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Spaniens erste Bodega: Wein wurde in Málaga schon in der Steinzeit getrunken - Neue Funde

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Von: Marco Schicker

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Hügel der Dolmen von Antequera.
In den Hügeln der Dolmen von Antequera fanden Forscher hunderte Keramikscherben mit Weinresten, 5.800 Jahre alt. © Marco Schicker

Die Dolmen von Antequera, Unesco-Welkulturerbe, waren wohl nicht nur Kultstätte, sondern auch Weinkeller. Forscher fanden bei Málaga hunderte Keramiken mit Resten von 6.000 Jahre altem Wein, - die ultimative Gran Reserva.

Antequera / Málaga - Über vier Jahre gruben Leonardo García, Professor der Universität Sevilla und sein Team, im und am Dolmen de Menga, dem größten der etwa 5.300 bis 6.000 Jahre alten Megalith-Bauten mit ihren gigantischen Felsplatten. „Wir fanden in der Erde, die den Dolmen bedeckt, etliche Keramikfragmente. Darin konnten wir Wasser, Äthanol und Traubenmoleküle nachweisen, also Wein“, resümiert der Forscher. Die Dolmen von Antequera, ein Ensemble von junsteinzeitlichen Megalith-Bauten im Hinterland von Málaga und Weltkulturerbe der Unesco, waren womöglich gar keine reinen Kultstätten früher Siedler, spirituelle Plätze von Natur- und Götterkulten, sondern auch praktische und gesellige Weinkeller, wenn nicht sogar die ersten Tapas-Bars der Iberischen Halbinsel.

Wann der Wein nach Spanien kam: Tausende Jahre vor den Phöniziern

Mit Laserverdampfung, Spektralanalysen, Chromatographie, Kohlenstoffdatierung und anderen HighTech-Methoden machten sich Kollegen aus mehreren Ländern ans Werk, um die Hypothesen der Sevillaner Forscher zu überprüfen. „Es gibt keinen Zweifel, bereits lange vor den Phöniziern wurde in Andalusien Wein kultiviert und konsumiert. Bei den Funden handelt es sich nicht um einen Zufall“, etwa spontane Gärungen in vergessenen Lagern, denn die gleichen Konstellationen wiederholen sich an hunderten Funden, die auf rund 3.800 vor unserer Zeitrechnung datiert werden können und damit rund 2.500 Jahre bevor die Phönizier nachweislich auf der Iberischen Halbinsel lebten, Wein lagerten und verschifften.

Archäologen in den Dolmen von Antequera.
Archäologische „Weinlese“. Professor García und sein Team von der Uni Sevilla graben in den Dolmen von Antequera. © Universidad de Sevilla

„Auffallend ist, dass die Keramikbehälter für den Wein noch vor den Dolmen entstanden sind“, was bedeutet, dass die Megalith-Bauten auf einem Ort älterer zivilisatorischer Aktivität errichtet wurden, „und dort wurde Wein getrunken, in geselligem Umfeld“, so der Forscher García. Die Dolmen erlebten so ein Entwicklung, dienten also nicht nur einem Zweck. Eine aktuelle Studie im Fachmagazin Science datiert die Domestizierung des Weins durch den Menschen anhand ihrer Genetik neuerdings auf 11.000 Jahre zurück, was die Reben zu einer der ältesten Kulturpflanzen überhaupt macht. „Jetzt wissen wir, kultivierte Weinreben kam mit den Wanderungen der Jungsteinzeit in den Westen Europas“ und nicht erst mit den Phöniziern oder Griechen, die den Wein von der Halbinsel vor allem exportierten und wohl schon auf eine Weinbaukultur stießen, die offenbar noch älter ist als jene der Iberer, die um Dénia herum nachgewiesen wurde.

Spaniens Stonehenge: Überraschung in Spaniens ältestem Weinkeller

Soweit ermittelbar, kelterten die Steinzeitspanier ihren Rebensaft vor allem für den Eigenbedarf, ob er als Rauschmittel oder heidnischer „Messwein“ bei Kulten eine Rolle spielte, ist schwer rekonstruierbar, die Nähe zur Kultstätte lässt dies aber im Bereich des Möglichen. Aber womöglich nutzten die Ur-Malagueños die konstanteren Temperaturen im Inneren der Dolmen des „spanischen Stonehange“ für eine längere Haltbarkeit und - Moment - vielleicht war Stonehange selbst gar kein drusischer Zauberplatz, sondern schlicht ein Pub? Für Garcías Team geht die Arbeit in den Dolmen und die „faszinierende Metamorphose“ dieses Platzes weiter, der noch so einige Überraschungen bergen könnte. Unklar ist z.B. noch immer die Funktion und das Alter des Brunnens mitten im Dolmen von Menga, unmittelbar neben der idyllischen Kleinstadt Antequera, 50 Kilometer nördlich von Málaga.

Dolmen de Menga, Antequera
Kultstätte oder 6.000 Jahre alte Weinstube? Der Dolmen de Menga im Unesco-Welkulturerbe von Antequera. © Marco Schicker

Der Wein ist somit Spaniens konstantester historischer Begleiter und blieb es bis heute. Neben Phöniziern und Griechen, die mit Dionysos und Bacchus sogar zwei Götter für den Wein hatten, war Wein bei den Festen der Römer und später Goten präsent, ein Alltagsgetränk. Doch auch das muslimische Spanien setzte die Anbautradition des Weines fort, für den Export als Wein, Rosine oder Tafeltraube, und unter dem Deckmantel der „Medizin“ für den Eigenbedarf, man durfte sich nur nicht erwischen lassen. Die Oberschicht nahm es mit den Glaubensregeln ohnehin nie besonders genau und die Christen konnten unter islamischer Herrschaft ihre Traditionen (zumindest zeitweise und regional unterschiedlich) weiterleben. Sie durften nur nicht zechend durch die Gassen torkeln.

Spanien: Ein Wein für alle Fälle - Und zum besten Preis

Sherry, Weine aus Jerez.
Sherry, Spaniens goldige Tropfen, gehören zu einem festlichen Menü einfach dazu. © La Sacristia del Caminante

Heute ist Spanien Weinexporteur Nummer 1 der Welt. Auch wenn es Kritik an „Masse statt Klasse“ gibt und die Erlöse weit unter jenen der Italiener und Franzosen liegen, hat kein Land der Welt eine derart vielseitige Weinkultur - und im Inland ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis - vorzuweisen. Jede spanische Region, vom Atlantik im Norden bis in den heißesten Süden und sogar die fast tropischen Kanaren (und auch auf Mallorca gibt es nicht nur Sangría), haben ihre eigenen Weinspezialitäten: von den trockenen Weißweinen wie Albariño oder Verdejo aus den Rías Baixas Galiciens, über die kräftigen und eleganten Roten der Ribeira del Duero oder der Rioja, geraden Landweinen aus der Mancha, den champagnerartigen Cavas Katalonien, den süßen Moscatel-Weinen der Levante, dem traditionellen „Bretterknaller“ aus der Dorfschenke, raffinierten Remakes alter Trauben aus Valencias Bergen oder den - weltweit einzigartigen - Sherrys der andalusischen Atlantikküste rund um Jerez und Cádiz und deren museale Bodegas, die ganz tief im Keller manchmal aussehen wie die Dolmen von Antequera.

Zum Thema: Tempranillo, Garnacha und Co: Spaniens Weine und Weingebiete im Überblick.

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