Wahlheimat Spanien? Mit welchen rechtlichen Vor- und Nachteilen Residenten rechnen müssen

Wer sich für Spanien als Wahlheimat entscheidet, sollte wissen, welche rechtlichen Folgen auf ihn als Resident zukommen. Der Experte und Rechtsanwalt Dr. Rainer Fuchs gibt Antworten und erklärt die Vor- und Nachteile eines Lebensmittelpunktes in Spanien sowie in Deutschland.
Für immer als Resident in Spanien zu leben – wer möchte das nicht? Aber vor der Entscheidung, Deutschland endgültig oder auch nur vorübergehend den Rücken zu kehren und auszuwandern, sollte doch einiges bedacht werden. Die Diskussion um das Modelo 720 der spanischen Steuerbehörden, das alle Ausländer mit Vermögen und Lebensmittelpunkt in Spanien betrifft – Costanachrichten hat darüber berichtet: Steuer-Residenten in Spanien: Wie geht es weiter mit dem Modell 720? –, gibt Anlass, noch einmal das Für und Wider des Auswanderns durchzugehen.
Rechtlich macht es einen großen Unterschied, ob Sie mit Ihrer Entscheidung für Spanien Ihre Zelte in Deutschland ganz abbrechen wollen, oder ob Sie auch in Deutschland einen Wohnsitz beibehalten. Denn es hat ganz unterschiedliche Rechtsfolgen, wo Sie Ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt haben. Der Lebensmittelpunkt liegt – etwas vereinfacht gesagt – immer erst dann in Spanien, wenn Sie sich dort mehr als 183 Tage im Jahr aufhalten. Dann gelten für Sie besondere Regeln im Erbrecht, Steuerrecht, Krankenversicherungs- und Rentenrecht. (Zum Thema: Grundrente in Spanien)
Nach Spanien auswandern: Wer ist Resident?
Wer nach Spanien auswandert und etwa an den Küsten eine feste Bleibe hat, wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Resident bezeichnet. Das ist aber keine juristisch eindeutige Bezeichnung, denn sie sagt nichts über den am Ende rechtlich allein entscheidenden Lebensmittelpunkt aus. Der Resident hat in der Regel von seiner Verpflichtung Gebrauch gemacht, sich bei seiner zuständigen Gemeinde anzumelden (Empadronamiento) und sich spätestens nach drei Monaten ausländerpolizeilich registrieren zu lassen (Registro). Damit ist er seinen melderechtlichen Verpflichtungen vollauf nachgekommen. Im rechtlichen Sinne ist damit aber allenfalls ein erster Anschein geschaffen für den Lebensmittelpunkt – im juristischen Sinne festgelegt ist noch gar nichts!
Es soll nicht verschwiegen werden, dass der wohl größte Teil der deutschen Residenten schon den registrierten Status zu vermeiden sucht. Man lässt sich nach dem Auswandern nicht registrieren und versucht so, „unter dem Schirm“ der Behörden als Quasi-Tourist in Spanien zu leben. Meist geht es auch lange Zeit gut – empfehlen möchte ich das aber keinesfalls. Abgesehen davon, dass die Gemeinden ihre staatlichen Zuweisungen nach der Zahl der registrierten Bürger erhalten, kann es gerade im Steuer- und Erbrecht ein böses Erwachen geben, wenn die Behörden eines Tages dann doch feststellen, dass der deutsche „Tourist“ oder Resident, der angeblich nur gelegentlich in Spanien weilt, in Wahrheit schon lange seinen Lebensmittelpunkt dort hat. Bedenken Sie: die Steuerbehörden in Deutschland und Spanien gleichen inzwischen bekanntlich ihre Daten ab.
Prüfen Sie also genau, ob Sie die 183 Tage im Jahr in Spanien überschreiten – dann haben Sie im Zweifel Ihren Lebensmittelpunkt in Spanien! Wollen Sie die Konsequenzen nicht, die damit verbunden sind, dokumentieren Sie Ihre Flüge nach Deutschland, um gegebenenfalls nachweisen zu können, dass Sie überwiegend in Deutschland leben! Die Finanzämter in Spanien sind inzwischen recht findig geworden und prüfen zum Beispiel gerne auch Ihre Stromrechnung, um die Dauer Ihres Aufenthalts zu ermitteln.

Auswandern nach Spanien - für immer?
Eine große Frage, die sich stellt, ist die, ob die Entscheidung für das Auswandern und Ihre neue Heimat für immer gelten soll, oder ob Sie - zum Beispiel in höherem Alter oder bei Pflegebedürftigkeit - wieder zurück nach Deutschland gehen wollen. Sie werden vielleicht sagen: das sehen wir später. Aber: Wenn Sie auf jeden Fall in Spanien bleiben wollen, sollten Sie als Resident folgendes bedenken:
- Haben Sie Sprachkenntnisse, um ggf. auch mit spanischem Klinik- und Pflegepersonal sprechen zu können?
- Denken Sie auch an den Fall, dass Ihr Partner nicht helfen kann oder verstorben ist? - Beispiel: Deutsche Seniorin plötzlich isoliert, als Partner erkrankt.
- Könnten Sie bei Pflegebedürftigkeit eine Pflegekraft oder eine deutschsprachige Einrichtung in Spanien bezahlen?
- Gibt es Nachbarschaftshilfe, in der Sie sich engagieren können?
- Kennen Sie die Standards der staatlichen Kranken- und Pflegeeinrichtungen, und können Sie sich vorstellen, damit im Notfall zurecht zu kommen?
Wenn Sie denken, im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit nach Deutschland zurückzukehren, ist mein Rat: Pflegen Sie Ihre Kontakte in die deutsche Heimat, insbesondere zu Kindern und anderen Verwandten! Und: Denken Sie daran, den Zeitpunkt für eine Rückkehr rechtzeitig zu wählen und nicht erst, wenn die Not es gebietet!
Auswandern nach Spanien: Was sind die Vor- und Nachteile des jeweiligen Lebensmittelpunktes?
Alle wichtigen Rechtsfolgen sind an Ihren persönlichen Lebensmittelpunkt geknüpft, also die Frage der 183 Tage-Regel. Hier nun eine kleine Übersicht über die wichtigsten Vorteile und Nachteile des Lebensmittelpunktes in Deutschland oder in Spanien:
Vorteile des Lebensmittelpunktes in Deutschland:
- Sie sind in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Das ist ein Vorteil, denn Sie erhalten zum Beispiel Kinder- und Altersfreibeträge, unterliegen nur deutscher Rentensteuer, und zahlen deutsche Erbschaftssteuer für deutsches Vermögen.
- Es gilt deutsches Erbrecht, auch wenn Sie dafür keine testamentarische Wahl getroffen haben – wichtig, weil spanisches Erbrecht für den Ehepartner sehr ungünstig ist.
- Sie haben gegebenenfalls Anspruch auf deutsches Kindergeld – spanisches Kindergeld ist äußerst marginal.
- Sie können sich von Ihrer deutschen gesetzlichen Krankenkasse spanische Privatarztrechnungen anteilig erstatten lassen – für viele der wichtigste Gesichtspunkt, trotz des wahren Lebensmittelpunktes in Spanien behördlich „unter dem Schirm“ verborgen zu bleiben.
- Ihr Auto bleibt in Deutschland zugelassen.
Nachteile des Lebensmittelpunktes in Deutschland:
- Im Krankheitsfall haben Sie mit Ihrer deutschen Gesundheitskarte mit EHIC-Aufdruck durch spanische Ärzte und Kliniken im staatlichen Gesundheitsdienst nur Anspruch auf kostenlose Basisbehandlung (nur „sofort notwendige Behandlung“) – ein Nachteil, weil es gute spanische Kliniken gibt und Sie zum Beispiel für die neue Hüfte nach Deutschland reisen müssten
- Behördliche Zustellungen, Zahlungsfristen, Vorladungen sind an Ihre deutsche Anschrift wirksam, auch wenn Sie wegen Abwesenheit keine Kenntnis davon haben können
- Eventuell teure Steuerforderungen, wenn Ihr wahrer Lebensmittelpunkt in Spanien ermittelt wird.
Vorteile des Lebensmittelpunktes in Spanien:
- Recht auf volle und für Sie kostenlose Heilbehandlung im Krankheitsfall durch den staatlichen Gesundheitsdienst mit der SIP-Karte, der „Tarjeta Sanitaria“ (zu beantragen mit dem Formular E 121 oder S 1 aus Deutschland im spanischen Gesundheitszentrum)
- Nach 10 Jahren und Bedürftigkeit Anspruch auf die spanische Mindestrente
Nachteile des Lebensmittelpunktes in Spanien:
- Verlust des Rechts, Privatarztrechnungen bei der deutschen Krankenkasse einzureichen
- Sie unterliegen spanischem Steuerrecht, auch für deutsche Betriebsrenten und andere Alterseinnahmen. Das gilt allerdings auch umgekehrt, so dass bei Lebensmittelpunkt in Deutschland ebenfalls das gesamte in beiden Staaten belegene Vermögen und Einkommen zu versteuern ist. Man hat also immer mit beiden Staaten zu tun, wenn man in beiden Ländern Besitz und Einnahmen hat. Nur die Steuersätze unterscheiden sich - zum Teil sogar beträchtlich. Auch wenn das alte Modelo 720 nicht mehr angewendet werden darf und gegenwärtig überarbeitet wird - Costanachrichten berichtete über die Kritik des Europäischen Gerichtshofes -, bleiben die Meldeformalitäten doch zumindest recht lästig.
- Spanische Erbschaftssteuer ist auf das gesamte, in Deutschland und Spanien befindliche Vermögen zu zahlen. Auch das gilt allerdings auch umgekehrt, so dass bei einem Lebensmittelpunkt in Deutschland ebenfalls das gesamte in beiden Staaten belegene vererbte Vermögen zu versteuern ist. Sie verlieren aber die hohen deutschen Steuerfreibeträge für nahe Verwandte, weil Sie in Deutschland nur noch beschränkt steuerpflichtig sind. Wie groß der Nachteil ist, kann nur im Einzelfall festgestellt werden.
- Wer ab 2015 erstmals eine deutsche Rente bezieht, ist in Spanien und in Deutschland steuerpflichtig – das bedeutet Steuererklärungen in beiden Staaten!
- Geltung des spanischen Erbrechts, wenn im Testament nicht ausdrücklich deutsches Recht gewählt wurde – mit der Folge der Begünstigung der Kinder gegenüber dem Ehepartner
- Spanische Autozulassung, spanisches Führerscheinrecht: Umtausch in ein spanisches Dokument nach zwei Jahren Aufenthalt und regelmäßigen Eignungsuntersuchungen alle 10 Jahre, ab dem 65. Lebensjahr alle 5 Jahre
Denken Sie daran: Das Empadronamiento bei der Gemeinde sagt noch nichts über Ihren Lebensmittelpunkt aus! Es gibt da auch keine Meldung an das Finanzamt. Das Registro bedeutet ebenfalls noch nicht, dass Sie den Lebensmittelpunkt in Spanien haben, Sie sind dann aber auf dem Schirm der Finanzämter. Bei der N.I.E. müssen Sie ankreuzen „no residente“, wenn Sie Ihren Lebensmittelpunkt nicht in Spanien haben.
Auwandern nach Spanien: Einige praktische Fallbeispiele zum Lebensmittelpunkt
Die Zweitwohnung in Deutschland: Die Eheleute Müller aus Oldenburg verbringen ihren Lebensabend in einem Haus bei Dénia. Im Sommer leben sie für die drei heißen Monate bei den Kindern in Oldenburg. Gemeldet sind sie nur in Oldenburg. Hier ist ganz klar der Lebensmittelpunkt Spanien. Also ist auch der juristische Wohnsitz Spanien. Anders könnten die Dinge allenfalls liegen, wenn Herr Müller in Deutschland zum Beispiel regelmäßig auch außerhalb des Sommers im Kirchenvorstand seiner deutschen Kirchgemeinde oder im Stadtrat mitwirkt und dazu häufig nach Oldenburg reist.
Die Eheleute Müller müssten außerdem die spanischen Vorschriften beachten: Empadronamiento und Ausländerregistrierung binnen drei Monaten nach der Auswanderung. In der Praxis verfahren viele Residenten so wie das Ehepaar Müller aus Oldenburg. Nicht selten behalten sie auch eine eigene Wohnung in Deutschland bei. So glauben sie, die Regelungen überlistet zu haben und einen deutschen Lebensmittelpunkt zu besitzen. Das ändert aber rechtlich gesehen gar nichts, wenn es einmal darauf ankommt: bei zurückgewiesenen Privatarztrechnungen durch ihre Krankenversicherung, bei Steuernachforderungen des spanischen Staates, beim Erbfall....

Manche Residenten haben keine Wohnung in Deutschland mehr, „vergessen“ ihre Abmeldung und behalten so der Form nach ihren deutschen Wohnsitz. In Spanien melden sie sich weder bei der Gemeinde noch beim Ausländeramt an und wollen dort als Touristen gelten. Auch das nützt ihnen letztlich nichts. Außerdem ist es ungesetzlich: Es ist juristisch betrachtet nach dem deutschen Meldegesetz eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro geahndet werden kann.
Lebensmittelpunkt bei einer Scheinwohnung in Deutschland: Eine Scheinwohnung bei den Kindern in Deutschland ist eine häufige, aber doch nur eine scheinbare Lösung. Wenn die örtliche Meldebehörde in Deutschland die Meldung dafür akzeptiert, bleibt es dennoch dabei, dass letztlich der Lebensmittelpunkt in Spanien liegt.
Die Hälfte des Jahres in Spanien
Fallbeispiel für die Hälfte des Jahres in Spanien: Das Ehepaar Becker aus Rostock besitzt in Bochum eine Mietwohnung. Nach dem Ruhestand hat es ein Appartement in Marbella erworben. Es verbringt etwa ein halbes Jahr in Spanien und ein halbes Jahr in Deutschland. Auch dies ist ein typischer Fall, aber leider gibt es hier keine klare Antwort. Hier hilft auch die 183-Tage-Regel nicht weiter. Es kommt auf andere Umstände an, zum Beispiel, wo das Ehepaar steuerlich veranlagt wird, wo seine Familienangehörigen leben, welche Beziehungen zu ihnen bestehen usw.
Die Europäische Kommission hat in einem Leitfaden zur Bestimmung des Wohnsitzes aus dem Jahr 2013 in einem ähnlichen Fall angenommen, dass der Wohnort Deutschland ist, wenn das Arbeitsleben in Deutschland verbracht wurde und auch in Deutschland Wohneigentum besteht. In unserem Fall ist es eine Mietwohnung – da wollte die EU-Kommission sich nicht festlegen. Das bedeutet für Sie: Unklarheiten gehen nicht zu Ihren Lasten – Sie haben große Aussichten, in solch einem Fall den Lebensmittelpunkt in Deutschland anerkannt zu bekommen.