"Die Sorge bei Wirten, Fischern und im Rathaus ist riesig", erklärt Javier Garat, Chef der Spanischen Fischereivereinigung Cepesca gegenüber Medien. 2020 brachten die 66 in Sanlúcar registrierten Fischerboote 145 Tonnen der als "nationalke Marke" eingetragenen Tigergarnelenart Langostino de Sanlúcar an Land, 2021 kamen sie nur noch auf 74 Tonnen. Mit Mühe konnten die Fischer durch andere Fänge und den für die Garnelen gestiegenen Preise die Verluste bei den Auktionen in Grenzen halten, noch. 2020 setzten sie 24,5 Millionen Euro um, 3 Millionen davon mit den Langostinos, 2021 betrug der Umsatz 22 Millionen, 2,2 Millionen mit den Garnelen.
Die erfahrenen Fischer glauben nicht, dass der brutale Rückgang eine natürliche Schwankung darstellt, wie es sie immer wieder gab. "Es ist die Blaukrabbe, die sich im Fischereireservat explosionsartig breit gemacht hat", erklärt José Carlos Macías von der Bruderschaft der Fischer, der Cofradía de Pescadores de Sanlúcar de Barrameda. "Sie pflanzt sich schnell fort, frisst alles auf und hat hier keine natürlichen Feinde. Die Blaukrabbe ist die einzige schlüssige Erklärung", sagt er und die Kollegen würden das mit ihren Fängen bestätigen. Zwar sei auch ein naher Verwandter, die Riesen-Tigergarnele ein eingewanderter Feind der traditionellen aus Sanlúcar, die würde aber nie einen derartigen Schaden anrichten können.
Zwar stieg der Kilopreis wegen des Mangels von 20 auf 30 Euro im Schnitt, doch wenn der Abwärtstrend bei den Fängen so weitergeht, gleicht der Markt das nicht mehr aus. Die Verkleinerung der Flotte hatte vor zehn Jahren schonmal einen starken Einbruch beim Fang verursacht, "aber nie so stark und so schnell wie jetzt", sagt Macías in "El País". Auch die häufigeren Unwetter durch den Klimawandel, den von seinen Brüdern keiner leugnet, würden den Fischern Sorgen machen. Ausgerechnet der Umweltschutz sei der Hauptverursacher der Garnelen-Krise. Denn unweit der Mündung des Guadalquivir gibt es eine Schutzzone, in der "außer dem Angeln mit nackten Füßen im Meer", keinerlei andere Aktivität gestattet ist. Für die eingewanderte Krabbe "ein wunderbares Fortpflanzungsumfeld", konstatiert der Fischer. Denn ausgerechnet in die weite Flussmündung bringen die Garnelen ihren verletzlichen Nachwuchs zur Aufzucht "und schwimmen den Krabben so direkt in die Scheren".
Die tropischen Invasoren, angezogen durch die steigenden Wassertemperaturen, sind kaum aufzuhalten, nirgendwo im Mittelmeer. Das staatliche Institut CSIC versucht es dennoch, mit dem Projekt InvBlue und hat den Golf von Cádiz als besonders anfällig für gefräßige Einwanderer indentifizert. Forderungen der Fischer an die Landesregierung Andalusien nach einer Abfischerlaubnis für Blaukrabben im Schongebiet blieben seit 2018 ungehört, klagt die Cofradía. InvBlue will nun immerhin ein Modellprojekt mit einigen Fischern, die von Meeresbiologen begleitet werden, starten.
"Doch bei Invasoren ist der Zeitfaktor alles", so Macías. Mittlerweile berichten Fischer, die mit Schleppnetzen arbeiten, dass die blauen Allesfresser sich von der Flussmündung bis zu 12 Seemeilen meereinwärts ausgebreitet hätten. "Bald werden auch die Gäste in den Restaurants diesen Mangel an Garnelen zu spüren bekommen". Eine Prognose mag der Fischer lieber nicht abgeben. Es kann aber gut sein, dass die Blaukrabbe bald zwangsläufig anstelle der Langostinos zum gastronomischen Aushängeschild nicht nur in Sanlúcar wird. Denn sie ist zwar ein Albtraum für Natur und Fischerei, aber auch ein kulinarischer Leckerbissen und der Manzanillia-Sherry passt auch dazu.
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