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La Rioja: Kulinarische Rundreise durch Spaniens Regionen

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Von: Marco Schicker

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Weinkeller Rioja
Besucher in einem der vielen Weinkeller des Rioja. © Turismo La Rioja

Spanien besteht aus 16 autonomen Regionen - und einem Weinkeller. La Rioja. Was für ein Luxus. Dabei hat jede Region noch ihren eigenen Wein. Doch Rioja ist das Synonym des Weinlandes Spanien geworden, wie das Bordelaise und der Bordeaux für Frankreich.

Logroño - Wir nehmen Sie auf unserer kulinarischen Rundreise, diesmal deshalb nach Rioja mit, weil wir alle nicht reisen dürfen. Aber einen Rioja-Wein gibt es in jedem Haus, in jedem Supermarkt und damit auch die Essenz dieser hügeligen Landschaft im oberen Ebro-Tal. Sein Geschmack löst Erinnerungen aus, Wohlbefinden, Nostalgie. Rioja tröstet. In Maßen natürlich. Finden Sie dann noch eine Chorizo und ein paar Kartoffeln, dann haben wir auch schon das Wichtigste für die Leibspeise der Riojanos beisammen.

Auch wenn in den letzten Jahrzehnten das Duero-Tal und die Rias Baixas triumphieren, Weine aus Valencias Utiel-Requena-Gebiet dem Rioja internationale Medaillen wegschnappen und selbst die früher oft nur zum Verschnitt benutzten Rebensäfte aus dem Flächenanbau in der Mancha gezähmt und zugeritten wurden, bleibt Rioja doch gleichbedeutend mit dem Wein der Spanier.

Wein war Währung

Der Wein kam mit den Phöniziern nach Spanien, also Jahrtausende vor Christus, iberische Stämme kultivierten ihn, auch die Karthager und natürlich die Römer. Schon damals war das Ebro-Tal ökonomisch wichtig und das Ebro-Delta lag nicht von ungefähr nahe der bedeutenden Römerstadt, die heute Tarragona heißt. Goten und Mauren unterbrachen die Linie nicht, doch was damals Wein hieß, würden wir heute nicht trinken wollen.

Vor fast 1.000 Jahren, 1065, verlangte der Bischof von Nájera von den Bauern aus Longares, das heute in Aragón liegt, einen Teil ihres Rioja-Weines als Abgabe und als Messwein für die Gottesdienste. Es ist seine erste urkundlich beweisbare Erwähnung. Weizen und Wein waren damals Währung. 1102 soll Sancho I., König von Aragón, der Rioja-Weine auf seiner Hochzeit genossen hatte, den Produzenten eine Art Herkunftschutz zugesagt und die Herstellung reguliert haben. Das königliche Privileg sicherte vor allem dem Hofe Exportzölle und Naturalienabgaben gegen militärischen Schutz, der in den wüsten Zeiten damals überlebenswichtig war.

Rioja als Wein der Pilger

Ab dem 16. Jahrhundert schützten sich die Weinbauern um Logroño vor Fälschungen, in dem sie Fässer, Krüge und Flaschen mit einem Logo versahen. Das war der Aufruf für Fälscher zu einem lohnenden Geschäft. Die Einfuhr fremder Weine wurde verboten und man bekam das Monopol auf die Verköstigung der Pilger. Denn das Rioja und Logroño liegen auf dem Hauptjacobsweg, dem Camino de Santiago, was durstige Kehlen garantierte. Von diesen Pilgern sind uns einige Schilderungen überliefert, wonach man die Trauben Garnacha, Tempranillo, Graciano oder Viura indentifizeren kann, die man damals „ob weiß oder rot wild mischte“. Zudem lagerte man den drei Wochen gegorenen Most in den Fässern mit allen Ablagerungen wie Fruchtresten, Stilen, Schalen, aber auch Blut, Tierkadavern und alles was über Wochen in den Gär-Bottichen landete. Das machte den Rioja nicht nur äußerst schwer, fast schwarz und opulent, sondern verhalf ihm zu dem Ruf, „ein Wein zum kauen“ zu sein.

Erst im späten 17. Jahrhundert griff man ein, als man merkte dass die Produktion Überhand nahm und die Qualität meist unterirdisch war. Seinen Weinberg durfte nur behalten, wer die Trauben reifen ließ und sauber verarbeitete. Doch das half nichts. Der Verwaltungsrat Santa María de Palacio musste Most verschenken, weil er ihn nicht lagern konnte. Allein in Haro sprang die Produktion binnen fünf Jahren von 8.000 auf 25.000 Hektoliter im Hahre 1728. Auf Baustellen ersetzte der Wein das Wasser für die Arbeiter. Pedro de Atelay, ein Weinhändler aus Havanna, las den Winzern im Rioja die Leviten: „Ich habe eine Probe bekommen, die völlig kaputt war. Dabei habe ich festgestellt, dass das Material eine exquisite Qualität hat, die man sogar mit der Tiefebene des Bordeaux vergleichen könnte, würde es mit Bedacht verarbeitet. Ihnen fehlt Körper, sie sind nicht genug gekocht (gegärt), als das sie die Reise in andere Klimagebiete überstünden. Auch schwimmmt allerhand Fisch in den Fässern, einen Geschmack, den man nicht mehr losbekommt. Wenn sie so weitermachen, verlieren sie alle Ernten.“

Wein-Konjunktur mit Reblaus

Ab der Mitte des 19. Jahrhundert sorgte eine Winzergenossenschaft für Ordnung, Qualitätskriterien und einen gerechten Verkauf für alle Mitglieder. Ab 1878 übernahm die Real Sociedad Económica de La Rioja Castellana die Qualitätsüberwachung, der sich bald 52 Dörfer mit ihren jeweils eigenen Kooperativen unterstellten. Sie hatten allen Grund, sich zu verbünden, denn ein gemeinsamer Feind nagte in ihren Weinbergen: Die Reblaus.

Ausgerechnet diesem Schädling verdankt Spanien und speziell Rioja seinen Aufstieg. Denn französische Winzer, die seit Jahren mit dem Schädling zu tun hatten, der ab 1863 fast die gesamten Ernten in Europa vernichtete, entdeckten, dass spanische Weinberge nicht so anfällig waren wie die ihren. Am längsten blieb das Rioja frei von der Reblaus und konnte durch die bald entdeckte Pfropfung sozusagen einen Impfstoff einführen, bevor alles zu Grunde ging. Andere Regionen Spaniens, wie Rueda, hatten dieses Glück nicht.

1860 kaufte sich Marquese de Riscal aus dem Médoc, im Rioja ein, es folgten der peruanische General in spanischen Diensten Graf Luciano de Murrieta, weitereFranzosen und sogar deutsche Riesling-Winzer, die Kapital und Erfahrung mitbrachten. Einer von ihnen, Jean Pineau vom Chateau Lanesan, gilt nicht nur als Vater der modernen Önologie, sondern auch als Retter des Rioja. El Marqués de Riscal nahm ihn 1868 unter Vertrag.

Snobisten und Bastarde

Aus dieser Zeit stammt auch die herzliche Abneigung zwischen spanischen und französischen Winzern, die sich Preisdumping, Panscherei, absichtliche Massenüberflutung des Marktes, Snobismus und Monopolwahn vorwarfen - und das bis heute tun. Immer wieder versuchte man mit Zöllen oder Abkommen die Konkurrenz einzudämmen, bis sich der Markt als Regulator empfohl, die Franzosen setzten auf Esprit, Ruf und hohe Preise, die Spanier auf Masse. So blieb es sehr lange. Was nicht bedeutet, dass aus dem Rioja nicht auch exzellente Tropfen hervorkamen und auch weltweit Erfolge feierten. Doch während man in Frankreich den Elitarismus bis zum Exzess betrieb, der Wein eine Wertanlage wurde, blieb Rioja die ungezügeltere Cousine im Süden, „vin de bastard“ wie man abschätzig meinte. Doch bekommt man für zehn Euro in Spanien auch heute Weine, für die man im Bordeaux nicht mal Essig oder ein mitleidiges Lächeln bekommt.

Ältester Herkunftsschutz

Die Winzer des Rioja waren schon immer geteilt. In protegierte Elite-Produzenten, Massenkeller für den nationalen Markt und den Großexport sowie kleine Einzelwinzer und Kooperativen für den heimischen Bedarf. 1925 wurde Rioja die erste spanische Weinregion mit Herkunftsschutz und 1991 die erste, die ihrem DO noch das C anfügen durfte, was besondere Qualitätskontrollen garantiere. Unter dem DO-Siegel firmieren heute 600 Bodegas mit fast 15.000 Winzern. Industrialisierung und Öffnung der Märkte brachte wiederum Segen und Fluch. Zwar fielen die Zölle in der EU, aber der Preisdruck blieb. Zum Teil ist er selbstgemacht, wegen einer immernoch anhaltenden Überproduktion.

Katoffelgulasch Rioja
Patatas a al riojana, der deftige Kartoffelgulasch der Region Rioja. © Turismo La Rioja

Außerdem verschnitten auch Riojas Bodegas jahrzehntelang Weine aus anderen Regionen, vor allem Bobál, Garnacha und Tempranillo aus der Mancha, Extremadura und Valencia zu Riojas, was dem informierten Weinliebhaber nicht gerade Vertrauen einflößte. Heute wird gerade ein Drittel der Weine im Rioja sozusagen per Hand gemacht, also nach traditioneller Methode und in Holfzfässern als Crianza oder Reservea ausgebaut. Alles andere ist Industriewein. Der muss nicht immer schlecht sein, ist aber austauschbar. Zwar gehen in ganz Spanien, so auch im Rioja die Anbauflächen zugunsten der Qualität zurück, Spanien aber ist nach wie vor der größte Erzeuger der Welt. Beim Kauf eines Rioja sollte man also vor allem immer wieder unbekannte Bodegas ausprobieren, „Naturweinen“ eine Chance geben, denn die großen Namen, die Marqueses oder der Ramón Bilbao machen zwar gute Weine, aber mit wenig Charakter, der von dem erzählt, was einen großen Rioja eigentlich ausmacht: voluminöse Direktheit ohne Firlefanz, ein Spanier, der zu verführen weiß, ohne zu schwindeln.

Manchmal wird im Rioja auch gegessen. Man braucht ja schließlich eine Basis für den Wein. Gekocht wird natürlich auch mit Wein, Birnen ertränkt man gleich gänzlich darin zu einem feinen Dessert. Dauerbrenner sind die Patatas a la riojana, ein sämiges Pfännchen, der entfernte Schwager des Wiener Kartoffelgulaschs. Zwiebel, Knoblauch, Lorbeer und Kartoffelstückchen werden sanft mit Chorizo angeschwitzt, dann mit süßem Paprikapulver, einer Chilischote und ganz wenig geräuchertem Paprika (pimiento choricero) abschmecken und mit Rotwein und etwas milder Brühe ablöschen, so lange köcheln, bis die Kartoffeln weich sind und durch die abgegebene Stärke die richtige Bindung erzeugen. Nicht zu viel Flüssigkeit hinzugeben, sondern lieber nachgießen und den Wein gut einkochen.

An Festtagen kocht man den Caparrón, kleine weiße Bohnen, der Eintopf ist ähnlich der asturianischen Fabada, Chorizo und Bauchspeck bilden hier die Einlagen, aber auch andere Gemüse wie wilde Spargel oder Paprika. Navarra, das kulturhistorisch dem Rioja sehr nahe Nachbargebiet brachte die Menestra de Verduras in die Küchen. Von diesen Handeslrouten kam auch der Kabeljau, bacalao, ins weinselige Binnenland, den man in einer Sauce aus Tomate, roter Paprika und natürlich Rioja-Wein serviert. Lammkoteletts werden über Weinranken gebraten und diese auch als Feuermittel benutzt, weil sie exakt die richtige Temperatur und das Aroma erreichen, das diesen Chuletas de cordero al sarmiento, den perfekten Garpunkt gibt. Dass man zu Lamm Rotwein bestellt, natürlich einen Rioja, das braucht man in Spanien nicht einmal mehr den (meisten) Touristen erklären.

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