Wenn Spaniern die Hitze zu Kopf steigt: Hasstiraden gegen Klimaforscher

Verflixt, die Wetterkarte in Spanien ist nur noch dunkelrot. Ein Tag heißer als der andere.- kann das sein oder ist das Panikmache? Zweifel an den Klimaforschern werden laut, aber sind sie auch berechtigt?
Madrid - Es ist so heiß, wie nie oder? - auf der Wetterkarte im Fernsehen sieht es wieder rostrot aus wie in Mordor und jeden Tag steht ein anderer Landstrich in Spanien in Flammen. Die Nachrichten würgen wirklich jede Sommerlaune ab. Panikmache schimpfen die einen, die anderen reiten von einer Hitzewelle zur nächsten Hitzeepisode und sprechen von Vorboten, von dem, was kommt, wenn man nicht endlich etwas gegen den Klimawandel unternimmt.
Spanien und die Folgen der Hitze: Klimaforscher werden in Sozialen Netzwerken angegriffen
Unser Nervenkostüm schmilzt bei hochsommerlichen Temperaturen regelrecht dahin, wir schimpfen mehr, sind genervter, übel gelaunter, gewalttätiger, fauler, hupen sogar im Stadtverkehr und lästern mehr über den blöden Nachbarn als sonst. All das ist Ergebnis einer Studie, die die Tageszeitung „El País“ veröffentlicht hat. Dieser Tage aber als Meteorologe zu arbeiten, muss ungefähr so ein wie in der schlimmsten Zeit der Coronavirus-Pandemie als Virologe. Auf Spaniens angesehenste Wetterfrösche prasseln in den Sozialen Netzwerken Schimpftiraden ein, als wären sie keine Klimaforscher, sondern Volkshetzer im Dienst obskurer Mächte, die den Zuschauern den Klimawandel einbläuen wollen.
„Die Leute müssen sehr gereizt sein wegen der Hitze, die regen sich unheimlich über die Farben auf der Wetterkarte auf und werfen uns vor, wir würden übertreiben“, meint Irene Santa vom Wetterportal www.eltiempo.es. Nur geändert hat sich an der Farbpalette der Wetterkarte eigentlich gar nichts, das ganze Jahr über und seit eh und je stellen bestimmte Farben Temperaturen dar, wenn es kühl ist, kommen blasse Töne auf die Wetterkarte und wenn es heißer ist als gewöhnlich erscheint in fast allen Wetterberichten die Farbe Rot über dem dazugehörigen Landstrich.
Spanien und die Hitze: Kritik an den Wetterberichten und Klimaforschern
Eigentlich fand bisher kaum jemand einen Grund, dies zu hinterfragen, aber jetzt werfen bestimmte Leute den Klimaforschern vor, mit ihren tagtäglich glutroten Wetterkarten suggerieren sie den Zuschauern, es sei heißer als sonst – womit sie vollkommen richtig liegen, da die Farbe Dunkelrot tatsächlich Tagestemperaturen anzeigt, die über dem zu der Zeit üblichen Durchschnittswerten liegen. Nur geht ihre Denke in eine ganz andere Richtung. „Ich hätte nie gedacht, dass es im Jahr 2022 noch jemanden gibt, der glaubt, der Klimawandel sei das Ergebnis einer Skala von manipulierten Farben“, meint der Klimaforscher Juan Jesús González Alemán vom staatlichen Wetterinstitut Aemet.
Übrigens, liegen die Tagestemperaturen mehr als drei Tage über den Mittelwerten von Juli und Augst der Jahre 1971 bis 2000 sprechen Meteorologen in Spanien von einer Hitzewelle. Neben Dauer und Intensität spielt auch noch die geographische Ausdehnung eine Rolle. Spanien musste in diesem Jahr bis einschließlich Juli zwei Hitzewellen erdulden. Die zweite dauerte neun Tage lang und endete am 19. Juli, sie war sehr lang, heiß mit im Fall von Galicien zwischen fünf und 20 Grad über den Durchschnittswerten und erstreckte sich über 36 bis 38 der insgesamt 50 Provinzen. In den Aufzeichnungen des staatlichen Wetterdienstes Aemet rangiert sie unter den Top drei der intensivsten Hitzewellen seit Beginn der Aufzeichnungen 1974. Was aber wirklich aufs Gemüt drückt, mit dem 20. Juli kam keine nennenswerte Abkühlung und in der vergangenen Woche hat man am Flughafen Alicante an der Costa Blanca noch über 42 Grad registriert und in Antequera nahe der Costa del Sol um Mitternacht noch fast 40 Grad.
So leicht lassen sich Klima-Leugner nicht überzeugen. Derzeit zirkuliert in den sozialen Netzwerken ein Foto der Titelseite der Zeitung „El Espanol“ vom August 1957 mit der Überschrift „Der heißeste Sommer des Jahrhunderts. 50 Grad in einem Ort in der Mancha.“ Vom Klimawandel könne doch keine Rede sein, wenn die Leute vor der digitalen Revolution schon derart ins Schwitzen kamen, von Hitzewelle und Rekordtemperaturen auch nicht. Sommer hieß das damals, meinen einige spitzbübisch. Nur das staatliche Wetterinstitut winkt ab, 1950 war kein heißer Sommer und 50 Grad wurden in Spanien noch niemals korrekt gemessen, was nicht heißt, dass nicht irgendwo und auch in der Mancha ein Thermometer 50 Grad anzeigen kann, etwa weil es in der Sonne hängt.
Übrigens, der heißeste Sommer des vergangenen Jahrhunderts war 1994 mit einem Grad über dem Schnitt und der heißeste Sommer in diesem Jahrhundert war 2003 mit 1,8 Grad über dem Schnitt. Von den 50 Grad ist Spanien nicht mehr sehr weit entfernt. Vergangenes Jahr im August zeichnete das Wetterinstitut Aemet 47,4 Grad in Móntoro bei Córdoba auf. Kaum ein Klimaforscher zweifelt daran, dass die 50 Grad irgendwann in den kommenden Jahrzehnten erreicht werden, wofür sie sich fürchten aber ist, dass Werte von 45 bis 50 regelmäßig aufgezeichnet werden und aus Córdoba irgendwann mal ein Bagdad werden könnte. Und genau deswegen halten sie auch diesen Sommer nicht für normal, weil es zu oft zu heiß ist und die Hitzeperioden sehr lange andauern.
So, jetzt soll es auch im August wieder weiter richtig heiß werden. Kühlen Sie Körper und Gemüt gut ab und seien Sie vorsichtig, vor allem wenn Sie älter sind oder sich nicht fit fühlen. Die 2.000 vom staatlichen Institut Carlos III gemeldeten Hitzetoten sind keine Panikmache, sondern eine besorgniserregende Zahl, hinter der sich viele trauernde Angehörige verbergen. Und sie sagt noch nichts aus über all die Menschen, denen die Hitze gesundheitlich zu schaffen macht.