Modernste Technik kam zum Einsatz. Auch aus Deutschland. Das Sicherheitssystem Linienförmige Zugbeeinflussung LZB wurde installiert. Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme war Madrid-Sevilla mit 470 Kilometern auch die längste Hochgeschwindigkeitsstrecke in Europa. Noch eine Neuerung brachte die Eröffnung mit sich: Seit 1855 fährt die spanische Eisenbahn auf Schienen mit einer Spurbreite von 1,676 Metern. Die AVE-Strecken nach Andalusien aber verfügte erstmals über die europäische Spurbreite: 1,435 Meter. So wie heute viele AVE-Strecken.
Damals hatte sich die Politik ehrgeizige Ziele gesetzt: Alle Provinzhauptstädte sollten ihren AVE-Bahnhof erhalten. „Der Hochgeschwindigkeitszug ist kein Verkehrsmittel für einige wenige, sondern für die Masse“, hatte der damalige Verkehrsminister José Barrionuevo gesagt. Seit 1992 haben 464 Millionen Reisende den AVE genutzt. 57,2 Milliarden Euro wurden in den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecken investiert.
Doch an dem Projekt gab und gibt es immer auch Kritik: Es sei ein auf die Hautpstadt zentriertes Prestige-Projekt für Bessverdiener, das auf Kosten der kleinen Verbindungen gehe, die immer häufiger stillgelegt worden seien. Renfe hält dagegen, dass man beide Konzepte nicht gegeneinander ausspielen solle, das eine ginge, ohne das andere zu lassen. Doch Fakt ist, dass unrentable Strecken stillgelegt wurden und werden und an vielen kleinen Stationen kein Zug mehr hält, während AVE-Stationen manchmal weit vor den Toren der eigentlichen Zielorte wie Ufos installiert wurden oder für viel Ärger sorgen, weil die Gleise mitunter alte Stadtviertel durchschneiden, was zum Beispiel in Murcia zu teils gewalttätigen Ausschreitungen führte.
Als der AVE sich anschickte ein Exportschlager zu werden, produzierte er auch seinen größten Skandal. Spaniens damaliger König Juan Carlos I. soll 100 Millionen US-Dollar "Kommission" für die Vermittlung des AVE nach Saudi-Arabien als Geschenk angenommen und nicht ordentlich versteuert haben.
Fakt ist auch, dass in Spanien alle AVE-Wege nicht nach Rom, sondern nach Madrid führen. Wer zum Beispiel von Alicante nach Málaga mit dem AVE fahren will, muss das mit Umstieg in Madrid tun - eine direkte Zugverbindung zwischen den Regionen Valencia und Andalusien gibt es bis heute nicht, von Barcelona nach Sevilla indes schon - und fährt dann fast 1.000 Kilometer für eine Strecke von eigentlich 420 Kilometern. Fakt ist auch, dass sich die Tickets im Normalpreis die meisten Spanier nicht - oder nur selten - leisten können. Wer clever ist, kann sich allerdings viele Sonderangebote bei Renfe sichern.
Doch nicht mehr alle Strecken sind vergleichsweise teuer, Konkurrenz belebt allmählich das Geschäft: Zwischen Madrid und Barcelona hat der Tempo-Zug längst dem Flugzeug den Rang abgelaufen. Seit dem Start von Billiganbietern wie Avlo und dem französischen Ouigo reist es sich im AVE sogar billiger als im Flieger mit Ryanair. Im Dezember wurde der Nordwesten mit dem AVE Madrid-Galicien erschlossen. Weitere 23,5 Milliarden Euro sollen bis 2025 verbaut werden. Davon fließen 11,5 Milliarden in bereits im Bau befindliche Strecken. Weitere zwölf Milliarden in geplante Verbindungen.
Noch in diesem Jahr soll der wichtige 7,3 Kilometer lange Tunnel zwischen den Madrider Bahnhöfen Atocha und Chamartín in Betrieb gehen. Mit der Fertigstellung der 150 Kilometer langen Strecke zwischen Palencia, Cáceres und Badajoz in der Extremadura wird die Anbindung des Westens in die Wege geleitet. Das "leere Spanien" in den Planungen vergessen zu haben, auch das ist ein traditioneller Vorwurf der AVE-Kritiker.
Derzeit in Bau befinden sich außerdem folgende Strecken: ein Teilstück von Palencia in Richtung Santander, die Verbindung von León nach Oviedo und das sogenannte „Y“, das die baskischen Städte San Sebastián, Bilbao und Vitoria verbindet. Ferner ein Teilstück der Verbindung zwischen Zaragoza, Pamplona und dem baskischen „Y“. Auch die Station Antequera Stadt wird noch 2022 an die Strecken Madrid-Málaga und Sevilla-Granada angeschlossen.
Gearbeitet wird ferner an einer AVE-Verbindung zwischen Tarragona und Castellón sowie an der Verbindung Valencia in Richtung Alicante. Auch an der Strecke Murcia-Almeria wird gebaut. Elche und Orihuela kamen 2021 ans Ave-Netz, Cartagena steht kurz davor. Allmählich soll so auch im Hochgeschwindigkeitsnetz die Utopie des Mittelmeerkorridors Wirklichkeit werden, von Figueres bis Huelva mit Anschlüssen nach Frankreich im Norden und Portugal im Süden bzw. Westen.
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