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Nicht nur Sangría: Was Spanien im Sommer trinkt - Andalusischer Gespritzter und valencianischer Bretterknaller

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Von: Marco Schicker

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Drei Gläser Rebujito Weinmischgetränk aus Andalusien stehen auf einem Bartresen.
Ein Klassiker der Fiestas in Andalusien, der Rebujito. Trockener Sherry, Zitronenlimonade, Eis und Minze. © Pixabay

Sangría, Gin Tonic, Mojito sind in Spanien die Hits unter den Long Drinks in den Chiringuitos und Bars an den Stränden. Aber kennen Sie den Rebujito aus Sevilla, Agua de Valencia, Cocktails aus Pacharán, Likör 43 aus Cartagena oder Hemingways Cosmopolitan aus Navarra?

Madrid - Spanienurlaub und Sangría, das ist ein liebgewonnenes Klischee, für manche der Himmel, für viele die Eimer-Hölle auf Mallorca. Doch auch die Spanier genießen die rote Bowle Sangría im Sommer gerne, wenn sie am Abend auf Tapas-Tour, eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, gehen. Das Getränk, das Weinkennern mitunter einen Schauer des Ekels beschert, ist eine britisch-spanische Koproduktion, die Sangría hat ihre eigene, spannende Kulturgeschichte.

Sangría: Spaniens blutroter Klassiker und seine vielfarbigen Verwandten

Und Unmengen von Rezepten. Der Klassiker ist natürlich die Sangría in Rot, für eine Karaffe von rund einem Liter: 1 Flasche trockenen, fruchtigen Rotwein, eine ganze (Bio)-Zitrone mit Schale, 2-3 Löffel Zucker (unter Protest!), eine Orange, einen kräftigen Schuss Brandy (z. B. Veterano), einen Schuss Orangenlikör (z.B. Gran Marnier) ein Glas Ginger Ale, ein bis zwei Gläser Mineralwasser, eine Zimtstange, crushed ice.

Ein Glas Sangría mit Strohhalm steht vor einer Strandkulisse in Spanien.
Sangría: Spaniens blutroter Sommer-Hit. Doch die Chiringuitos an den Stränden haben noch mehr Drinks mit spanischem Akzent zu bieten. © Pixabay

Zubereitung: Früchte schneiden, wenn Bio, dann gerne mit Schale, mit Zucker, Brandy und Wein gut vermischen und möglichst über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen. Vor dem Servieren Eis und Zimtstange hinzugeben, mit den Sprudelgetränken aufgießen.

Der Varianten sind unendlich: Man kann die Sangría nur mit Mineralwasser oder halb und halb mit Sprite aufgießen, Brandy oder anstelle desselben Gin verwenden. Gerne genommen wird auch Cointreau, ein Orangenlikör mit einem Bitterorangenanteil. Das Obst kann natürlich beliebig variiert werden: Erdbeeren sowie Waldfrüchte wie Brombeeren. Auch Varianten mit Weißwein sind in Spanien üblich: Melone, Pfirsich und Limette, Stachelbeeren oder weiße Trauben bieten sich hier für den Fruchtansatz an. Alles Wissenswerte zur Sangría.

Agua de Valencia: Levantinischer Bretterknaller

Das Modegetränk Aigua de València (Valencianisches Wasser) aus den plüschigen 70er Jahren hält sich vor allem an der Levante-Küste Spaniens hartnäckig. Das Original ist ein Cocktail, ein wahrer Bretterknaller, und besteht aus einem Drittel frisch gepresstem Saft valencianischer Spätorangen, je einem Sechstel Gin und Wodka sowie einem Drittel trockenem Cava, also dem katalanischen Sekt.

Ein Glas mit einem Orangen-Cocktail steht auf einem Tisch.
Agua de Valencia, aus Orangen, Schnaps und spanischem Sekt, Cava. Ein Bretterknaller aus den plüschigen 70ern, der es ins Heute schaffte. © Pixabay

Die Mischung wird idealerweise zwei Stunden vor Genuss kaltgestellt und dann im Shaker mit crushed ice aufgemixt sowie mit der Spirale einer Orangenschale dekoriert. Den Cocktail als Sirup zu verwenden und mit Eis und Mineralwasser (1:1) aufzugießen, erfrischt und besänftigt den lauernden Kater vielleicht.

Andalusischer G’spritzter: Rebujito

Der Rebujito ist vor allem bei der berühmten Feria de Abril in Sevilla und in anderen Orten Andalusiens angesagt, denn dort ständig den puren Manzanilla (eine trockene Sherry-Art) zu trinken, kann die Party bald beenden. Der Spritzwein ist so einfach wie genial, man nehme für eine 1-Liter-Karaffe rund 200 ml trockenen Sherry (manzanilla oder fino seco) und gieße das ganze mit einer Zitronenlimonade (Casera) auf, etwas Abrieb von Limetten kann, einige Blätter frischer Minze müssen hinein, sowie reichlich Eis.

Vier Cocktailgläser mit bunten Drinks stehen an einem Strand.
Auch in Spanien dominieren in den Bars die Allzeit-Klassiker von Mojito bis Piña Colada. Doch es gibt noch mehr zu entdecken - und zu kosten. © Pixabay

Weingemisch Panocho aus Murcia: Zitrone mit Akzent

Der Panocho de Murcia ist eigentlich der Begriff für den sehr speziellen Dialekt, den man auf dem Campo de Murcia hört und der im Rest Spaniens die Murcianer zu Marcianos (Marsmenschen) macht. Eigentlich ist es nur ein zögerliches Andalusisch, dass ein bisschen vermurmelt wird. Panocho heißt passenderweise auch ein süßlich-klebriger Zitronenlikör, ausschließlich aus den Schalen der Zitronen aus Murcia angesetzt. Diesen vermischt man mit Mineralwasser und rund einem Drittel eines heimischen Weißweins, also aus Jumilla, Bullas oder Yecla, und schon bald beherrscht man die murcianische Mundart fließend, versteht aber manchmal sich selbst nicht mehr.

Gin Tonic in Spanien: Nobler Absacker

Der Gin Tonic ist der beliebteste Longdrink in Spanien. Ob nach dem Essen, im Chiringuito an einem der Strände oder in einer „bar de copas“, der Wacholderschnaps mit Tonic aufgespritzt hat schon lange Tradition. Der dritte Markgraf von und zu Larios – unter anderem Gründer der Banco de Málaga – kaufte 1916 die schon 1866 gegründete Destillerie Charles Lamothe & Pedro Jiménez auf und schuf damit die größte spanische Gin-Dynastie. Der Larios ist heute die Nummer 3 der meistkonsumierten Gins im Lande, gleich nach Gordons und Beefeater.

Vom Magenbitter zum Mode-Drink

Zwei Daumen breit Gin, Eis, Tonic und eine Scheibe Zitrone und fertig ist der Gin Tonic? Das war einmal. Gin Tonic, früher mal eine „Magenmedizin“, wurde in den vergangenen Jahren zum verspielten Kult, die Strategen der Spirituosen- und Getränkeindustrie haben es auch in Spanien geschafft, dem Longdrink eine Aura zu verschaffen, der regelrechter Sommeliers bedarf, um zu jedem Gin die passende Präsentation und Würzung zu finden.

Neben einem Glas Gin Tonic liegen aufgeschnittene rosa Grapefruit-Scheiben.
Pfefferkörner und Anis im Gin Tonic? Wer‘s braucht. In Spanien ist der Wacholderschnaps fast so beliebt wie in Britannien. © Pixabay

Da finden sich je nach Sorte dann plötzlich Nelken, Pfefferkörner, Sternanis, Rosenblätter und sogar Blattgold im Glas. Die Gins wie die Tonics gibt es in himmelblau, rosa und giftgrün. Gastrokritiker befinden das alles als Marketing-Gag, denn letztlich würde die süße Tonic-Brause sowieso alles egalisieren. Aber über Geschmack braucht man nicht zu streiten.

Spanien ist der größte Gin-Kunde der Briten in der EU. Pro Kopf werden hier jährlich 0,6 Liter Gin konsumiert, nur in England und auf den Philippinen ist es mehr. Nach einer Statistik der Branche gelten 4,2 Millionen Spanier, also rund 15 Prozent der Erwachsenen, als regelmäßige Gin-Tonic-Konsumenten. Ihre Favoriten: 1. Gordons, 2. Bombay Sapphire, 3. Larios, 4. Tanqueray, 5. Seagrams.

Gin Tonic in Spanien: Sagen Sie rechtzeitig „Stopp!“

In Spanien ist es üblich, den Gin am Tisch vor den Augen des Gastes einzuschenken, eine Überlieferung aus Zeiten, da der Betrug mit billigen Surrogaten zum Preis teurer Marken noch gang und gäbe war. Dabei schenken viele Kellner sehr großzügig ein, manche halten erst dann inne, wenn der Gast ein Zeichen gibt. Das sollte er nicht nur im Interesse seines Wohlbefindens tun, sondern auch des Geschmacks, sonst wird der Drink ein echter „Absacker“ und schmeckt nur noch sprittig. Tipp: Bestellen Sie sich zum Tonic ein Fläschchen des sehr mineralischen Wassers Vichy catalán hinzu, ihr Drink bekommt so eine leicht salzige, trockene Note. Zusammen mit einem Seagrams Gin ein echter Genuss.

Cocktails mit spanischem Akzent

Klassische Cocktails sind eigentlich aus der Mode, zumal im heißen Spanien, wo man an der Bar und im Chiringuito lieber auf Long Drinks zurückgreift. Die liefern mehr Flüssigkeit und der Alkohol steigt nicht ganz so schnell zu Kopfe. Gin Tonic, Cuba libre, Whisky Cola oder Rum Cola oder das grausliche Wodka Red Bull sind auch in Spanien die am häufigsten konsumierten Mixgetränke. Doch es ist wieder Mode, einheimische Liköre, Kräuterbrände und Schnäpse zu vermixen und so dem Mischgetränk einen spanischen Akzent zu geben.

Orujo: Galicischer Kräutergarten im Glas und ein Hippie-Cocktail aus Ibiza

Berühmt-berüchtigt sind die Kräuterschnäpse aus Galicien und anderen Regionen, genannt Orujo. Sie gibt es gebrannt und als Likör angesetzt. Einen Preis bei den Cocktail Awards erlangte Orujo de Galicia: 3cl Orujo, 2cl Pfirsichsaft, 4cl Maracuja-Saft, 1cl Sirup von roten Früchten, gut aufmixen und im Cocktailglas mit crushed ice laufen lassen. Ähnlich eine Variante mit dem Kräuterlikör Hierbas de Ibiza von der Hippie-Balearen-Insel: Hier kommen Ananas-, Pfirsich- und Orangensaft zum Hierbas de Ibiza sowie zwei Tropfen Granadine.

Eine Flasche des spanischen Likörs 43.
Licor 43 ist ein Allzeitklassiker in Spanien: Ein süßer Likör aus Cartagena mit intensivem Mandel- und Anisaroma. © Diego Zamora S.A.

Café de Alcoy: Mini-Cocktail als Dessert, der Iceberg

Das alicantinische Alcoy nennt einen leckeren Kaffee-Likör sein Eigen, der in den Bars zum Espresso auf Eis getrunken, über einen Eisbecher oder gleich in den Kaffee selbst geschüttet wird. Es gibt den Café de Alcoy aber auch als Cocktail, den Iceberg: 2,5cl Wodka, 1,5cl Café de Alcoy, ein Spritzer Zitronensaft. Sehr gut schütteln, bis es eine Emulsion ergibt, über crushed ice in ein Whiskyglas laufen lassen und mit Zitrone und einigen Kaffeebohnen dekorieren.

Der Mojito aus den Bergen

Gleich neben Alcoy in Alicante liegt die Sierra de Mariola, die einen gleichnamigen Kräuterlikör hervorgebracht hat. 4cl Licor de Sierra de Mariola kommen mit 2cl Zitronensaft (noch besser Filets einer halben Zitrone auspressen) in ein Long Drink Glas, ein Zweiglein frische Minze und viel Eis hinzu gut durchkneten und mit Mineralwasser - oder für die Süßen mit Tonic oder Zitronenlimonade - aufgießen, und fertig ist der Berg-Mojito.

Hemingway-Pacharán aus Navarra

Der Pacharán ist ein Likör auf Basis tiefblauer Früchte des Schlehdorns und wird seit dem Mittelalter vor allem im Norden des Landes von Navarra bis Asturien gebraut. Hippe Barkeeper haben diesen klassischen Digestiv gekapert und daraus zum Beispiel den Cosmopolitan navarro oder Hemingway navarro kreiert: 3cl Pacharán, 3cl Limettensaft, 3cl Orangenlikör (am besten Gran Marnier), 3cl Wodka, mit Eis im Cocktailmixer gut aufschütteln und mit einer Zitronenzeste servieren. Das Gemisch kann man auch gut mit Mineralwasser zum Long Drink strecken. Dass Hemingway, dieser Purist, das getrunken hätte, darf man bezweifeln.

Likör 43 - klebriger, nationaler Klassiker - oder doch lieber einfach ein kühles Bier?

Ein nationaler Klassiker ist der Licor 43 aus Cartagena, angeblich aus 43 Kräutern und Früchten gebraut. Er hat eine Unternote wie der Amaretto von Bittermandel und einen leichten Stich Anis, ist enorm klebrig, macht süchtig und gehört üblicherweise zur Bauarbeiter-Brotzeit oder in den Kaffee. Probieren Sie mit dem Licor 43 mal ein paar Drinks aus: mit Limettensaft und Ginger Ale oder gar dem Apfelwein, Sidra, aus Asturien aufgegossen oder eine Caipirinha mit halb Cachaca und halb Licor 43, eine Caipigena oder Cartarinha sozusagen. Es darf aber, und damit wäre man ganz Spanier, auch einfach eine gute, kühle Caña sein - oder zwei oder drei. Denn Bier, das können die Spanier auch. Zum Wohl!

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