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Spaniens Pyrenäen haben Ibiza-Syndrom: Skilehrer und Kellner müssen „draußen“ schlafen

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Von: Thomas Liebelt

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Skistation in den Pyrenäen
Skilehrer und Kellner in den Pyrenäen Spaniens schlafen wegen der hohen Mieten immer öfter in Kombis und Wohnmobilen. © Alex López/EFE

Saisonarbeiter in den Skigebieten der spanischen Pyrenäen können sich die Mieten nicht mehr leisten. Hunderte weichen auf Wohnmobile und sogar Kombis neben den Pisten aus. Doch selbst von dort werden sie vertrieben. 

Naut Aran – Alle Sommer wieder die gleichen Bilder von Europas Partyinsel Ibiza: Frauen und Männer, die im spanischen Tourismus arbeiten, nächtigen in ihren Fahrzeugen oder auf einer Matratze auf Balkonen, weil sie sich die horrenden Mieten nicht leisten können. Von WG-Zimmern für 1.000 Euro im Monat oder einer Balkonnische für 600 Euro berichteten Betroffene in spanischen Medien. Auch an der Costa del Sol bei Málaga sind immer mehr Kellner und Köche wegen niedriger Löhne bei steigenden Lebenshaltungskosten auf der Flucht. In den Skigebieten der Pyrenäen in Katalonien und Aragón setzt eine ähnliche Entwicklung ein. Skilehrer und Kellner, Zimmermädchen und Köche nutzen aus dem gleichen Grund ihre Kombis oder Wohnmobile wie die Kollegen auf Ibiza ihre Matratzen auf Balkonen. Man spricht bereits von einer „Ibiza-isierung“ der Pyrenäen. Mit einem Unterschied: Jetzt ist es Winter in Spanien – und saukalt.

Hunderte Saisonarbeiter in Spaniens Skigebieten finden keinen bezahlbaren Wohnraum

Ende Dezember mittags auf einem riesigen Parkplatz im bekannten Pyrenäen-Skigebiet Baqueira Beret, das zur Gemeinde Naut Aran (Provinz Lleida) gehört: Von der kaum zu überblickenden Anzahl an Wohnmobilen gehören schätzungsweise 150 Fahrzeuge den Saisonarbeitern. Der Parkplatz liegt auch in der Nähe der Skistation. In der Vergangenheit war es kein Problem, dort zu übernachten. Seit diesem Winter aber wird eine kommunale Verordnung angewendet, die das Übernachten in der freien Natur verbietet, einschließlich des Verbots der Übernachtung in Wohnmobilen. Worauf vor allem auf den Plätzen oben am Berg in der Nähe der Skilifte geachtet wird.

Skiurlaub in Spanien
Die Pyrenäen-Idyllen, wie hier das Bergdorf Sallent de Gállego, machen die prekäre Situation der Saisonarbeiter kaum sichtbar. © Ute Müller/dpa

Die Beschäftigten müssen nach Arbeitsende tiefer ins Tal fahren, wo sie noch toleriert werden. Am nächsten Tag geht’s wieder hoch. Das Rathaus rechtfertigt seine Entscheidung mit Umweltgründen und Sicherheitsaspekten. Oben am Berg könnten die Fahrzeuge schnell eingeschneit werden. Doch die Verordnung verlagert das Problem lediglich. Auch im Tal gibt es keine ausreichende Zahl an Stellplätzen mit Entsorgungseinrichtungen. Der Konflikt hat sich verschärft, seit immer mehr Beschäftigte im Wintertourismus Spaniens ihre Fahrzeuge als Wohnung nutzen.

Leben im Wohnmobil in den spansichen Pyrenäen: „Ein Apartment kostet 700 Euro – dafür verdienen wir nicht genug“

María schildert gegenüber der Tageszeitung „El País“ ihre Situation: Seit 20 Jahren arbeitet sie auf den Skipisten in der Pyrenäen. Immer hat sie sich in Baqueira für die Dauer der Saison ein Apartment gemietet. „Das kam mich mit Nebenkosten auf rund 300 Euro im Monat. Das billigste Apartment kostet nun, wenn überhaupt eins zu bekommen ist, 700 Euro. Bei unseren Gehältern ist das schon Missbrauch“, sagt sie. Tagsüber arbeitet María als selbstständige Skilehrerin. Dafür erhält sie 1.500 Euro im Monat. Davon abzuziehen sind der Skipass in Höhe von 750 Euro und der monatliche Sozialversicherungsbeitrag für Selbstständige über 294 Euro. Wenn die Arbeit auf der Piste zu Ende ist, macht María als Kellnerin in einem Restaurant weiter. Wegen der ständig steigenden Mietpreise entschied sie sich vor fünf Jahren, im Wohnmobil zu nächtigen. „Am Anfang waren wir eine Handvoll, jetzt ist es ein Boom.“

Aussichtspunkt auf Ibiza.
Für die Schönheiten Ibizas haben Saisonarbeiter kaum Zeit noch Geld. Doch im Unterschied zu den Kollegen in den Pyrenäen müssen sie wenigstens nicht frieren. © Andreas Drouve/dpa

Spaß macht es keinem. „Wer lebt schon gerne auf zwei Quadratmetern bei fünf Grad Außentemperatur“, sagt Skilehrer Álvaro. Er entschied sich vor zwei Jahren für ein Leben im Wohnmobil in der Wintersaison in den spanischen Pyrenäen. „Ich hatte keine Lust mehr, mich vier Monate vorher um eine Unterkunft zu bemühen.“ Es sei immer schwieriger geworden, überhaupt eine zu finden. Die meisten Eigentümer vermieten ihre Wohnung lieber tageweise und teuer an Touristen. Zwar hat man auch Verständnis für die Gemeinde, die plötzlich mit 500 Wohnmobilen konfrontiert wird. Aber die Beschäftigten im Tourismus wehren sich, kriminalisiert zu werden. „Es gibt immer mehr Leute, die Wohnmobile nutzen. Das muss reguliert werden, aber es kann nicht sein, dass man uns deswegen verfolgt“, sagt María. Die restriktive Handhabung der Situation könne jedenfalls nicht die Lösung sein.

Zum Thema: Sierra Nevada - Skifahren dank Kanonen.

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