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Portugal kulinarisch: Francesinha, die Darmfresser und Weltwunder im Fass - Kulinarische Städtereise nach Porto

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Von: Marco Schicker

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Ein alter Kahn mit Portweinfässern liegt im Fluss Douro vor der Altstadt von Porto.
Blick über einen der alten Portwein-Kähne von Vila Nova de Gaia auf die Alstadt von Porto. © Marco Schicker

Porto mag am Ende Europas liegen, aber vielleicht ist es auch der Anfang vom Schlaraffenland: Die Portwein-Bodegas stapeln sich, der kalte Atlantik schwemmt feinsten Fisch an, Portugals Hinterland liefert Konsistenz auf die Teller und die Weine des Douro-Tals umspülen den Gaumen in jeder denkbaren Note. 

Porto - Den ersten Tag in Porto treibt es jeden Besucher an den Fluss. An der Ribeira atmet man die Stadt ein, durchfährt in einem Kahn den Stolz der Stadt, die sechs in die Berge getrotzten Brücken – bei einigen führte sichtbar das Büro Eiffel die Feder – und wirft einen neugierigen Blick hinüber nach Vila Nova de Gaia, auf die linke Seite des Douro, wo die Portwein-Bodegas wie Kisten übereinander gestapelt auf die Gäste zu warten scheinen. Sandeman grüßt in seinem schwarzen Umhang herüber, das royal prahlende Wappen von Taylor´s Port prangt darüber seit 1692.

Aperitiv für Porto: Vinho Verde - Leichte Gespielin des schweren Port

Ein Glas und eine Flasche Wein stehen auf einer Mauer vor dem Panorama des Douro-Flusses in Porto.
Der jung-spritzige Vinho Verde ist eines der Wunder aus dem Tal des Douro und ein perfekter Auftakt für Porto. © Marco Schicker

Doch wir bleiben noch an der Ribeira und beginnen den Tag in einer der vielen Schänken, Bars und Restaurants mit einem Vinho Verde, der leichten Gespielin der schweren Ports, der ebenfalls aus dem Tal des Douro, aber auch des Minho ganz im Norden kommt. Die kurz und stürmisch gegärten, sehr jungen Trauben (Albariño, Arinto, Aveso oder Treixadura) liefern einen fruchtigen Wein, der mitunter in leichten Pfeffernoten an einen Grünen Veltliner erinnert, der aber prickeln kann wie ein junger Prosecco aus Venetien.

Kein Portugal ohne Kabeljau: Bacalhau Gomes de Sá

Kabeljau aus dem Ofen mit Gemüsen auf einem Teller angerichtet.
Portugal ohne ein Gericht mit Kabeljau ist möglich, aber sinnlos. Hier: Bacalhau Gomes de Sá. © Marco Schicker

Dass der Wirt dazu einen Bacalhau / Kabeljau empfiehlt, kommt in Portugal nicht allzu überraschend, obwohl auch die nicht auf traditionelle Art eingesalzenen und getrockneten Fische, also die frisch aus dem Meer gezogenen hier besonders verlockend sind. Denn der Atlantik ist so nah und so kalt, dass eine gewöhnliche Dorade, weil langsam gewachsen und aus Wildfang zu einer echten Offenbarung werden kann. Die Portugiesen grillen sie gern „auf dem Rücken“, also längs aufgeschnitten in der Grillzange. Öl, Salz, Zitrone, ein Zweiglein Salbei dazu, fertig ist das Gedicht. Dazu trinken wir einen eiskalten, weißen Douro, denn dieses gesegnete Tal liefert uns Wein für alle Gelegenheiten in erster Güte.

Doch auch den Bacalhau Gomes de Sá, den uns der Herr Ferreira in seinem kleinen Lokal an der Kaimauer servierte, sollte man probieren. Denn dessen Rezept stammt vom Küchenchef Gomes de Sá, der bis zu seinem Tode 1926 das Restaurante Lisbonense in Porto zu einigem Ruhm führte. Der brettharte Kabeljau, am besten ein großes Stück lomo mit Haut, also dick geschnittenes Filet, ist in der Nacht zuvor zu wässern.

Blick auf die Markthalle von Porto, davor eine Wiese mit gelben Blümchen.
Die zentrale Markthalle von Porto, nur wenige Schritte vom Fluss. © Marco Schicker

Die Zubereitung so einfach wie genial: Kartoffeln werden in Scheiben auf ein Backblech gelegt, in einer Pfanne werden eine Zwiebel und vier Knoblauchzehen leicht in Öl angeschwitzt, gesalzen, abgedreht und mit 250 ml Milch abgelöscht. Das Ganze über die geschichteten Kartoffeln und etwa 20 Minuten wie ein Gratin backen. Dann den Fisch gleichmäßig in nicht zu kleinen Stücken (etwa wie ein Wiener Gulasch) über die Kartoffeln verteilen, in jede Ecke eine halbe Tomate „Gesicht“ nach oben platzieren, alles mit Öl beträufeln und nicht mehr als zehn Minuten bei 200 Grad garen. Derweil kocht man ein paar Eier mittelhart, die man dann mit schwarzen Oliven auf dem Blech verteilt. Fünf Minuten ruhen lassen, dann etwas Olivenöl und Petersilie darüber.

Portos „Nationalgericht" Francesinha: Wuchtiger Klotz mit zartem Namen

Am Nebentisch bestellten sich Einheimische nach einem Caldo verde, einer für den Norden des Landes typischen Suppe (Grünkohl, genauer: galicischer Kohl und chorizo), ein eigenartig anmutendes Mahl: Auf den Tellern kam unter Ohs und Ahs ein monolithischer Block daher, mit Käse überbacken in einer orangefarbenen Sauce, die mehr einem Lacküberzug glich. Der Block hört auf den zarten Namen Francesinha – wir treffen sie in praktisch jedem Lokal in dem einen oder anderen Kostüm an. Als wir den Wirt nach den Zutaten fragen, nahm er vorsorglich Platz, denn die Liste wurde länger.

Kurz gesagt, die Francesinha ist eine mit Käse überbackene Fusion aus Burger, Full English Breakfast und der Inventur eines Fleisch- und Wurstgroßhandels zwischen zwei Toastscheiben. Die Zutatenliste der Sauce ist noch länger, die Basis bilden Tomate, Chili, Brühe, Lorbeer, Fischsud, Öl, die mit Whisky, Portwein und einem guten Liter Bier stundenlang eingekocht werden, bis eben dieses toxisch glänzende Etwas entstanden ist. Angeblich soll die Francesinha von einem aus Frankreich zurückgekehrten portugiesischen Koch namens Silva in den 60er Jahren mitgebracht worden sein. Die Franzosen weigern sich zu Recht, die Schuld dafür auf sich zu nehmen.

Ein Glas Portwein und ein Schälchen Oliven stehen auf einem Lokaltisch einer Terrasse in Porto.
Die Lokalszene in Porto ist vielseitig und kreativ, aber nicht überspannt. Sie passt zum Portwein. © Marco Schicker

Vielleicht ist es auch ein Ergebnis der langen englischen Bande, die Porto wegen seines Weines zu erdulden hatte. Das Zeug schmeckt nicht mal schlecht, was es irgendwie noch gespenstischer macht. Silva heißt übrigens Schmied, was den wirklichen Entstehungsort erklären könnte und Francesinha ist sicher der Name der entlaufenen Ex-Freundin des Erfinders. Doch dieses Gericht gibt es wirklich nur hier, daher: Essbefehl!

Porto und seine Tripeiros: Därme ohne Portwein

Wenn ihnen davon die Därme weh tun, sind sie eingemeindet. Denn die Einwohner Portos tragen seit hunderten Jahren den Bei- und Spitznamen Tripeiros, unübersetzbar mit Gedärmlinge oder Darmfresser zu übertragen. Das bringt uns zum nächsten „Nationalgericht“ Portos, den Tripas à moda do Porto. Darm? Gemeint sind die Kutteln, die Kuh- oder auch Lammmägen und das Gericht ist ein weißer Bohneneintopf, der mal suppiger, mal fast wie ein Auflauf serviert wird. Er erinnert in etwa an die Callos a la madrileña oder die fabadas im benachbarten Asturien, denn auch hier finden wir Chorizo, dazu aber Rinderknie und Schweinsohren und -füße verarbeitet, wobei man großen Wert auf die passende Bindung und die feste Zartheit der Bohnen legt.

Das mit den Tripeiros haben die Portuenser übrigens Prinz Heinrich "dem Navegator" zu verdanken, der mit seinem Vater, König João I, 1415 zum ersten Übersee-Abenteuer Portugals aufbrach. Man buk damals noch kleine Brötchen und überfiel Ceuta, das später Spanien erbte. Für den Raubzug brauchten die Truppen Proviant, Henrique ließ in Porto sämtliches Fleisch auf seine Kriegsflotte verladen und ließ nur das Gedärm in der Stadt.

Portwein: Von der Notlösung zum edlen Tropfen

Portwein-Fässer gestapelt in einer alten Bodega in Porto.
Die Caves Burmester, eine der Portwein-Bodegas in Porto, direkt am Brückenkopf der Brücke Luiz I. gelegen. © Marco Schicker

Das Originalrezept enthält auch keinen Portwein, der sonst wegen seiner universalen Gaumenschmeichelattribute natürlich immer gerne, vor allem für Saucen, eingesetzt wird. Denn den Portwein gab es erst gut 150 Jahre später. Auch er ist ein Kollateralprodukt des Krieges, was diesen nicht nützlicher macht, aber die Beteiligten vielleicht besser vergessen lässt.

England lag mal wieder mit Frankreich im Krieg. Falsch: Zwei nutzlose Königshäuser lagen miteinander im Krieg. Dadurch versiegten auch die französischen Weinquellen, ein Elend, das die Oberschicht noch weniger hinnehmen mochte als Tod und Elend der Untertanen. Noch Churchill werden wir rufen hören: Wir befreien Frankreich nicht wegen der Franzosen, sondern wegen ihres Weines!

Damals war der Weg nach Frankreich den Angelsachsen wie gesagt verwehrt, in Portugal und auch in Spanien wurde man fündig. Doch der Transport der Tropfen von dort war länger, das Klima wärmer. Man schüttete Brandy in den Wein, um spontane Gärungen und somit auch das Kippen des Weines zu verhindern. Auch der Sherry in Jerez entstand auf diese Weise. Die Reeder wurden mit der Zeit zu Winzern und Önologen und diese dann mitunter zu wahren Künstlern.

Portwein: Vom Ruby bis zum PorTonic

Bei den Portwein Verkostungen in den Bodegas von Tawny über Ruby bis Crusty und Super-Vintage kann man sich davon überzeugen. Unser Tipp: Machen Sie eine Führung mit Verkostung, aber nur durch eine Bodega. Zunge und Gaumen ermüden sonst und die edlen Tropfen werden zum Einerlei. Holländische und spanische Kaufleute mischten im Portgeschäft bald mit, was den multikulturellen Namenssalat der Bodegas erklärt.

Unsere Erfahrung war, dass die großen Namen vor allem durch große Preise und viel Palaver bestechen, während nicht ganz so berühmte Labels preiswert überraschten. Vor allem der orangefarbene, "weiße", aber fassgelagerte Port war eine echte Offenbarung, auch wenn das Label "trocken" bei Portweinen generell sehr relativ zu sehen ist. Die hippen Bars bieten daraus einen PorTonic an, einen Longdrink, der sich noch herumsprechen wird. Die gesetzteren Einheimischen bevorzugen im Alltag ohnehin die klassischen, trockenen Douro-Weine. Wenn sie nicht sowieso Bier trinken. Aus Porto stammt das Super Bock (seit 1927), ein süffiges Lager, das dem Sagres der Hauptstadt mächtig Konkurrenz macht.

Porto: Gastfreundschaft und kleine Wunder

Portos Restaurantszene überzeugt durch enorme Vielfalt und eine hippe Kreativität bei den Inneneinrichtungen wie in der Küche. Die Kleinstadt ist kulinarisch eine Weltstadt, bloß ohne deren maßlose Übertreibungen und dem Wahn, immer trendig sein zu müssen. Es gibt mittlerweile auch Alternativen für Vegetarier und Veganer, auch wenn die sich in den Gasthäusern der iberischen Halbinsel nach wie vor wie Aussätzige vorkommen müssen.

Und in den vielen Bars erhält man natürlich auch die anderen Köstlichkeiten der Küche Portugals von den Kabeljaubällchen, über Sardinen vom Grill bis hin zu den legendären Küchlein, Pasteis de nata. Desserts aus Kastanien oder auch herzhafte Gerichte daraus sind wegen der riesigen Artenvielfalt im Norden Portugals besonders zu empfehlen, auch etwas, was man mit den Schwagern in Asturien und Galicien teilt. Herzliche Gastfreundschaft gibt’s hier wie dort meist inklusive.

Eine Frau mit Schürze steht vor einem alten Lokal in Porto.
Das Lokal „As 7 Maravilhas“ in Porto. Etwas Retro, etwas Prenzblerg, Tröstliches aus der Küche und ein uriges Hausbräu. © As 7 Maravilhas

Noch ein Tipp zum Schluss: Das kleine Wirtshaus "As 7 Maravilhas", die sieben Weltwunder, unweit der Markthalle von Porto in der Rua das Taipas 17C bietet zwar keine dezidiert portugiesische Küche, dafür ein Ambiente zwischen Bohème, Eckkneipe und Trödelladen, wie man es leider nur noch zu selten findet. Auf der Karte gibt es guten Käse, kleine, kreative Seelentröster und dazu ein süffiges, naturtrübes Hausbräu, das auch so auf Deutsch benannt wird, serviert von einem "alten" Prenzlberger am Ausgang Europas - und Eingang zum Paradies.

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