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Kanarische Inseln: Küche zwischen allen Welten - Mit Rezepten

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Von: Marco Schicker

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Pellkartoffeln auf kanarische Art liegen auf einem Teller mit grüner und roter Sauce.
Auf den Kanaren unvermeidlich: Papas arrugadas, die „verschrumpelten Kartoffeln“ mit dem Mojo, dem Dipp in rot und grün. © Pixabay

Irgendwo auf halbem Wege zwischen Spanien und der Karibik ist der leicht vermauschelte, fröhliche Dialekt-Singsang der Canarios anzusiedeln. So wie ihre Küche. Jede Insel der Kanaren bildet eine kleine Welt in sich. Von Gofio-Fladen, Sancocho und verrunzelten Kartoffeln.

Las Palmas de Gran Canaria - „Wenn ich Heimweh bekomme, gehe ich zum Kubaner essen“, sagt Aday Quintana. Der Koch aus Las Palmas lebt schon seit Jahren in Alicante, die Liebe verführte ihn hierher, aber seinen typisch kanarischen Akzent hat er behalten. Und den Appetit auf Kochbanane, Fisch in bunten, fruchtigen Saucen und Rum sowieso. Irgendwo auf halbem Wege zwischen Spanien und der Karibik ist der leicht vermauschelte, fröhliche Dialekt-Singsang der Canarios anzusiedeln. So wie ihre Küche.

Kanarische Inseln und ihre Küche: Transitgebiet zwischen alter und neuer Welt

Natürlich prägt frischer Fisch die Küche des Archipels, doch so wie die Sprache Ausdruck des Denkens, ist die Küche ein Ausdruck des Seins wie des Gewesenen. Daher spiegeln die traditionellen Gerichte der Kanarischen Inseln vor allem den Charakter als Transitgebiet. Denn sie waren Anlaufstelle, unvermeidliche Zwischenstation für die Fahrten der Spanier in die Neue Welt und zurück, aber auch für die Portugiesen, die über die Kanaren an der afrikanischen Küste hinuntersegelten und die Stämme aus Nordafrika, die noch früher hier siedelten.

Blick auf den Teide auf den Kanarischen Inseln.
Unendliche Weiten im Atlantik: Die Perspektive beeinflusst auch die traditionelle Küche der Kanarischen Inseln mit Einflüssen von West und Ost. © Pixabay

So kommt es, dass „mitten“ in Spanien Bananen, sowohl süße als auch die Kochbananen – plátanos machos – gedeihen und Zuckerrohr lange ein Basisrohstoff war. Er dient noch heute der Rum-Erzeugung. Kartoffeln fanden den Weg in die Küche früher als auf dem Kontinent und „das“ Nationalgericht der Kanaren, die papas arrugadas, die kleinen, verrunzelten, intensiv-gelben Kartoffeln, mit ihrem Dip, dem mojo, erinnern an ursprüngliche Sorten aus den Anden, bevor Normierungs- und Optimierungswahn der Genetiker der Lebensmittelindustrie sie in ihre gnadenlosen Krallen bekamen. Sie heißen bis heute nicht patatas, sondern, wie in Südamerika, papas.

Auch auf den Kanaren dominiert, was uns auf den kulinarischen Entdeckungstouren durch Spanien stets begleitet: die Einfachheit der Zubereitung, das Große im Kleinen. Es gibt Lästerer, die sagen, die Spanier können gar nicht kochen, sie essen nur. Positiv umschrieben: Ihr Purismus kann sich einfach auf die Exzellenz der Produkte verlassen, die ein günstiges Klima so überreich gedeihen lassen. Sie müssen gar nicht viel kochen.

Küche der Kanarischen Inseln: Gofio, ein Fladen für alle Fälle

Kommen dann über die Jahrhunderte, wie auch im Fall der Kanaren, so vielfältige gastronomische Einwanderer dazu, kommt es bei der Zubereitung eigentlich nur darauf an, das Produkt nicht zu verderben. Dabei hat sich die spanische „Armenküche“ zweifellos mehr Meriten erworben und über die Jahrhunderte als erhaltenswerter erwiesen als Hof- oder Molekularküche.

Die Papas, den Fisch, aber auch den gofio genannten Fladen gibt es inselübergreifend. Er ist eine Art Grundbaustein, ein uraltes Universalgericht, das als Beilage, Brot, Dessert, Suppeneinlage oder Saucenbinder dienen kann. Dabei wird geröstete Gerste oder – seit Kolumbus – Mais (auf Kanarisch millo) zu Mehl gemahlen und zu Fladen oder Küchlein gebacken, aber auch mit Wasser weitergerührt bis hin zu einer Art vegetarischer Schnittwurst, dem gofio amasado. Als Brei heißt er escaladado. Koch Aday schwört auf die brotartige Version aus Mais, die er in der Pfanne brät und dann abgedeckt fertigbäckt, wobei die Maisstärke den Kanten knusprig karamelisiert. „Darüber ein mojo und ein kühles Bier dazu, mehr brauchst du nicht“, postuliert er in seinem putzigen Kanarisch. Er mache sie jeden Sonntag frisch.

Schüsseln mit Sancocho dem typischen Gericht der Kanaren auf einem Tisch.
Sancocho ist ein typisches Gericht der Kanarischen Inseln. Etliche Varianten davon gibt es auch in Lateinamerika. © Pixabay

In der Gastronomie werden sie heute oft einfach aus Weizenmehl gemacht oder schon fertig geliefert, was das Produkt allerdings recht eindimensional macht und seinem Wesen als kanarische Hausmannskost widerspricht. Fragen Sie also nach harina de millo oder de cebada!

Die kanarische ist eine Küche des Austauschs zwischen allen Welten und jenem, was hier hängen blieb. Dazu gehören in der Neuzeit allerdings auch jährlich 15 Millionen Touristen und hunderttausende Residenten. Diese erhöhen die Preise, aber mit ihren oft auf Sonne, preiswerten Fusel und Meer beschränkten Ansprüchen und eingeschleppten Küchengewohnheiten, nicht unbedingt den Geschmack. Doch auch das Traditionsbewußtsein, bei Einheimischen wie interessierten Zugezogenen, nimmt nach der Globalisierungsermüdung wieder zu und damit die Zahl der Lokale, die traditionelle Küche – mal urig, mal aufgepeppt – anbieten, vor allem außerhalb der großen Touristenzentren. Tourismus als Fluch und Segen. Auch das ein Kontinuum für die Küchenleistungen Spaniens.

Kanaren: Jede Insel eine eigene Welt

Gleichzeitig bildet auch jede Insel eine kleine Welt in sich, denn die Vegetationszonen schwanken von vulkanischer Wüste bis subtropische Fülle. Auf El Hierro, ganz im Westen, zieht man sogar Ananas, mit Weichkäse werden süße Quesadillas für die Vesper gemacht. Auf La Gomera fertigt man eine Paté oder Brotaufstrich, den Almogrote, auf der Basis eines derben, gereiften Ziegenkäses mit Öl, Paprika, Knoblauch, – sozusagen die Fusion aus Käse und mojón.

Bananen, Avocados, Oliven, sogar Kaffee wachsen auf Teneriffa und Gran Canaria, je nach Mikroklima und Boden. Das vulkanische Lanzarote verschafft Weinen die berühmte „Mineralität“ und lässt Früchte wie Feigen, aber auch Bohnen, Kichererbsen und Süßkartoffeln groß und ernährungstechnisch wertvoll werden.

Natürlich gibt es auch auf den Kanaren viele Standardgerichte der spanischen Küche, Lamm, Ziege und Schweinefleisch dominieren die Hauptgerichte neben den Meerestieren. Das Kaninchen wird in einer Art salmorejo serviert, Sparerips gibt es mit Maiskolben als seien wir in den Südstaaten.

Gestapelte Käse und Flaschen mit Likör auf den Kanarischen Inseln.
Rum, Liköre und Käse sind typische traditionelle Produkte der Kanarischen Inseln. © Pixabay

Doch haben sich viele typische Gerichte gehalten, die es so nur hier gibt. Neben den genannten papas und gofios seien hier erwähnt: die carajacas, kurz gebratene Leberscheiben von Rind oder Lamm in Knoblauch, zu denen man unbedingt einen Inselrum, zum Beispiel den Ron Arehucas probieren sollte. Auf den Kanaren gibt es eine „süße“ Blutwurst, die morcilla dulce, tiefschwarzes Blut mit Rosinen und Nüssen exotisiert.

Als wirkliches Dessert ordern sie bienmesabe, dem quieksüßen Baklava ähnlich oder frangollo, eine süße gofio-Variante; die quesadilla herreña erwähnten wir bereits. Süßkartoffelcreme in Blätterteig ergibt auf den Kanaren eine Forelle, truchas heißt das Gebäck. Papas arrugadas sind natürlich das Aushängeschild und der sancocho ist sozusagen die kulinarische Insel-Essenz. Dies, kombiniert mit frischen Meeresfrüchten als Tapa vorweg und abgeschlossen mit einem guten Ziegenkäse und einem Honigrum als Chupito, bilden ein rundes Inselmenü.

Rezept: Papas arrugadas con mojo picón

Für die Papas arrugadas, die „faltigen, verhutzelten“ Kartoffeln nehmen wir für vier Personen: 1kg kanarische Kartoffeln (papas canarias, negras oder antiguas werden auf dem Festland in größeren Markthallen angeboten, alternativ: kleine, festkochende Sorten mit einer dicken Schale und möglichst noch etwas Erde dran), 250g grobes Meersalz. Zubereitung: Wasser erhitzen, möglichst gleich große Kartoffeln gut waschen, mit der Schale in den Topf, dass sie ganz knapp mit Wasser bedeckt sind, das gesamte Salz hinzu. Ohne Deckel kochen, bis das Wasser fast verdampft ist, mit einer Gabel prüfen, ob die papas durch sind, notfalls etwas Wasser nachschütten. Sind sie so weit, werden die papas im Topf in einer horizontalen Drehbewegung hin- und hergeschaukelt, bis praktisch alle Flüssigkeit verdampft ist. Im Ergebnis sollten die Kartoffeln fast wie schwarze Trüffel aussehen.

Für den mojo picón canario benötigen wir: 1 Knoblauchknolle, zwei scharfe Chilischoten (im Original die Sorte „La Puta Madre“ aus Teneriffa), einen halben Teelöffel gemahlener Kreuzkümmel (comino), einen Teelöffel süßes Paprikapulver (pimentón dulce), 20ml Weinessig (vinagre), 150ml gutes Olivenöl, grobes Salz. Zubereitung: Knoblauch, Chili, Salz im Mörser zu einer homogenen Masse zerstoßen, dann den Paprika unterrühren. Tröpfchenweise Öl und Essig einmassieren. Wird die Sauce zu scharf, Mandeln oder Brotkrume hineinstampfen, wird sie zu fest, etwas Wasser einrühren.

Rezept: Sancocho canario

Der sancocho canario, der in x Versionen auch in Mittel- und Südamerika zubereitet wird, vereint wesentliche, traditionelle Elemente der Inselküche: Fisch, die berühmten papas arrugadas, einen mojo-Dipp, die Süßkartoffel und den gofio. In den Originalrezepten wird dafür der cherne verwendet, ein Zacken- oder Wrackbarsch. Als verfügbare Alternative bieten sich ein Adlerfischfilet (corvina), notfalls auch Kabeljau (bacalao desalado) an.

Weitere Zutaten: Kartoffeln (siehe Rezept papa arrugada), Süßkartoffel (boniato) sowie ein mojo-Dip. Das obige Mojo-Grundrezept variieren wir, indem wir nur eine halbe Chilischote verwenden, Essig durch Limettensaft ersetzen und einige Fäden Safran einziehen. Das Fischfilet wird in Öl mit etwas Zwiebel und Petersilie von beiden Seiten je rund drei Minuten leicht angeschwitzt, Deckel drauf und ohne Hitzezufuhr ziehen lassen. Die Süßkartoffel wird weich gekocht, geviertelt und als Basis für den mojo mit den papas arrugadas zusammen serviert.

Für den gofio gibt es mehr Rezepte als kanarische Inseln. Sie reichen handwerklich von Pfannkuchenteig, den man in der Pfanne wie kleine Opladen ausbrät, über keksartige Küchlein aus dem Ofen bis hin zu Frittierteig. Entsprechend der gewünschten Zubereitungsart empfehlen wir die Liquidität des Teigs zu halten. Verwenden Sie für das Grundrezept Mehl von geröstetem Mais (maís, millo) oder Gerste (cebada), etwas Salz, ein Ei und als Flüssigkeit zur Hälfte Milch und Wasser. Alles Weitere ist Ihrer Phantasie und Ihrem Geschmack überlassen.

Mehr Lust auf Inselküche? Hier geht es zum kulinarischen Insel-Hopping auf die Küche der Balearen: Ist Mallorca noch zu retten?

Weitere Berichte, Geschichte und Rezepte finden Sie in unseren Artikeln zu den regionalen Küchen in Spanien: Madrid, Murcia, Navarra, La Rioja, Katalonien.

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