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Senioren als Opfer: Wie Deutsche in Spanien leichte Beute für Betrüger werden

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Von: Anne Götzinger

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Eine Hand liegt auf der Schulter einer älteren Frau.
Deutsche Senioren wurden in Spanien schon öfter Opfer von Betrügern. © Ángel García

Viele Deutsche verbringen ihren Lebensabend unter Spaniens Sonne. Doch ohne ausreichende Vorsorge werden die Rentner leichte Beute für Betrüger. 

Alicante - Unter der spanischen Sonne auf der eigenen Finca alt werden, diesen Traum haben sich viele Deutsche verwirklicht. Alles ist herrlich, bis sich dieses Leben – manchmal schlagartig vom einen auf den anderen Tag – ändert. Ein Schlaganfall, der Tod des Partners oder eine schnell fortgeschrittene Demenz können aus dem Traumleben in Spanien schnell einen Albtraum machen.

„Es ist immer das gleiche Schema“, sagt Agata Zielniewicz, „meistens verstirbt einer der beiden in Spanien, die verwitwete Person hängt sehr an ihrem Haus, spricht kaum Spanisch und ist daher eine leichte Beute.“ Die deutsche Rechtsanwältin und Expertin für öffentliches Finanzrecht weiß, wovon sie spricht. Erst im vergangenen November hat sie eine Deutsche aus einem Altenheim in Teulada an der Costa Blanca „gerettet“.

Deutsche in Spanien: Rentnerin kam nach Tod des Mannes ins Altenheim

Maria Wagner (Name von der Redaktion geändert) war seit ihrem 17. Lebensjahr mit ihrem Mann zusammen. „Mit Anfang 20 begannen sich überall in Marias Körper Tumore zu bilden“, erzählt Zielniewicz. „Durch die Operationen hatte sie einen Hörsturz, ist einseitig taub und hat Gleichgewichtsstörungen.“ Vor etwa 30 Jahren zog das deutsche Ehepaar nach Spanien, er pflegte sie. Am 22. Juni 2022 sei Maria Wagner aufgewacht und habe ihren Mann tot vor dem Fernseher auf dem Sofa liegend gefunden. „Er war noch nicht einmal 70“, berichtet die Rechtsanwältin.

„Dann kam die Polizei, eine Sozialarbeiterin, und plötzlich tauchte auch die Steuerberaterin des Mannes auf, sie kannte ja die Familie und sagte, sie kümmere sich um alles“, so Zielniewicz. Die Seniorin wurde schnell ins nächste Seniorenheim in Teulada gebracht, wo jemand vom Personal Deutsch konnte. „Sofort wurden irgendwelche Vollmachten vorgelegt, sie sollte unterzeichnen, dass sie im Heim in Spanien bleiben möchte, und wurde in einen Rollstuhl gesetzt, den sie wohlgemerkt vorher nicht brauchte, ihr Mann hatte sie beim Laufen gestützt“, berichtet Zielniewicz.

Deutsche Rentnerin verliert fast Auto und Haus in Spanien

Sie selbst sei von einem Bekannten des Ehepaars informiert worden, dem die ganze Sache seltsam vorkam, nachdem auch das Auto vor dem Haus verschwunden war. Wie die Rechtsanwältin nach einem Besuch bei Maria Wagner im Seniorenheim und durch Nachforschungen herausfand, hatte die Steuerberaterin das Auto, das in Spanien auf den Namen des verstorbenen Mannes eingetragen war, bereits für 12.000 Euro unter der Hand verkauft, das Geld habe sie „erst einmal“ auf ihr eigenes Konto überweisen lassen. Auch der Hausverkauf lief bereits, dafür hatte man die deutsche Seniorin einen Anzahlungsvertrag unterschreiben lassen. Auch dieses Geld – 22.000 Euro – landete auf dem Konto der Steuerberaterin.

Haus und Auto konnte Agata Zielniewic zurückholen – die Käufer bekamen kalte Füße, als sie nach dem nicht vorhandenen Erbschein gefragt wurden. Auch ließ die Rechtsanwältin bestehende Vollmachten widerrufen. Heute lebe Maria Wagner zufrieden in einer Senioren-WG in Calpe, genieße gesellige Kaffeerunden mit anderen Deutschen und besuche zweimal pro Woche die Physiotherapie – diesmal sei alles gut gegangen.

Altersvorsorge von deutschen Rentnern in Spanien

„Und ich glaube, es gibt Hunderte solcher Fälle in Spanien“, vermutet die deutsche Rechtsanwältin. Sie hat bereits Vorträge zu diesem Thema bei deutschsprachigen Vereinen, etwa dem Euroclub Denia, gehalten. „Das Problem ist, wir kommen nicht richtig an sie ran“, sagt Agata Zielniewicz. „Die meisten älteren Menschen haben Angst, in einem Heim zu landen, aber ihr Verhalten führt genau dazu, dass sie dort landen, weil sie sich einfach nicht vorbereiten“, warnt die Anwältin, die selbst in Andalusien wohnt.

Deutschsprachige Senioreneinrichtungen gibt es kaum an der Costa Blanca und Costa del Sol, die wenigen Angebote seien zudem sehr teuer, in ein spanisches Heim wollen die meisten nicht, weil sie Heime ablehnen, kein Spanisch sprechen, und deutsches Fernsehen geschweige denn deutsches Essen gibt es dort ohnehin nicht. Stattdessen würden sich viele dann schwarz Pflegekräfte nach Hause holen. Aber gute Pflegekräfte zu bekommen, sei schwer. „Dabei riskieren sie, dass sie ausgenommen werden“, warnt die Anwältin, „oder selbst, wenn nicht, werden die meisten Senioren dann nicht angemessen betreut“. Erst vor einigen Wochen sei ein deutscher Senior aufgrund von Mangelernährung und Dehydration in Els Poblets verstorben, so die Anwältin. In Altea erstatteten die Kinder einer deutschen Seniorin Anzeige, nachdem ihre Mutter in einem Altenheim gestürzt und gestorben war.

Deutsche sorgen in Spanien oft nicht ausreichend vor

Zu ihren Vorträgen kämen Deutsche, „die noch fit sind“. „Viele meinen, sie brauchen das alles noch nicht, und denken, darum kümmern sie sich, wenn sie 80 sind“, meint Zielniewicz. „Und wenn sie 80 sind, verschieben sie es, bis sie 85 sind. Und mit 86 sind sie mitunter geschäftsunfähig und es geht gar nichts mehr: keine Vorsorgevollmacht, keine Patientenverfügung in Spanien, kein Testament ist mehr möglich. Deshalb möchte ich die erreichen, die noch Entscheidungen treffen können.“

Rechtsanwältin Agata Zielniewicz blättert in einem Buch.
Rechtsanwältin Agata Zielniewicz will deutsche Senioren in Spanien unterstützen. © Agata Zielniewicz

Die Rechtsanwältin ist gerade dabei, das Netzwerk „Sunnyseniors“ an der Costa Blanca und Costa del Sol aufzubauen, das deutschen Senioren eine umfassende Beratung und erfolgreiche Unterstützung mit den entsprechenden Spezialisten ermöglicht. „Zu unserem Netzwerk gehören zum einen deutsche und spanische Rechtsanwälte, die jeweils in den entsprechenden Spezialgebieten des Seniorenrechts tätig sind“, erklärt Agata Zielniewicz. „Ferner arbeiten wir eng mit ausgesuchten Steuerberatern zusammen, um länderübergreifend bestmögliche Lösungen zu erzielen.“ Vor allem aber zählen deutsche sowie deutschsprachige Pfleger und Pflegedienstleister, Kliniken und Ärzte mit Niederlassung in Spanien zu dem Netzwerk. „Sie bilden eine wesentliche Grundlage dafür, dass in vielen Fällen ein Verbleiben in Spanien auch bis ins hohe Alter überhaupt erst möglich wird.“

Netzwerk will deutschen Rentnern in Spanien Unterstützung bieten

Eine Idee des Netzwerks ist es, Wohngemeinschaften für deutsche Senioren einzurichten. Diese könnten dann zu zweit, zu dritt oder zu viert bewohnt werden und ein Pfleger sowie eine Haushaltshilfe könnten für ein paar Stunden kommen. Aufräumen, Hilfe beim Zubereiten der Mahlzeiten, eventuell beim Duschen, Überwachung der Medikamenteneinnahme. „Die meisten brauchen nicht viel“, meint Agata Zielniewicz. „Viele möchten einfach ihre Ruhe haben bei gleichzeitig sicherer Versorgung und auch jemanden zum Reden.

Wovor die meisten in diesem Alter Angst haben, ist zu stürzen und liegenzubleiben. Ins Heim möchte aber niemand deswegen ohne triftigen Grund, weder in Spanien noch in Deutschland. Vor allem aber möchten die Senioren das Recht besitzen, ihre eigene Entscheidung zu treffen, wie und mit wem sie leben und wie sie ihren Alltag gestalten wollen. Dies ist ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und wir helfen ihnen nur bei der Umsetzung.“ Auch ehrenamtliche Initiativen versuchen etwa in Mijas, älteren Ausländern unter die Arme zu greifen.

Deutsche Seniorin geht zwielichtigen Deal in Spanien ein

Von einem noch akuteren Fall berichtet die Anwältin aus Benissa, ebenfalls an der Costa Blanca. Hildegard Schmidt (Name von der Redaktion geändert) stamme aus einer sehr wohlhabenden Familie und sei dement. Ein ehemaliger Gastarbeiter, der einige Jahre in Deutschland gewohnt hat, habe sie „auf einem Antiquitätenmarkt herausgefischt, wo sie ihre Besitztümer verkaufte“, berichtet Agata Zielniewicz. Der Mann habe sie dann umsorgt, „sie vertraute ihm blind“.

Schließlich habe der Mann die deutsche Seniorin zu folgendem Deal überredet: Er kaufte Hildegard Schmidt für 25.000 Euro und eine monatliche Rente von 1.000 Euro eine Finca mit einem 3.000 Quadratmeter großen Grundstück in Fanadix ab, das die Anwältin und ihr Team auf mindestens 400.000 Euro schätzen. Geld, das Hildegard für ihre nunmehr sehr aufwendige Betreuung und Pflege in Spanien gut gebrauchen könnte, da ihre Rente sehr mager ausfällt.

Haus für 25.000 Euro und monatliche Rate von 1.000 Euro bis Lebensende

„Aus den Unterlagen, die mir vorliegen, gehe ich davon aus, dass man damals dachte, dass Hildegard Schmidt noch zwei, drei Monate zu leben habe, weil sie auch ein hohes Schlaganfallrisiko besitzt“, berichtet Zielniewicz. „Der Mann ging vermutlich davon aus, dass er mit 25.000 Euro plus drei Monatsraten eine Immobilie in Spanien erwirbt, deren Wert um ein Vielfaches höher liegt.“ Als Käufer sei hingegen nicht er eingetragen, sondern sein Sohn in der Schweiz, ein Bänker. Dadurch sollte der ganze Deal „verschleiert“ werden. Die Rechtsanwältin wird gegen beide zivil- sowie strafrechtlich vorgehen, um die Immobilie auf die deutsche Seniorin rückübertragen zu lassen. „Deshalb ist es so wichtig, dass die älteren Menschen wissen, dass sie bei Sunnyseniors eine Anlaufstelle haben“, sagt die Deutsche und bittet, sich zu melden, wenn jemandem ähnliche Fälle zu Ohren gekommen sind.

Ziel des Netzwerks in Spanien sei es auch, an der Costa Blanca und Costa del Sol Wohnraum für Deutsche mit gesicherter Pflege zu schaffen. „Wir wissen, dass hier sehr viel Kapital herumliegt“, bemerkt die Rechtsanwältin. Voraussetzung sei, „ein Finanzierungsmodell zu finden, das tragbar ist, das unabhängig von Investoren und nachhaltig ist“, betont sie. Naheliegend sei eine Genossenschaft, ein Modell, das Agata Zielniewicz auch dem Euroclub Denia vorgestellt hat.

Wohnraum und Pflege für deutsche Senioren in Spanien

„Das würde so funktionieren, dass deutsche Privatpersonen Kapital aus dem Verkauf ihrer Fincas in Spanien als Genossenschaftsanteile einbringen, die aber, wenn jemand verstirbt oder aus der Genossenschaft austritt, wieder mitgenommen werden können, weil neue Genossen eintreten“, erklärt die Expertin für öffentliches Finanzrecht. Es gebe eine Immobilie mitten im Zentrum von Dénia, die für ein Seniorenwohnprojekt infrage komme.

„Es gab auch ansatzweise Interesse beim Euroclub Denia, aber es ist ein sehr großes Projekt, wenn man versucht, das lediglich über Genossenschaftsanteile zu finanzieren“, gibt die deutsche Anwältin zu bedenken. „Man bräuchte fünf, sechs oder auch mehr Häuser, deren Eigentümer bereit sind, zu verkaufen, das Geld als Genossenschaftsanteil zu binden, und andere, die Miete zahlen und durch die Mieteinnahmen diejenigen auszahlen, die die Finanzierung übernommen haben und die kostenfrei wohnen.“ Das Problem sei aber, dass viele „gebrandmarkt“ sind. „Es gab ja zahlreiche Projekte in Spanien, etwa in Calpe oder Dénia, die sich dann als Betrug herausgestellt haben“. Hier müsse noch viel Aufklärungsarbeit geleistet und das Vertrauen bei den älteren Menschen wiederhergestellt werden.

Deutsche in Spanien: Über Stiftung finanziertes Wohnmodell denkbar

Vermögen könne aber auch über Stiftungen vom Zugriff Dritter geschützt und gezielt nach den Wünschen des Stifters eingesetzt werden. „Stell dir vor, du hast zwei oder drei Senioren in Spanien, wie Maria oder Hildegard, kinderlose Paare. Wenn die ihr Eigentum nicht testamentarisch regeln und sich keine Verwandten finden, dann verfällt es“, erklärt die deutsche Rechtsanwältin. „Aber sie können das Geld in eine eigene Stiftung legen, die beispielsweise eine Immobilie erwirbt und dadurch Einkünfte erzielt. Der Stiftungszweck ist zum Beispiel: Marias Pflege und diejenige von Menschen, die eine Rente unter 600 Euro haben, muss immer gesichert bleiben. Das hat auch einen gemeinnützigen Zweck.“

Es sei wichtig, nachhaltige und rechtlich sichere Finanzierungsmodelle in Spanien zu entwickeln, um die Versorgung im Alter für jede Einkommensgruppe zu gewährleisten. „Wir wollen die älteren Menschen dabei unterstützen, die Planung selbst in die Hand zu nehmen“, sagt Zielniewicz. „Es gibt so viele Möglichkeiten, Banken und Investoren, die sich mit der ,Silver Economy‘, also dem Wirtschaftszweig, der sich mit den Bedürfnissen der Generation 50plus beschäftigt, rauszuhalten. Denn die treiben die Preise für die Versorgung im Alter zunehmend in die Höhe, was viele ältere Menschen mit geringerem Einkommen vor aussichtslose Situationen stellt.“ Und es müssten Strukturen geschaffen werden, um Gauner von den älteren Menschen fernzuhalten. „Denn die Senioren wissen dann, sie können das Geld so anlegen, dass ihre eigene und mitunter auch die Pflege anderer Senioren gesichert ist, sie brauchen sich nicht auf irgendeinen Nachbarn oder auf eine Steuerberaterin oder sonst wen zu verlassen“, betont die Deutsche.

Weitere Informationen:

Auf der Webseite von SunnySeniors oder per E-Mail an info@sunnyseniors.de

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