Wein an der Costa Blanca: Älteste Kellerei Spaniens stammt aus Iberer-Zeit

Spaniens älteste Weinkellerei stand an der Costa Blanca auf dem Berg Montgó bei Dénia. Eine kleine Kelterei ganz in der Nähe reift wie die Iberer Wein in Amphoren.
- Spaniens älteste Kelterei stand an der Costa Blanca auf dem Berg Montgó bei Dénia.
- Die Iberer reiften in der Festung vor 2.700 Jahren Wein in Amphoren.
- Eine kleine Kellerei in Jesús Pobre folgt bei der Weinproduktion den Spuren der Iberer.
Dénia- Nur eine leichte Abflachung auf dem Gipfel des Montgó-Ausläufers Punta de Benimaquia verrät es: Auf diesem Hügel unweit der spanischen Kreisstadt Dénia befinden sich die archäologischen Zeugnisse der ältesten Kelterei in Spanien. Der schmale Pfad zu dieser Ausgrabungsstätte windet sich den steilen Hang hinauf, der Duft unzähliger Rosmarin- und Thymiansträucher vermischt sich mit dem kühlen Morgendunst, der aus dem Tal aufsteigt. Die Wandergruppe hält immer wieder an, um den Ausblick zu genießen: weiße Landhäuser zwischen Orangenplantagen bis zum fernen Horizont, wo sich die Silhouetten von vier Gebirgszügen überlappen.
Stadt | Dénia |
Region | Land Valencia |
Provinz | Alicante |
Ausdehnung | 66,18 Quadratkilometer |
Gemeldete Einwohner | 42.166 |
Wein in Amphoren: Älteste Kellerei Spaniens stand bei Dénia an der Costa Blanca
Nach rund 40 Minuten kündigt Führer Jaume Sau vom Achäologie-Museum Dénia an: „Nun geht es noch wenige Meter querfeldein, dann sind wir da.“ Durch niedrige Büsche und über Felsen kämpfen sich die Exkursionsteilnehmer zum Gipfel des Montgó-Ausläufers und da liegt sie: Die Iberersiedlung Alto de Benimaquia.
Oder jedenfalls das, was davon übrig ist. Auf einer flachen Stelle steht neben Steinen und Gestrüpp nur ein Steinwall. Das Schönste an diesem historischen Ort ist sicher erstmal der Blick auf das Meer und die Stadt Dénia mit ihrer Burg. „Etwas Phantasie braucht man natürlich schon“, räumt Jaume Sau ein und verteilt ein 36-seitiges Infoheft mit vielen Zeichnungen und Fotos. „Aber Sie werden schon sehen, wie Ihnen bald alles klar wird.“
Die Iberersiedlung sei eine Festung aus dem Jahr 625 vor Christus gewesen, mit dicken, bezinnten Mauern und mindestens sechs Türmen. Auf den rund 350 Quadratmetern standen in langen Reihen rechteckige Baracken, die verschiedenen Zwecken dienten. „Eine Überraschung brachte vor allem der Raum vier“, berichtet der Experte. „Dort fanden wir Becken, in denen Trauben getreten wurden.“
War die Siedlung also eher eine Produktionsstätte – eine Weinkelterei? „Alles deutet darauf hin“, sagt Jaume Sau. „Und dann wäre es die Älteste auf der Iberischen Halbinsel. Wir haben Kerne von Trauben entdeckt, die von lokalen Bauern angebaut worden waren. Wir haben große Amphoren gefunden, die belegen, dass der Wein an weit entfernte Orte transportiert werden sollte. Und die Festung besteht weitgehend aus Produktions- und Lagerräumen.“
Aber wo ist dann das Ibererdorf, das zu der Kelterei gehört? „Auch auf dem Montgó*, unweit von hier am Coll de Pous“, verrät der Museumsführer. „Wir wussten bereits, dass diese Siedlung existierte, doch wir dachten, dass sie älter und nur klein ist, bis ein Feuer vor ein paar Jahren einen neuen Teil freilegte.“ Die Forschung sei in vollem Gang und werde noch viele Überraschungen bringen.

Kellerei Les Freses bei Dénia an der Costa Blanca: Wein nach uralter Art
Wie kann man sich die Weinproduktion vor fast 2.700 Jahren auf dem Montgó vorstellen? Die Antwort findet man nur wenige Kilometer weiter in der Kelterei Les Freses in Jesús Pobre. Dort reift Winzerin Mara Baño am Fuße des Montgó den Wein Ámfora sieben Monate lang in bauchigen Tongefäßen, wie das bei den Iberern Brauch war.
„Unsere Amphoren kommen aus einer Töpferwerkstatt in der nordkatalonischen Weinregion Penedes“, berichtet sie. „Carles Llarch stellt sie her, einer von drei Spezialisten auf dem Gebiet in ganz Spanien.“
Die Tongefäße der Iberer auf dem Alt de Benimaquia waren denen der Phönizier nachempfunden, wurden aber vor Ort hergestellt. Die Amphoren in Les Freses wurden 2017 den Fundstücken auf dem Montgó nachempfunden und aus Tonerde aus Jesús Pobre getöpfert. „Und sie werden nach alter Tradition mit Bienenwachs versiegelt“, erklärt Mara Baño.
Beim Keltern und dem Ausbau des Weines lässt sich die Winzerin sowohl von Önologen an der Costa Blanca beraten, die auf dem neusten Stand der Forschung sind, als auch von alten Weinbauern, die aus jahrzehntelanger Erfahrung schöpfen. Der Maische werden keine Zusatzstoffe oder externen Reinzuchthefen zugesetzt. Auf der Haut der Trauben im Weingut Les Freses leben aber Hefestämme, die dafür sorgen, dass der Wein Ámfora jedes Jahr wieder neue komplexe Aromen entfaltet. Es werden nur 1.400 Flaschen jährlich produziert, die hauptsächlich an die gehobene Gastronomie im Land Valencia gehen.
Wein und Keltern an der Costa Blanca: Vergessene Traubensorte
Ámfora wird aus hundert Prozent Moscatel de Alejandria gekeltert, einer Traube, die im Land Valencia viel Tradition hat und sehr beliebt ist. Auf Les Freses werden aber auch alte, fast vergessene Rebsorten angebaut, wie die Forcallà-Traube.
„Sie ergibt einen hellen Wein mit niedrigerem Alkoholgrad“, berichtet Mara Baño. Früher sei der Weinpreis oft nach dem Alkoholgehalt festgelegt worden, deshalb habe man diese Traube schließlich kaum mehr angebaut.
„Doch ich finde, ein leichter Wein passt gut zu unserer mediterranen Gastronomie, die ja viel leichter ist, als zum Beispiel die in Nordspanien“, sagt sie. „Und die jungen Leute ziehen leichtere Weine vor, sie passen besser zu unserem modernen Leben.“ Deshalb keltert die Winzerin aus der Forcallà-Traube den frischen, cremigen Wein Xiulit (Pfeifchen), der guten Absatz findet.
Doch generell gehen die Geschäfte nicht so gut. „Der Weinbauer darf nicht auf schnellen Gewinn hoffen. Ich bin jetzt seit elf Jahren dabei und kam gerade aus den roten Zahlen“, berichtet Mara Baño. Doch die Corona-Krise hat die langsame aber stetige Aufwärtstendenz ruiniert, weil die meisten Weine an Restaurants gingen, die jetzt ganz geschlossen sind oder viel weniger Gäste haben. „Ich hatte sonst immer jedes Jahr rund einen halben Hektar neu angebaut, das muss dieses Jahr ausfallen“, klagt die Winzerin.
Guten Erfolg hätten dagegen ihre Aktivitäten im Rahmen des Weintourismus gehabt, vor allem die Kelterei-Besichtigungen mit Weinprobe. „Das Thema Gastronomie und Wein liegt ja sehr im Trend und wir sind die einzige Kellerei hier in der Gegend, die so etwas anbietet.“
Weinproduktion an der Costa Blanca: Stolz auf Heimat und Geschichte
Dass die Spanierin sich von dem Ibererdorf unweit ihres Weingutes zu dem Wein Ámfora inspirieren ließ, hat nicht nur marketingtechnische Gründe. Sie ist auch stolz auf die lange Geschichte des Weinbaus in ihrer Heimat.
„Ich musste in der Schule die großen Flüsse der Welt auswendig lernen, aber von unserem Ibererdorf habe ich erst erfahren, als ich schon lange erwachsen war“, meint Mara Baño nachdenklich. „Wir würdigen unser kulturelles Erbe viel zu wenig.“
Deutscher Archäologe entdeckt Ibererfestung, die älteste Kellerei barg
Die Ibererfestung auf dem Alt de Benimaquia hat ein deutscher Archäologe entdeckt: „Als ich mit 28 Jahren nach Spanien kam, war mein VW-Käfer mein Pferd und mein Hotel“, erinnerte sich Hermanfrid Schubart vor zwei Jahren bei einer Hommage zu seinen Ehren auf dem Weingut Les Freses in Jesús Pobre. „Ich durchquerte das Land von Nord nach Süd und dabei sah ich zum ersten Mal den Montgó.“

Der heute 89-Jährige ahnte nicht, dass dieser Berg eng mit seinem Namen verbunden sein würde. „Eigentlich war ich ja wegen einer vielversprechenden Stätte bei Navares nach Valencia gekommen“, erzählt der Fachmann für Bronze- und Eisenzeit. „Doch meine Kollegen hier waren viel mehr am Montgó interessiert und überzeugten mich, dort zu forschen.“
Also stieg der junge Archäologe 1961 mit vier Arbeitern aus Dénia auf den Vorberg des Montgó, Alt de Benimaquía, und grub dort die Befestigungsanlagen einer Stätte aus, die – wie er bald feststellte – aus dem 6. und 7. Jahrhundert vor Christus stammte. Und damit aus der Zeit der Iberer und nicht aus der Römerzeit, wie man bis dahin vermutet hatte. Eine bahnbrechende Entdeckung.
Die Kellerei – die bisher älteste auf der iberischen Halbinsel – hat man erst 1989 in den Innenräumen der Festung entdeckt. Der spanische Archäologen Pascual Costa, der heute unter anderem die Ausgrabungen in der Ocaive-Burg in Pedreguer leitet, grub damals noch als Student mit. „Wir untersuchten einen Teil der Innenräume und entdeckten, dass sie nicht nur als Wohnfläche, sondern auch zur Weinproduktion genutzt wurden“, sagt er. „In der Ibererzeit lebte auf dem Montgó ein Cacique mit seinen Leuten, und Wein war der Oberschicht vorbehalten.“
„Mir schmeckt Wein sehr, aber diese Kellerei habe ich nicht entdeckt“, sagt Schubart, der von 1980 bis 1994 als Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts in Madrid bereits andere Verpflichtungen hatte. Dafür fand er aber als junger Archäologe in der Marina Alta Anderes. Er untersuchte Stätten der Iberer, die es am Montgó aus allen Epochen der Ibererzeit gibt, Römerstätten und seit der Vorgeschichte bewohnte Höhlen.
Ganz kam Schubart nie von der Gegend um den Montgó los. Seine Familie besitzt seit 40 Jahren ein Haus in Moraira.
Der Archäologe hat inzwischen mit seiner Frau Inka sechs Kinder und 20 Enkel. Er wurde in Kassel geboren, studierte und arbeitete in Mecklenburg. Dann floh er in den Westen und wurde vom Deutschen archäologischen Institut für die Niederlassung in Madrid angeworben. 2019 ernannte ihn die Universität ihn Villena für seine Verdienste als Archäologe in Spanien zum Ehrendoktor.