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30 Jahre AVE: Als Spaniens Eisenbahn Flügel bekam

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Von: Marco Schicker, Thomas Liebelt

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Ave in Elche
Der Ave, Spaniens Hochgeschwindigkeitsnetz, ist ein Erfolgsmodell. 1992 gestartet und bald 4.000 Kilometer lang. © Renfe/Ayto. Elche

1992 ging auf der Strecke Madrid–Sevilla der erste AVE-Hochgeschwindigkeitszug in Betrieb. Das Netz umfasst bald 4.000 Kilometer. Renfe hat noch viel vor, muss sich aber auch Kritik gefallen lassen.

Madrid – Die AVE-Hochgeschwindigkeitsstrecken der spanischen Eisenbahn sind eine Erfolgssgeschichte. Als vor 30 Jahren zur Eröffnung der Weltausstellung in Sevilla 1992 die erste dieser schnellen Zugverbindungen zwischen Madrid und Sevilla in Betrieb genommen wurde, war das Staunen groß. Heute staunt keiner mehr über Tempo 300.

Mit dem AVE (Alta Velocidad Española, ave heißt aber auch Vogel) kann man in Spanien ein Streckennetz von 3.728 Kilometern befahren. Nur China hat mehr. In diesem Jahr wird die 4.000-Kilometer-Marke geknackt. Ein Großer Bahnhof mit König und Königin wurde am 21. April 1992 in Madrid aufgeboten, um den ersten AVE-Zug auf die Strecke nach Sevilla zu schicken. Es war die größte bis dato getätigte Eisenbahn-Investition. 3,25 Milliarden Euro wurden verbaut.

30 Jahre AVE: Technolgie-Sprung für Spanien, Reisefreunde für Spanier

Modernste Technik kam zum Einsatz. Auch aus Deutschland. Das Sicherheitssystem Linienförmige Zugbeeinflussung LZB wurde installiert. Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme war Madrid-Sevilla mit 470 Kilometern auch die längste Hochgeschwindigkeitsstrecke in Europa. Noch eine Neuerung brachte die Eröffnung mit sich: Seit 1855 fährt die spanische Eisenbahn auf Schienen mit einer Spurbreite von 1,676 Metern. Die AVE-Strecken nach Andalusien aber verfügte erstmals über die europäische Spurbreite: 1,435 Meter. So wie heute viele AVE-Strecken.

Ave-Netz Spanien
Das AVE-Netz in Spanien (Stand: Dezember 2021). Grün: aktive Strecke, gelb: im Bau, rot: in Planung, blau: eingeschränkt aktiv. © HrAd/WikiCommons

Damals hatte sich die Politik ehrgeizige Ziele gesetzt: Alle Provinzhauptstädte sollten ihren AVE-Bahnhof erhalten. „Der Hochgeschwindigkeitszug ist kein Verkehrsmittel für einige wenige, sondern für die Masse“, hatte der damalige Verkehrsminister José Barrionuevo gesagt. Seit 1992 haben 464 Millionen Reisende den AVE genutzt. 57,2 Milliarden Euro wurden in den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecken investiert.

Kritik am AVE: Zu Madrid-lastig und zu teuer, auf Kosten von Nebenstrecken, der Königs-Skandal

Doch an dem Projekt gab und gibt es immer auch Kritik: Es sei ein auf die Hautpstadt zentriertes Prestige-Projekt für Bessverdiener, das auf Kosten der kleinen Verbindungen gehe, die immer häufiger stillgelegt worden seien. Renfe hält dagegen, dass man beide Konzepte nicht gegeneinander ausspielen solle, das eine ginge, ohne das andere zu lassen. Doch Fakt ist, dass unrentable Strecken stillgelegt wurden und werden und an vielen kleinen Stationen kein Zug mehr hält, während AVE-Stationen manchmal weit vor den Toren der eigentlichen Zielorte wie Ufos installiert wurden oder für viel Ärger sorgen, weil die Gleise mitunter alte Stadtviertel durchschneiden, was zum Beispiel in Murcia zu teils gewalttätigen Ausschreitungen führte.

Als der AVE sich anschickte ein Exportschlager zu werden, produzierte er auch seinen größten Skandal. Spaniens damaliger König Juan Carlos I. soll 100 Millionen US-Dollar "Kommission" für die Vermittlung des AVE nach Saudi-Arabien als Geschenk angenommen und nicht ordentlich versteuert haben.

Rajoy und Puig am Ave Castellon.
Der Ave als Bühnenbild für Politiker-Inszenierungen. Hier Premier Rajoy und Valencias Landeschef Puig bei der Einweihung der Strecke Valencia-Castellón 2018. © EFE

Fakt ist auch, dass in Spanien alle AVE-Wege nicht nach Rom, sondern nach Madrid führen. Wer zum Beispiel von Alicante nach Málaga mit dem AVE fahren will, muss das mit Umstieg in Madrid tun - eine direkte Zugverbindung zwischen den Regionen Valencia und Andalusien gibt es bis heute nicht, von Barcelona nach Sevilla indes schon - und fährt dann fast 1.000 Kilometer für eine Strecke von eigentlich 420 Kilometern. Fakt ist auch, dass sich die Tickets im Normalpreis die meisten Spanier nicht - oder nur selten - leisten können. Wer clever ist, kann sich allerdings viele Sonderangebote bei Renfe sichern.

Manchmal billiger als Ryanair: Spanische Bahn investiert bis 2025 23,5 Milliarden Euro

Spaniens Premier Sanchez steigt in einen Zug.
In Alicante stieg Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez am 1. Februar 2021 in den AVE, um die neue Strecke bis Elche und Orihuela einzuweihen. © EFE

Doch nicht mehr alle Strecken sind vergleichsweise teuer, Konkurrenz belebt allmählich das Geschäft: Zwischen Madrid und Barcelona hat der Tempo-Zug längst dem Flugzeug den Rang abgelaufen. Seit dem Start von Billiganbietern wie Avlo und dem französischen Ouigo reist es sich im AVE sogar billiger als im Flieger mit Ryanair. Im Dezember wurde der Nordwesten mit dem AVE Madrid-Galicien erschlossen. Weitere 23,5 Milliarden Euro sollen bis 2025 verbaut werden. Davon fließen 11,5 Milliarden in bereits im Bau befindliche Strecken. Weitere zwölf Milliarden in geplante Verbindungen.

Noch in diesem Jahr soll der wichtige 7,3 Kilometer lange Tunnel zwischen den Madrider Bahnhöfen Atocha und Chamartín in Betrieb gehen. Mit der Fertigstellung der 150 Kilometer langen Strecke zwischen Palencia, Cáceres und Badajoz in der Extremadura wird die Anbindung des Westens in die Wege geleitet. Das "leere Spanien" in den Planungen vergessen zu haben, auch das ist ein traditioneller Vorwurf der AVE-Kritiker.

Derzeit in Bau befinden sich außerdem folgende Strecken: ein Teilstück von Palencia in Richtung Santander, die Verbindung von León nach Oviedo und das sogenannte „Y“, das die baskischen Städte San Sebastián, Bilbao und Vitoria verbindet. Ferner ein Teilstück der Verbindung zwischen Zaragoza, Pamplona und dem baskischen „Y“. Auch die Station Antequera Stadt wird noch 2022 an die Strecken Madrid-Málaga und Sevilla-Granada angeschlossen.

Gearbeitet wird ferner an einer AVE-Verbindung zwischen Tarragona und Castellón sowie an der Verbindung Valencia in Richtung Alicante. Auch an der Strecke Murcia-Almeria wird gebaut. Elche und Orihuela kamen 2021 ans Ave-Netz, Cartagena steht kurz davor. Allmählich soll so auch im Hochgeschwindigkeitsnetz die Utopie des Mittelmeerkorridors Wirklichkeit werden, von Figueres bis Huelva mit Anschlüssen nach Frankreich im Norden und Portugal im Süden bzw. Westen.

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