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Sherry: Andalusiens goldige Tropfen

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Von: Marco Schicker

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Ein Glas Sherry wird eingeschenkt
Jerez ohne Sherry-Verkostung ist praktisch nicht hinnehmbar. © Vinos de Jerez

Der Jerez, den die Briten als Sherry zu Weltruhm tranken, ist eine eigene Kultur. Benannt ist der goldene Tropfen nach der gleichnamigen Stadt in Andalusien.

Im September geht traditionell im Sherry-Anbaugebiet, dem sogenannten Marco de Jerez sowie in den zugelassenen Gebieten in Córdoba und Sevilla die Weinlese zu Ende. Die Erträge der Palomino-Traube für die trockenen Sherrys sowie hauptsächlich Moscatel und Pedro Ximénez für die süßeren Versionen sind 2019 erneut deutlich zurückgegangen. Das ist saison- also wetterbedingt, aber andererseits auch beabsichtigt.

Die anerkannte Anbaufläche in der Provinz Cádiz wurde binnen zehn Jahren von 32.000 auf 7.000 Hektar heruntergefahren, um wieder mehr Qualität zu produzieren und die Exzesse der Vorjahre, bei denen man auf Massenexporte setzte und sich damit die Preise zerstörte, zu reduzieren. Die führenden Bodegas berichten von rund 30 Prozent Ernteeinbußen gegenüber dem Vorjahr, aber einer „herausragenden Qualität“ der rund 57 Millionen Kilogramm Trauben, die rund 80.000 sogenannter botas (Stiefel) ergeben, Fässer mit je rund 500 Liter Traubenmost.

Engländer importierten den „Sherish“ der Mauren seit dem 12. Jahrhundert

Der nach der Stadt Jerez benannte Wein, international als Sherry bekannt, ist ein eigenartiges Getränk. Im Prinzip ein Weißwein, dem aber vor dem Abfüllen Alkohol zugesetzt wird – früher aus Verlegenheit, heute aus Kalkül –, üblicherweise in Form von Brandy, der selbst aus Sherry destilliert wurde.

Zum einen erhöht man damit den Alkoholgehalt, kontrolliert aber gleichzeitig die Gärung, in dem man sie abbricht. Die Hefebakterien werden praktisch durch den Sprit getötet. Das erlaubt ein feines Tuning der Süße, aber auch der Reifeprozesse, die durch Lagerung in Eichenholzfässern oder die Solera-Methode über die Jahrhunderte zur Perfektion gebracht wurden. Solera bedeutet, dass immer ein Teil des Produktes im Fass verbleibt und sich in einem ausgeklügelten System mit neuen Jahrgängen verbindet, um eine bestimmte Geschmackscharakteristik aufrechtzuerhalten.

Sherry-Fässer in einer Bodega
Promis verewigten sich auf den Fässern der berühmten Bodega Tio Pepe. © Vinos de Jerez

Von Fino bis Cream

Am Ende unterscheiden wir einige Grundsorten, mit ganz unterschiedlichen Charakteristiken und Noten. Besonders bekannt von den andalusischen Ferias ist natürlich der Manzanilla, ein frecher, trockener hellblonder Tropfen, der sowohl zum Plausch getrunken wird, sich aber auch exzellent zu Tapas vor allem aus dem Meer macht.

Der Fino, auch Fino seco, ist sein etwas feinerer Bruder, seine Farbe mitunter goldiger und brillanter, der Geschmack etwas raffinierter. Für den Gourmet die Königsdisziplin der Sherrys. Auf der Süße-Leiter folgt dann der Amontillado, benannt nach der Sherry-Gegend Montilla in der Provinz Córdoba. Er hat es sogar in eine Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe geschafft. Sein Farbenspiel geht schon Richtung Bernstein, er ist süßer, aber noch nicht klebrig, hat nussige Aromen und ist ein toller Begleiter zum Beispiel zu einem guten Espresso, aber auch zum Käse. Der Medium ist die etwas einfachere Version. Die süßen Sorten, also Oloroso, Palo Cortado oder Pale Cream, Sherry-Moscatel und Pedro Ximénez, haben mehr Liebhaber als sie eigentlich verdienen und sind ein Exportschlager.

In der Region Jerez wird seit 3.100 Jahren Wein angebaut, die Phönizier brachten die Trauben mit, worüber der griechische Gelehrte Strabon ungefähr 1.000 Jahre später bereits schriftlich Zeugnis gab, die Funde im Castillo de Doña Blanca, nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt, bestätigten das. Die Phönizier nannten ihre Siedlung damals Xera, daraus wurde Jerez, die Engländer schafften es, daraus Sherry zu machen, der dem Sherish der Mauren sehr ähnlich klingt, denn sie importierten ihn seit dem 12. Jahrhundert von diesen.

Medizin als Deckmantel

Die muslimischen Spanier sprachen ab dem 8. Jahrhundert den Weinen gerne medizinische Wirkungen zu, um das Alkoholverbot des Koran zu umgehen. Das ging eine Weile gut, bis sich religiös eifernde Kalifen mit der Verschärfung der Verbote aus Machtkalkül hervortaten und die Andalusier auf Rosinen umstellten mussten oder den Wein nur noch exportieren durften. Getrunken wurde Wein bei den Mauren indes bis zu den letzten Tagen von Granada.

Ab 1483 sind die ersten durch katholische Könige diktierte geschützten Herkunfts- und Herstellungsnormen bekannt, der Spanierwein reüssierte nicht nur in Europa, sondern auch in der Neuen Welt. Die Engländer mochten ihn bei Weitem nicht nur als Aperitiv.

Drei Gläser mit Sherry
Farben- und Geschmacksspiele: Fino, Medium und Amontillado. © Vinos de Jerez

Der Freibeuter Francis Drake plünderte im 16. Jahrhundert mit seiner Flotte Cádiz, brachte kein Gold, dafür 3.000 Flaschen Sherry nach Britannien. Für den Jerez war das langfristig ein gelungenes Marketing. Bei Shakespeare taucht er in vielen Werken auf. Italienische Geschäftsleute investierten in die andalusischen Weingüter, Franzosen schalteten sich in den Handel ein, spanische Könige mussten am Hofe den Konsum rationieren, so beliebt war der Wein.

Kunst statt Notlösung

Ab dem 17. Jahrhundert kauften sich dann immer mehr schottische, aber auch englische Familien ein – man denke nur an Sandeman oder Osborne –, die bei der britischen Regierung sogar die Absenkung der Zölle durchsetzen konnten. Die Herstellung war streng reglementiert, ein Gremio wachte darüber, verschlief aber den Wandel der Märkte und Geschmäcker.

Die Weingüter gingen im 19. Jahrhundert zu neuen Produktionsmethoden und längerer Lagerung über, allmählich entstand ein Sherry, wie wir ihn heute kennen und das Hinzusetzen von Alkohol wurde von der einstigen Konservierungsmethode, die ein schnelles „Kippen“ verhindern sollte, zum handwerklichen Instrumentarium und letztlich zum geschmacklichen Markenzeichen, ja, zur Kunst.

Die Reblaus vernichtete auch im Sherry-Land fast alle Bestände, amerikanische Sorten mit Resistenz gegen Schädlinge sorgten für Neuausrichtung. Die Briten waren nach wie vor vernarrt in den Wein und versuchten sogar ihn in Kolonien nachzubrauen. Doch die Winzer des Marco de Jerez wappneten sich, schon 1935 gab es einen weltweiten Herkunfts- und Markenschutz für Sherry. Er war der erste spanische Wein, der diese Denominación de Origen erhielt. Der logische nächste Schritt sollte die Anerkennung als Welterbe der Menschheit durch die Unesco sein, die seit 2018 betrieben wird und eigentlich längst überfällig wäre. Denn man spricht nicht mehr nur vom Sherry-Wein, sondern einer Sherry-Kultur, die eine Landschaft prägt, die mit ihren beeindruckenden historischen Bodegas und Weinhängen und Verkostungen zum Vorreiter des Weintourismus in ganz Spanien wurde.

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