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Wetter in Spanien: Anti-Regen-Flugzeuge und Hagel-Raketen - Mythos oder Wirklichkeit?

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Von: Anne Götzinger

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Ein Kleinflugzeug fliegt durch Wolken.
Werden in Spanien Flugzeuge eingesetzt, um das Wetter zu beeinflussen? © Pixabay

Wird in Spanien das Wetter beeinflusst? Von der Costa Blanca über Murcia bis nach Andalusien berichten Anwohner und Landwirte von Anti-Regen-Flugzeugen und Hagel-Raketen.

Alicante – Wenn sich am Himmel über Mutxamel an der Costa Blanca etwas zusammenbraut und der Wetter-Dienst für den Süden von Spanien Regen vorhersagt, winken die Leute auf der Straße ab. „Regen? Ach was, gleich fliegt wieder die avioneta von Bonny.“ Jenes sagenumwobene Kleinflugzeug des Tomatenproduzenten Bonnysa, das bei angekündigtem Regen am Himmel seine Kreise ziehen soll und dabei Silberjodid versprüht, das die Wolken auflöst.

Doch wieso sollte ein landwirtschaftliches Unternehmen in dieser trockenen Gegend Spaniens Regen verhindern wollen? Und wenn es tatsächlich möglich wäre, das Wetter zu beeinflussen, warum schicken dann nicht die Bruderschaften in Sevilla eine Avioneta Richtung Gott, damit es bei den Osterprozessionen nicht regnet? Die avioneta von Bonny, ein urbaner Mythos also. Oder doch nicht?

Wetter in Spanien: Flugzeuge und Raketen gegen Hagel und Regen?

Geschichten von Raketen, mit denen auf Wolken geschossen wird, oder von Flugzeugen, die Substanzen am Himmel versprühen, gibt es entlang der Küste von Alicante über Murcia bis nach Andalusien wie Sand am Mittelmeer. Vor allem kleinere Landwirte in Spanien prangern an, dass größere Betriebe oder auch Versicherungsgesellschaften Flugzeuge einsetzen, um das Wetter zu beeinflussen.

Warum? Nun, nicht immer ist Niederschlag willkommen, Regen zur falschen Zeit kann die Ernte vermasseln. Aber die Bonnysa-Tomaten wachsen doch hauptsächlich in Gewächshäusern, denen kann das Wetter doch egal sein! Ja, aber die Früchte brauchen zum Reifen volle Sonne, ein bewölkter Himmel ist ebenfalls schlecht für den Ertrag, argumentieren die Eingeweihten der Avioneta-Legende in Spanien.

Spanien: Welches Wetter hätten wir denn gerne?

In Bullas in der Region Murcia veranstaltete das Rathaus im Mai 2016 sogar eine Gesprächsrunde zum Thema „Anti-Regen-Flugzeuge – Fiktion oder Realität?“. Auslöser war die wachsende Besorgnis von Landwirten aus der Umgebung, die das Ausbleiben des Regens im Süden Spaniens auf den unerlaubten Einsatz von Schwermetallen zur Beeinflussung des Wetters schoben. Zwei Monate später stimmten alle Parteien im Gemeinderat zu, einen Antrag an das murcianische Landwirtschaftsministerium und die Regierungsvertretung Spaniens zu stellen, damit diese eine Untersuchung einleiten, ob Anti-Regen-Flugzeuge existieren oder nicht. Die Initiative verlief wie viele andere aus Mangel an Beweisen im Sande.

Beweise wollen die Landwirtschaftsvereinigung Anseprim und der Verein Agricultura viva en acción aus Almería jetzt liefern. Sie haben im Oktober 2022 begonnen, Bodenproben an verschiedenen Orten in Spanien zu entnehmen, um zu analysieren, ob darin Silberjodid oder andere Substanzen enthalten sind, die dazu dienen, Regenfälle zu steuern und das Wetter zu beeinflussen.

Kein Regen in Südspanien: Landwirte machen Silberjodid verantwortlich

„Die Untersuchung läuft über ein Jahr“, erklärt David Sánchez, Vorsitzender von Anseprim, gegenüber CN. „Wir entnehmen Proben aus dem Boden in Spanien, dem Wasser und auch aus der Luft, wenn wir verdächtige Flugzeuge sehen.“ Aus Gründen der Diskretion könne er derzeit aber nicht mehr sagen, da seit Beginn der Untersuchung „seltsame Dinge passieren“.

Er, seine Mitstreiter und viele Bewohner in den Regionen Valencia, Murcia und Andalusien sind überzeugt davon, dass sie sich das Ganze nicht einbilden und das Wetter in Spanien durch den Menschen beeinflusst wird. „Wenn bei uns Regen angekündigt ist, dann steigen noch vor der Dämmerung Kleinflugzeuge in den Himmel, und wenn der Tag anbricht, sind alle Wolken verschwunden“, erzählt der Landwirt aus El Ejido und verspricht, den CN die Ergebnisse nach Abschluss der Untersuchung zukommen zu lassen.

Kein Regen im Süden Spaniens: Wetter-Dienste geben Erklärung

Dass es Material gibt, um das Wetter zu beeinflussen, ist indes allgemein bekannt. Laut Spaniens staatlicher Wetteragentur Aemet laufen in mehr als 50 Ländern Projekte in diesem Zusammenhang. Deren Ergebnisse würden regelmäßig in Berichten des zuständigen Expertenkomitees der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zusammengefasst und zielten darauf ab, „eine moderate Zunahme der Niederschläge, eine Minimierung von damit zusammenhängenden Schäden sowie der Größe von Hagelkörnern zu erreichen, und sehr lokale Wolken, etwa über Flughäfen oder wichtigen Verkehrsverbindungen, aufzulösen“.

Nichtsdestotrotz gibt es über die tatsächliche Effizienz des Einsatzes von Silberjodid zur Beeinflussung des Wetters verschiedene Meinungen. Ebenso darüber, ob die Substanz schädlich für Umwelt und Menschen ist. „Ein Gramm Silberjodid wirkt auf mindestens 100 Billionen Tropfen in einer Wolke, weswegen die angewendete Menge Silberjodid äußerst gering ist“, erklärt etwa José Luis Sánchez Gómez, Forscher für Atmosphärenphysik an der Universität von León gegenüber Faktencheck-Portal Maldita.es.

Die Meteorologen von Aemet, aber auch von regionalen Wetter-Diensten wie MeteoNoroeste oder MeteOrihuela, distanzieren sich von den Theorien über die Anti-Regen-Flugzeuge. „Der Südosten ist seit Menschengedenken die regenärmste Zone Spaniens. Die Gründe dafür sind ausschließlich natürlicher Art“, heißt es in einem Kommuniqué, das Aemet 2016 veröffentlichte, um den Verschwörungstheorien entgegenzutreten.

Spanien: Polizei beschlagnahmt Material zur Beeinflussung des Wetters

Die Gegenfront zu überzeugen, dürfte schwer werden. Befeuert werden die Gerüchte von der Tatsache, dass auch die Guardia Civil regelmäßig Material beschlagnahmt, das der Beeinflussung des Wetters dient. „In den vergangenen Monaten hatte die Gedex zwei Einsätze im Zusammenhang mit Antihagelraketen“, bestätigt die Leitung der Sprengstoffeinheit der Guardia Civil in Alicante gegenüber CN: Ende November auf einer landwirtschaftlichen Finca in Yecla (Murcia) und im Mai 2022 auf einer Finca in Tinajeras (Albacete). Beide Male handelte es sich dabei um Raketen, „die vom Boden aus abgefeuert werden“.

„Sie bestehen aus einer Hülle aus Plastik oder Karton, die einen Treibsatz aus Schwarzpulver enthält, um die Rakete in die Luft zu schießen, einen Sprengsatz, um sie in einer Höhe von 1.500 bis 1.600 Metern zum Bersten zu bringen, sowie eine Ladung mit einer chemischen Substanz, normalerweise Silberjodid, das beim Explodieren der Rakete über der Wolke verstreut wird, so die Entstehung von Hagel verhindert und es stattdessen regnen lässt“, fasst die Gedex zusammen. Der Gebrauch dieser Raketen ohne entsprechende Genehmigung werde in Spanien als schwerer Verstoß gegen das Gesetz für Bürgersicherheit geahndet. Die Frage nach der Avioneta von Bonnysa und dem Wetter in Mutxamel lässt die Guardia Civil unbeantwortet.

Wetter in Spanien: Es regnet in Strömen - „streikt der Pilot?“

Gleich vier Antworten zur Auswahl gab dafür Pedro Gómez Cascales vom Wetter-Portal MeteOrihuela während der anhaltenden Regenfälle im Frühjahr 2022. „Wo ist das berühmte Anti-Regen-Flugzeug jetzt?“, fragte er sarkastisch auf seinem Portal: „Antwort A: der Pilot ist im Streik; B: der Treibstoff ist sehr teuer; C: wegen des Sahara-Sandes kann er nicht fliegen, D: er wurde nur für die Semana Santa unter Vertrag genommen“.

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