das nicht anders. Seine Küche ist mit den gastronomischen Traditionen in La Rioja und natürlich vielen Rezepten aus Navarra so eng verwandt, dass man die drei Regionen eigentlich unter einer Küchenschürze behandeln sollte. Die Basken haben das Beste ihrer Nachbarn übernommen und dann wie mit einem Füllhorn als baskisch etikettiert über die iberische Halbinsel ausgeschüttet. Die Galicier meinen, das beste Steakfleisch Spaniens zu liefern? Dann müssen sie aber erst an der vaca vasca und ihrem txuleta vorbei. Schnell und clever reagierten die Basken auf andere Ideen, adaptierten und euskadisierten sie.

Ein langer Tresen mit vielen Spiesschen voller Tapas in Spanien
Die berühmten Pintxos, Tapas am Spieß, stammen aus dem Baskenland, vor allem in San Sebastián sind sie ein Muss für den Besucher. © Pixabay

Refugium vor der starken Mama: Männerwirtschaft Txokos

Wie spanisch die Basken aber sind, erklärt ausgerechnet eine ihrer ureigensten Traditionen. Die Txokos, übersetzt in etwa Winkel oder Refugium, sind traditionelle Männerclubs aus der Nachbarschaft eines Viertels, die sich zum Kochen, Fluchen, natürlich Trinken und Albernsein treffen. Frauen haben hier keinen Zutritt. Soziologen erklären das Phänomen als einen Ausgleich zum traditionellen baskischen Matriarchat. Richtig, in den Fischerhütten und den Arbeitersiedlungen hat die Frau die Schürze und darunter die Hose an. Nicht nur im Baskenland. Weil sie’s einfach besser draufhat, den Laden zusammenzuhalten.

„Der Spanier“ – unfähig sich diese Schwäche mit einem Lächeln einzugestehen – flieht in Überkompensationen, den Stierkampf, den Suff oder eben ins Txoko, um unter Seinesgleichen sein zu können. Die Txokos entstanden zunächst in Gipuzkoa (die Provinz um San Sebastián). Sie gibt es heute im gesamten Baskenland, aber auch in Navarra, Frankreich und in Übersee.

Denn viele Basken sind stolz darauf, Nachfahren großer – spanischer – Seefahrer und Entdecker zu sein. Einige dieser Nachbarschaftsclubs haben sich zu elitären Gourmet-Vereinen entwickelt, die mit der eigentlichen Idee, mal eine Auszeit von „der Alten“ zu nehmen, nur noch wenig zu tun haben.

Die Pintxos des Baskenlandes. Kein X für ein U vormachen - Txaka, Txapela, Txangurro

Dass man in San Sebastián oder Bilbao nicht bedient wird, wenn man castellano spricht, ist eine urbane Legende. Der Ton macht die Musik.

Wenn ein deutscher Tourist sich ein paar spanische Vokabeln abmüht, wird man ihn höflich bedienen, vielleicht auf Englisch antworten, aber abweisen wird man ihn nicht. Zumal auch nur die Hälfte der Basken selbst ihr Euskera als Umgangssprache benutzt. Sogar nur ein Drittel ist hieb- und schreibfest in ihr.

Wer in einer Bar aber als Stierkämpfer mit Julio Iglesias-Gedächtnismatte auftritt und den „chulo de Madrith“ heraushängen lässt, hat freilich schlechte Karten. Nicht nur im Baskenland.

Machen wir einen kleinen Spießrutenlauf durch San Sebastián: In vielen Bars dienen Farbe oder Größe der palillos, der Stäbchen, später für die Abrechnung. Als pintxo-pote ist jeweils das Getränk im Preis enthalten. Ihre Vielfalt ist verspielt, eine kulinarische Plauderei, die man beiläufig genießt, während man ein Bier dazu trinkt oder eine sagardoa, wie die Sidra, der Apfelwein im Baskenland heißt oder gar einen calimoxo, ein kleines Verbrechen aus Rotwein mit Cola.

Im Grunde kann alles zum Pintxo werden, doch ein paar spezifische Klassen sollte man kennen. Zunächst wäre da Gilda, sozusagen die Türsteherin der baskischen Pintxo-Kultur und nichts weiter als ein Anchovis-Filet (am besten aus der Nachbarregion Kantabrien) um eine grüne Olive und eine grüne Pepperoni (guindilla) gewickelt und aufgespießt. Gilda hat viele Schwestern und Cousinen, nur die Olive und die Pepperoni bleiben als Familien-DNA erhalten.

Weiter geht es zu den Kokotxas, so heißen traditionell die Spießchen, die das saftige, gallertreiche Kinnfleisch von Kabeljau oder Seehecht (merluza) verwenden. Heute werden allerdings häufig auch einfach die Spieße, die überhaupt etwas Fisch enthalten, so benannt. Die nächste Originalität ist die Txaka, wir finden sie normalerweise in einem ordinären Spieß mit einer Tortilla, txaka ist eine Füllung aus dem Beinfleisch der Krabbe mit etwas Mayonnaise und Lachs aufgebrezelt.

Txapela - Die essbare Baskenmütze

Besonders in Bilbao und San Sebastián ist man auf den Txangurro stolz, in dem ein Krabbenpanzer serviert wird, der das Krabbenfleisch als überbackenes Ragout mit Cognac, Butter, Lauch, Petersilie und in tausend Varianten auftischt. Man war nicht im Baskenland, wenn man keine Txapela probiert hat. So heißt die Baskenmütze, aber auch eine ganz Gruppe von pintxos.

Eine Pfanne mit einem typischen baskischen Fischgericht steht auf einem karierten Tischtuch.
Das gallertartige Kinn- und Wangenfleisch des Seehechts wird im Baskenland als cococha zur Spezialität. © Wikipedia

Die Idee ist einfach eine tostada oder ein getostetes Brötchen, aufgeschnitten und mit allerlei Feinem belegt: Pilze und Entenbrust, der berühmte bacalao ajoarriero aus Navarra oder etwas Seehecht auf Donostia-Art, in einer Knoblauch-Weißwein-Petersilien-Sauce. Also im Grunde ist es eine Verkostung der typischsten, regionalen Gerichte im Kleinformat, wodurch man eine kulinarische Rundreise durchs Baskenland unternehmen kann, ohne auch nur einen Schritt aus der ersten Bar machen zu müssen.

Bacalao pil-pil und andere Fischpfannen

Mit den perretxikos, hat das Baskenkland einen Pilzfavoriten. Es ist der Maipilz oder Georgsritterling, in Spanien als seta San Jorge bekannt, wegen seines Saisonbeginns um den Tag dieses Heiligen, den 23. April. Er wird gerne als revuelto, also als Pfanne mit Rührerei, Knoblauch und Olivenöl zubereitet, aber auch als Beigabe für etliche Fleischgerichte verwendet.

Zu den bekannten Gerichten, die es in vielen Fällen auch in anderen Regionen Spaniens gibt, gehört unter anderem der bacalao al pil-pil. Stücke von entsalzenem Kabeljau werden, idealerweise in einem Tonpfännchen mit Knoblauch, guindillas, also grünem Pepperoni und Olivenöl im Ofen heiß, aber kurz gezogen, das „pil-pil“ soll vom Geräusch des Sößchens stammen. Eine Variante davon ist der bacalao en salsa vizcaína, also auf Bizkaya-Art, auf Basis der Paprika, wobei frische mit der getrockneten vermischt und zu einer sämigen Sauce verkocht wird, bevor man den Fisch dazu gibt.

Kokotxas: Glibberndes Kinnfleisch für besondere Anlässe

In eine ähnliche Richtung gehen zwei weitere Ikonen der baskischen Küche: merluza a la koskera oder koxkera. Das ist Seehecht, in einer Sauce aus Knoblauch, Petersilie, reichlich gutem Olivenöl, weißen Spargelspitzen von den Brüdern aus Navarra und chirlas, den almejas verwandten Muscheln, gezogen. Ganz traditionell läuft das Gericht mit den schon erwähnten kokotxas, also dem glibberigen Kinnfleisch, das aber teuer ist und daher für besondere Anlässe oder eben für pintxos reserviert bleibt.

Mit der lubina a la donostiarra, also dem Wolfsbarsch auf Art von San Sebastián, verfährt man ähnlich wie mit dem pil-pil, garniert aber die Sauce manchmal ebenfalls mit kleinen Muscheln und Garnelen, die eigentlich im Ur-Rezept nichts zu suchen haben.

Fast alle traditionellen Gerichte liefern eine Art Sauce, was weniger mit der Nähe zu Frankreich zu tun hat, als mit der Kälte der Pyrenäen. Auch der Marmitako ist so ein typischer Eintopf, kurz gezogen, diesmal auf Basis des „Zwergthunfischs“ bonito. Der Name geht auf die marmita zurück, ein kleiner Kessel, der den Fischern auf See als Zubereitungsgefäß diente. Kartoffeln und geräucherter, getrockneter Paprika, der Pimento choricero oder auch die Ñora wirken hier charakterbildend.

Sehr beliebt sind die Minipulpos chipirones, die in Spanien meist frittiert serviert werden. Im Baskenland bevorzugt man sie in einer Sauce aus Tintentfischtinte.

Baskische Wintergerichte: Porrusalda und Sukalki

Die Basken kochen auch andere Wintergerichte, wie die Lauchsuppe, die wir auch aus Katalonien kennen, sie heißt hier porrusalda. Auch das pisto, das spanische Ratatouille, hat eine baskische Variante, pisto a la Bilbaína, nach Bilbao. Der Unterschied zur Pisto-Gemüsepfanne liegt darin, dass die Zutaten viel kleiner geschnitten und fast zu einem Püree verkocht werden, das mit Ei montiert wird. Eine gröbere Variante davon heißt piperrada, die fast an ein ungarisches Letscho erinnert und gerne als Beilage zum Beispiel zu Chorizos oder eben den berühmten baskischen Rindern genommen wird.

So deftig wie die cocidos und pucheros, also die Eintöpfe in Restspanien, ist in Euskadi der sukalki. Ein Topf aus mehreren Fleischsorten, Karotten, Zwiebeln, Erbsen, Kartoffeln, Knoblauch und Trockenpaprikas. Er ist auch das Zentrum vieler dörflicher Fiestas, bei dem er um die Wette gekocht wird. Auch callos, also Pansen kennt man im Baskenland wie in Madrid sowie auch alubias con chorizo, die den asturianischen Fabes sehr nahe kommen.

Im Baskenland wird sogar am Spieß genascht

Natürlich naschen auch die Basken gern Süßes. Typisch für die Gegend um Vitoria-Gasteiz ist der Goxua. Auf eine Sahnecreme wird eine Schicht in Likör getränkter Biskuit aufgetragen, mit einer Flan-Creme, also Pudding getoppt, mit Karamel-Creme übergossen und im Kühlschrank gefestigt.

Aus dem französischen Baskenland, der Region Lapurdi, kommt der gâteau basque, der baskische Kuchen. Ein Teig aus Weizenmehl, Eiern und Schweinefett (manteca) wird mit Creme oder Früchten gefüllt, die zuvor mit Butter, Zucker und Zimt konfitiert wurden. Und selbst diese Süßigkeiten gibt es im Baskenland bereits als pintxos aufgespießt.

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