Nur unter einer Bedingung sei Madrids Landesministerpräsidentin nach langen Verhandlungen dazu bereit, Madrid gänzlich unter Quarantäne zu stellen: Wenn die dafür geltenden Kriterien auf alle Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern in Spanien angewandt würden. Das Gesundheitsministerium ließ sich nicht lange bitte und legte dafür noch am Dienstagabend die entsprechenden Kriterien fest, weshalb man das Publikum auch mit den aktualisierten Coronavirus-Daten länger warten ließ als sonst.
Somit würden zu den bereits unter Quarantäne stehenden 45 von 286 Gesundheitsbezirken der Hautpstadtregion all jene hinzukommen, die in den vergangenen 14 Tagen die Schwelle von 500 neuen Coronavirus-Fällen pro 100.000 Einwohnern überschritten, bisher lag die Schmerzgrenze Ayusos bei 1.000. Davon wären derzeit 233 Gesundheitsbezirke betroffen, ganz Madrid und neun weitere Städte der Region. Das Gesundheitsministerium stimmte nun zu, diese Schwelle als Auslöser für Restriktionen in allen Kommunen über 100.000 anzuwenden, "damit man Madrid nicht politisch bestrafen kann", wie die PP lamentierte. Die Restriktionen beinhalten: "Einschränkungen bei der Mobilität, bei sozialen Kontakten und im Publikumsverkehr", also bei weitem kein pauschaler Lockdown.
Doch auch jetzt, nach der "Einigung" zwischen Madrid, Region und Madrid, Zentralregierung "gibt es noch viel zu verhandeln", heißt es nun von Seiten Madrid, die Stadt. Dass schon morgen ganz Madrid unter Quarantäne gestellt wird, mag sich dessen Bürgermeister Almeida (auch PP) nicht vorstellen wollen.
Update, 29. September, 18:00 Uhr: Die spanische Regierung hat am Dienstag ein Eilgesetz erlassen, mit dem die Autonomen Gemeinschaften bis zu 10.000 Ärzte, Pfleger oder andere medizinische Fachkräfte einstellen können, ohne dafür zunächst die entsprechenden Planstellen beantragen zu müssen oder umständliche Aufnahmeverfahren abzuwickeln. Auch für medizinisches Personal mit Abschlüssen, die nicht in der EU gemacht wurden, gelte die neue Regelung, so erspart man sich das sonst langwierige Nostrifizierungsverfahren. Damit sollen Engpässe in jenen spansichen Regionen überwunden werden, wo der Druck auf das Gesundheitswesen durch die aktuelle Covid-Welle besonders hoch ist.
Eine Fachgewerkschaft kritisierte allerdings, dass das Gesetz hinsichtlich der sozialen Absicherung und der Vertragslaufzeit für die neuen Kräfte zu unspezifisch bleibe, was es für viele Mediziner unattraktiv machen könnte. Spanien hat im EU-Vergleich mit die niedrigste Zahl von medizinischem Personal pro Kopf der Bevölkerung, ungefähr die Hälfte von Deutschland. Trotz guter Ausbildung gehen viele wegen prekärer Bezahlung und unsteter Arbeitsbedingungen lieber ins Ausland oder üben letztlich andere Berufe aus.
Forscher der Universitat Politècnica de Valencia (UPV) entwickeln derzeit einen Schnelltest als Alternative zum herkömmlichen PCR-Test, der über ein mikromolekulares Verfahren einen verlässlichen Test auf das Virus Sars-CoV-2 ´"binnen 30 Minuten ermöglichen" solle. Das brächte enorme Vorteile, denn "die Tests können überall gemacht werden, ohne speziell geschultes Personal und sie ersparen Transport- und Laborkapzitäten, das Ergebnis liege unmittelbar vor", so der zuständie Institutsleiter Ramón Martínez Máñez gegenüber der Nachrichtenagentur EFE.
Am Dienstag hat sich Spaniens Gesundheitsminister Salvador Illa erneut mit führenden Vertretern der Region Madrid getroffen, um die Coronavirus-Lage in der Hauptstadtregion Madrid unter Kontrolle zu bekommen. Seit vier Tagen fordert Illa die Landesministerpräsidentin Isabel Díaz Ayuso auf, strengere Maßnahmen und diese für die gesamte Region bzw. zumindest die gesamte Hauptstadt zu ergreifen, um die exorbitanten Infektionswerte in den Griff zu bekommen. Es wird erwartet, dass die Zentralregierung bald Maßnahmen ergreift, ohne dafür die Genehmigung der Landesministerpräsidentin abzwarten, die sich bei den letzten beiden Treffen vertreten ließ. Am Dienstag beließ man es nochmals dabei, der Region "jede Hilfestellung zu geben, damit sie ihren sanitären Verpflichtungen nachkommen" könne.
Derweil stellen Castilla y León und La Rioja weitere fünf Orte mit zusammen 45.000 Einwohner unter Quarantäne, derzeit sind fast 100 Gemeinden in Spanien von besonderen Restriktionen betroffen.
Update, 28. September, 18:30 Uhr: Während Zentral- und Regionalregierung ihre letzten Versuche unternehmen, um einen gemeinsamen Nenner zur Coronavirus-Lage im Hot Spot Madrid zu finden, bevor der Staat das Heft selbst in die Hand nehmen muss, entwickelt sich die Coronavirus-Pandemie in Spanien weiter asynchron. Während der größte Teil Spaniens zumindest vom gesundheitlichen Aspekt her gut mit der "neuen Normalität" zurecht kommt, gelten derzeit neben Madrid - wo 45 von 286 Gesundheitsbezirken und Teilquarantäne stehen - in rund 90 Kommunen Restriktionen unterschiedlicher Schwere im Zusammenhang mit hohen Infektionsquoten. Die meisten der Gemeinden befinden sich in den Provinzen A Coruña (Galicien), Toledo und Ciudad Real (Castilla La Mancha) sowie La Rioja. Eine genaue Übersicht über die spanischen Orte mit Corona-Restriktionen, die über die "neue Normalität" hinausgehen, gibt es auf dieser Karte.
Die gute Nachricht: Die Zahl der Neuinfizierten mit dem Coronavirus ist spanienweit leicht rückläufig, weist aber noch keine stabile Abwärtstendenz auf. Das spanische Gesundheitsministerium registrierte 124,1 neue positive Fälle pro 100.00 binnen der letzten sieben Tage (Stand 28.09., 14 Uhr), im Gegensatz zu 131 am Freitag. In Madrid liegt der Wert bei 307, in Murcia bei 154 (zuvor 177), in Andalusien bei 74 (72), in Valencia gar nur bei 37 (43).
Mit Stand Montag, 28. September mussten in den vergangenen 7 Tagen 2.249 Menschen neu in Krankenhäusern stationär wegen Covid-19 behandelt werden, davon 955 allein am Montag, 163 kamen auf Intensivstationen, 359 Menschen starben wegen Covid-19 in der vergangenen Woche. Landesweit sind die Intensivstationen mit Covid-Patienten zu 18 Prozent ausgelastet, in Madrid sind es 41 Prozent, in Murcia 18, in Valencia 8, in Andalusien 11,6 Prozent. Die Auslastung der normalen Krankenhausbetten mit Covid-Patienten beträgt landesweit rund 10 Prozent, in Madrid 25 Prozent.
Wie unterschiedlich die Lage in Spanien bezüglich des Coronavirus ist, zeigen die aktuellen Fallzahlen von der Costa Blanca, die teilweise nur halb so hoch ausfallen wie der Landesschnitt. Doch schon im an Alicante/Valencia angrenzenden Murcia sind die Werte so, dass die Regionalregierung zu einer freiwilligen Quarantäne aufrufen musste, um striktere Maßnahmen verhindern zu können. In Andalusien wiederum macht derzeit Sevilla die größten Sorgen, Hot Spots gibt es aber auch in anderen Teilen.
Update, 25. September: Coronavirus in Madrid außer Kontrolle: „Jedes Szenario ist möglich“, Armee rückt an, weitere Viertel werden in Quarantäne geschickt.
Update, 24. September: Zahlen für die letzten sieben Tage (Stand 23. September)
Andalusien: 72 positive PCR-Tests auf das Coronavirus pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen (Vorwoche: 60,48). 475 neue Covid-Patienten binnen einer Woche im Krankenhaus, 26 davon auf Intensivstationen. 46 Covid-bedingte Todesfälle.
Murcia: 177 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 106,97), 149 neue Covid-Patienten im Krankenhaus, 16 davon auf Intensivstationen.
Valencia: 43 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 48,86), 190 neue Covid-Patienten im Krankenhaus, 21 davon auf Intensivstationen, 26 Tote.
Spanien gesamt: 131 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 121,72), 2.473 neue Covid-Patienten im Krankenhaus, 191 davon auf Intensivstationen, 517 Covid-bedingte Todesfälle binnen einer Woche.
Update, 23. September, 8:30 Uhr: Das spanische Gesundheitsministerium hat am Dienstag, 22. September, 241 weitere Covid-19 bedingte Todesfälle in die Statistik aufnehmen müssen, davon 64, die in den letzten 24 Stunden verstarben. 320 sind es für die letzten sieben Tage.
Auch wenn die massenhaften PCR-Tests in Spanien (über 600.000 pro Woche) viele Virenträger ohne Syptome hervorbringen, gibt die steigende Tendenz positiver Tests eine Entwicklung an, die sich - zeitversetzt - auch wieder in mehr Hospitalisierungen und schweren Verläufen spiegelt. D.h. proportional spiegeln die Testergebnisse durchaus die Entwicklungen des Coronavirus in Spanien. An den am Dienstag veröffentlichten Belegungszahlen der Krankenhäuser und vor allem den besorgniserregenden Auslastungszahlen der Intensivstationen (UCI) lässt sich das ablesen:
Danach sind spanienweit derzeit wieder 9,6 Prozent aller Krankenhausbetten mit Covid-Patienten belegt, vor zwei Wochen waren es 7, vor drei noch 6 Prozent. Die Intensivstationen in Spanien sind derzeit im Landesschnitt zu 16% mit Covid-Fällen belegt. In La Rioja sind es sogar 56,7%, in Madrid 36,6% - wobei die UCIs einzelner Hospitäler wie in Vallecas bereits wieder Überfüllung melden, in Aragón 32,5%. Am besten stehen Galicien und Asturien da, mit nur 4,5% Auslastung, auf den Kanaren sind es 9,15, in der Extremadura 8,8%. In allen anderen Autonomen Gemeinschaften, also auch Valencia, Balearen, Andalusien und Murcia zwischen 10 und 15 Prozent.
Die Verbreitungsrate (Inzidenz) des Virus liegt für Spanien derzeit bei 287 Fällen pro 100.000 Einwohnern für die vergangenen 14 Tage. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt diese Kennziffer am Dienstag 25, Italien 32, Großbritannien 70, Portugal 80, Frankreich 183. Angeführt wird diese Statistik in Spanien wiederum von Madrid mit 746 positiven PCR-Tests pro 100.000 Einwohner binnen zwei Wochen für die Region Madrid, in der Hauptstadt selbst liegt die Zahl bereits bei über 1.000. Es folgen Navarra mit 622, Rioja 444, Aragón 388, Castilla La Mancha 384. In der Region Valencia liegt die Zahl der Infizierten pro 100.000 Einwohnern binnen 14 Tagen bei 115 Menschen.
Aktuelles zur Entwicklung des Coronavirus entlang der Costa Blanca und in der Region Valencia.
Entwicklungen Coronavirus in Murcia und Costa Cálida.
Daten und Hintergründe zum Coronavirus in Andalusien (Costa del Sol, Costa de la Luz und weitere)
Update, Dienstag, 22. September, 15:40 Uhr: Am Montagabend meldete das Gesundheitsministerium für Spanien 2.293 Einlieferungen in Krankenhäuser von Covid-Patienten binnen sieben Tagen. Am Dienstag wurden 2.957 neue positive PCR-Tests den letzten 24 Stunden zugeordnet, 61.748 binnen 7 Tagen und 131.722 binnen der letzten 14 Tage. Die Inzidenz auf 100.000 Einwohner für die vergangenen 14 Tage liegt landesweit bei 280 positiven Fällen. In den letzten sieben Tage gab es 311 Corona-bedingte Todesopfer.
Madrid erlebt dieser Tage ein Déjà vu, das man sich gerne erspart hätte: Geschlossene Bars, Geschäfte, leere Kirchen und Plätze. Zumindest in den Stadtbezirken Madrids, die seit Montag wieder eine Quarantäne hinnehmen müssen. Die Einwohner der betroffenen Viertel dürfen ihren Gesundheitsbezirk nicht verlassen. Ausnahmen gelten etwa für den Weg zur Arbeit, zum Arzt, oder um die Kinder zur Schule zu bringen*, berichtet auch wa.de*. Das Militär stellt unterdessen wieder Zeltlazarette auf, um die sich füllenden und zum Teil wieder überfüllenden Krankenhäuser zu entlasten. Das Hospital im Viertel Vallecas meldete am Montag eine Auslastung seiner Intensivstation von 135 Prozent.
Das Unverständnis der betroffenen Bewohner, der, wie berichtet, überwiegend Arbeiterviertel für die Segregation in der Hauptstadt, wird nun auch durch aktuelle Zahlen gerechtfertigt. Denn mittlerweile übersteigen - wenig überraschend - auch in 16 Stadtvierteln, die nicht abgeriegelt wurden, die Zahl der Infizierten 1.000 pro 100.000 Einwohner binnen der letzten zwei Wochen. Madrid scheint entglitten.
Regionalpräsidentin Díaz Auyso rief alle Madrilenen dazu auf, ihre Mobilität auf das Nötigste zu beschränken. Mit Regierungschef Pedro Sánchez ist sie sich einig, zumindest darin, dass "Uns sehr harte Wochen bevorstehen." Madrids Bürgermeister, José Luis Martínez-Almeida, wie Ayuoso PP und in seiner neuen Rolle als Landesparteisprecher besonders im Fokus, hat eine Ausweitung der Quarantäne-Zonen in der Haupstadt angekündigt, "wo immer das nötig wird" und ausdrücklich festgestellt, dass er mit (PSOE)-Gesundheitsminister Salvador Illa auf einer Linie sei.
Madrids Bürgermeister erklärt im spanischen TV die Maßnahmen:
Am Dienstag traf sich erstmals die Koordinierungsgruppe des spanischen Gesundheitsministeriums mit den Vertretern der Behörden der Region Madrid. Ob bei dieser sehr späten politischen Annäherungsgeste zwischen PSOE-Zentral und PP-Regionalregierung etwas Greifbares und Hilfreiches herauskommen wird, stellen viele Beobachter in Frage, da deren Kompetenzen nicht geklärt seien.
Mittlerweile formiert sich selbst in der Volkspartei (PP) immer mehr Unmut der Landesbarone gegen ihre Madrilener Kollegin sowie selbst gegen Parteichef Pablo Casado, der sich demonstrativ hinter sie stellte, obwohl ihr Versagen in der Coronavirus-Krise nicht erst jetzt offensichtlich ist.
Bei Aufrechterhaltung von Minimaldiensten sind die Lehrer der Region Madrid in den Streik getreten. Die Gewerkschaften CCOO, UGT, STEM und CGT protestieren damit, so wie bereits ihre Lehrerkollegen in Andalusien, gegen die zu späten und unzureichenden Anti-Corona-Maßnahmen und Vorbereitungen in den schulischen Einrichtungen. Versäumnisse, die auf ihren Rücken ausgetragen würden und auf Kosten ihrer Gesundheit und jener der Schüler gehen würden.
Das Gesundheitsministerium hat sich mit den Autonomen Gemeinschaften darauf geeinigt, die Pflichtquarantäne von 14 auf 10 Tage zu senken und so den Empfehlungen der Virologen zu folgen, immer, wenn ein bestimmtes Protokoll über die Nachverfolgung und die Testung erfüllt sei. Auch Kataloniens Präsident, der kurz vor einer gerichtlichen Amtsenthebung steht, leistet seinen Beitrag im Kampf gegen Coronavirus: Katalonien verhängt eine Reisewarnung für die Region Madrid...
Dass nicht nur Madrid Probleme hat, sich der zweiten Covid-Welle zu stellen, belegt der Hilferuf aus Murcia, wo die Landesregierung die Bevölkerung um eine freiwillige Quarantäne "bittet", um eine verpflichtende verhindern zu können.
Update, Montag, 21. September, 0:00 Uhr: Keine landesweite Quarantäne für Spanien - Regierungschef Sánchez im Interview - Ein rhetorisch müder als sonst wirkender Pedro Sánchez steht im TV-Interview mit LaSexta Rede, aber wenig Antwort. Im Corona-Chaos von Madrid will er vermitteln statt anklagen, eine erneute landesweite Quarantäne hält er momentan für unnötig.
Chaos-Tage in Madrid: "Quarantäne für Arme" teilt Spaniens Hauptstadt - Erste Proteste - Die medizinische Erstversorgung vor dem Kollaps, die Intensivstationen wieder gefüllt: Madrid zieht wegen der zweiten Welle des Coronavirus die Notbremse. Die "Quarantäne für Arme" breitet ein Orwellsches Panorama über Spaniens Hauptstadt. Ein Stimmungsbild und was die Ausgangssperre konkret bedeutet.
Update, 19. September: Madrid macht zu: Ab Montag treten in sechs Vierteln der Hauptstadt Madrid und in denen einiger Städte der gleichnamigen Region Ausgehbeschränkungen in Kraft. Diese für zwei Wochen geltenden Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie ähneln den Teilquarantänen anderer spanischer Städte wie etwa Lleida oder Lorca, auch wenn die Madrider Regionalchefin Isabel Díaz Ayuso Wörter wie „Quarantäne“ oder „Lockdown“ für die Isolierung von 37 Gesundheitsbezirken mit einer Infektions-Inzidenz von über 1.000 auf 100.000 PCR-getestete Bürger in einem Zeitraum von 14 Tagen partout nicht in den Mund nehmen möchte und um alles in der Welt die Ausrufung eines Notstands vermeiden will.
„Wenn wir jetzt keine Maßnahmen ergreifen, dann riskieren wir, dass das Virus sich in ganz Madrid ausbreitet. Wir haben noch Zeit, das zu verhindern. Wir konzentrieren uns darauf, Infizierte zu entdecken und sie und ihre Umgebung zu schützen“, sagte Díaz Ayuso. Davor warnen und darauf drängen Politiker und Experten seit Wochen.
877.000 Bürger in den betroffenen Gesundheitsbezirken dürfen weiterhin ihrer Arbeit oder Ausbildung nachgehen. In Teilen der Vierteln der Hauptstadt Puerta Bonita, Vista Alegre, Guayaba, Carabanchel, Usera, Villaverde, Vallecas sowie in den Gebieten der sieben betroffenen Kommunen können die Bewohner ihre Kinder zur Schule bringen, Arztbesuche machen und Verwaltungsangelegenheiten sowie Einkäufe erledigen. Ansonsten soll 13 Prozent der Bevölkerung der Region Madrid zu Hause - also in ihren Vierteln oder denen der Vorstädte Sebastian de los Reyes, Ciudad Líneal, Puente de Vallecas, Usera, Villaverde, Getafe, Fuenlabrada oder Parla - bleiben. Es herrscht also eine Ausgehsperre.
Wer dort nicht wohnt, darf die isolierten Gebiete zwar durchqueren, soll sich aber nicht in ihnen aufhalten. In den betroffenen Gebieten, in denen angeblich 24 Prozent der Coronavirusinfizierten der Region leben, muss das Gastgewerbe bereits um 22 Uhr schließen und darf Kunden nicht mehr an der Bar bedienen. Parks und öffentliche Gartenanlagen werden geschlossen. Restaurants, Bars, Geschäfte, Gebetsstätten und Freizeitstätten dürfen weiterhin öffnen, müssen allerdings die bisher zugelassene Besucherzahl halbieren. Ferner will die Regionalregierung die Zahl der PCR-Tests erhöhen, die Nachverfolgung verbessern und die Quarantänen effizienter kontrollieren. Treffen mit Familienangehörigen in privaten wie in öffentlichen Räumen werden in der ganzen Region Madrid auf sechs Personen beschränkt.
Die sehr spät kommende Maßnahme ist mit sehr vielen Problemen verbunden und muss auch noch vom Verwaltungsgericht abgesegnet werden. Madrid ist ein Ballungsgebiet, Ein- und Ausfahrten lassen sich schwer abriegeln. Zudem handelt es sich vorwiegend um Gebiete in Madrids Süden - also Arbeiterviertel, in denen sehr viele Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln auf engstem Raum zusammenleben, die obendrein oft in anderen Gebieten arbeiten und dorthin mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Ferner ist Madrids Süden durch eine Vielzahl von Straßen miteinander verbunden, sodass die betroffenen Gebiete nur mit einem immensen Aufwand isoliert werden können.
Am Freitag hat Madrid 1.500 Neuinfektionen gemeldet. Derzeit kommen ein Drittel aller Neuinfektionen in Spanien aus Madrid und Umgebung. Die Auslastung der Krankenhäuser Madrids mit Covid-19 Patienten liegt bei 22 Prozent. Die Lage in manchen Krankenhäusern und vor allem in der Zentren der Erstversorgung in den ab Montag unter Quarantäne stehenden Gebieten ist kritisch.
Die Regionalregierung hat nach Wochen der Konfrontation mit der Zentralregierung einen Kurswechsel eingeschlagen und sucht nun die Unterstützung von Ministerpräsident Pedro Sánchez, um „von sterilen Anschuldigungen“ zu einem „Kampf um einen gemeinsamen Feind, und der heißt Covid“ überzugehen. Auch auf diese Erkenntnis hätten beide Lager früher kommen können. Immerhin soll es am Montag zu einem ersten bilateralen Treffen zwischen Ministerpräsident Pedro Sánchez und Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso kommen.
Update, 18. September: Ministerpräsident Pedro Sánchez und die Madrider Regionalchefin Isabel Díaz Ayuso wollen bei einem bilateralen Treffen am Montag über Maßnahmen beraten, um das Coronavirus in der Hauptstadt und der Region Madrid unter Kontrolle zu bekommen. Neun der zehn Städten mit der höchsten Coronavirus-Infektionsrate liegen in und um Madrid. Wahrscheinlich werden heute im Laufe des Tages erste örtlich begrenzte Teilquarantänen, Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit insbesondere im Süden der Hauptstadt bekanntgegeben.
Die Lage in manchen Vierteln Madrids nimmt kritische Ausnahme an. Vor allem in der Erstversorgung, die auch die PCR-Tests stemmen muss., wirkt das medizinische Personal überlastet. Die Leute stehen Schlange vor Gesundheitszentren. Die Regionalregierung scheint überfordert zu sein mit der Situation. Das regionale Bildungsministerium brauchte vier Tage, um über die Quarantäne einer Schulklasse zu genehmigen. Auch in manchen Krankenhäusern steuern die Intensivstationen auf eine Auslastung zu, die bedenklich ist - zumal das Gesundheitsministerium auch einige Stationen wie die für die Behandlung nach operativen Eingriffen als Intensivstationen führt, obwohl sie eigentlich keine sind. So kommt Madrid statt auf die 640 UCI-Einheiten auf 936. Derzeit benötigen in manchen Krankenhäusern der Hauptstadt Covid-19 Patienten bis zu 64 Prozent der zur Verfügung stehenden Intensivstationen.
Die Lage in Spanien sieht bei weitem nicht so angespannt aus wie in Madrid, eine positive Entwicklung bleibt bisher aber auch aus. Das Gesundheitsministerium hat zum Donnerstagabend 4.541 Neuinfektionen bekanntgegeben, die in den vorausgegangenen 24 Stunden mittels eines PCR-Tests positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Der Statistik von insgesamt bereits 625.651 Infizierten mussten aber 11.291 Neuinfektionen gefüttert werden. Nimmt man die Bezugszahl der Infektionen von einer Woche umgerechnet auf 100.000 Einwohner her, so kommt Spanien auf 120,75, Madrid aber auf 314,96 und Navarra auf 307,54. Ganz anders sieht die Situation an der Küste aus, also in Katalonien, in Valencia, auf den Balearen, in Murcia und Andalusien. Dort liegt die oft schwankende Zahl zwischen 45 und 70, nur Murcia schert mit 79,97 etwas aus.
Derzeit benötigen 10.003 Menschen wegen Covid-19 eine stationäre Behandlung in den Krankenhäusern in Spanien, 1.131 liegen in Intensivstationen. Die Zahl steigt in den jüngsten Tagen nicht dramatisch, aber kontinuierlich an. Die Epidemie belastet derzeit 8,6 Prozent der Kapazitäten der Krankenhäuser - wobei es gravierende regionale Unterschiede gibt. So sind die Krankenhäuser der Madrid zu 21 Prozent mit Covid-19-Patienten ausgelastet, die Valencias nur zu vier Prozent, die Andalusien zu sieben Prozent, die in Murcia zu neun und die auf den Balearen zu elf Prozent.
Erstmeldung, 17. September: Madrid - Das spanische Gesundheitsministerium hat am Mittwoch 239 weitere Todesfälle in Spanien Covid-19 zugeschrieben, womit sich der offizielle Zählstand auf 30.243 erhöht, immer noch weit von der statistischen Übersterblichkeit (mortal excess) entfernt, die in Spanien allein für März und April rund 50.000 mehr Tote als im langjährigen Schnitt (einschließlich aller Grippe- und Hitzewellen etc.) ausweist.
Um eine Tendenz der Entwicklung des Coronavirus in Spanien abzulesen, ist die Zahl der Toten der vergangenen sieben Tage weitaus verlässlicher. Diese beträgt am Mittwoch, 16. September, 366 und hat sich damit binnen nur zwei Wochen mehr als verdoppelt, am 2. September waren es 177 in einer Woche.
Auch die Zahl der positiv Getesteten steigt an, für die vergangenen 24 Stunden von Dienstag auf Mittwoch (15./16. September) waren es 4.728, die höchste Zahl seit April. Der Anstieg ist relativ proportional mit dem Anstieg der Todesfälle, die Tests sind in dieser Hinsicht also durchaus aussagekräftig, wenn auch die Todesrate und die Zahl der schweren Verläufe nicht annähernd die Werte von März/April erreichen. Damals wurden indes auch weniger als ein Zehntel der jetzt wöchentlich rund 650.000 PCR-Tests durchgeführt und meist nur an Personen, die bereits Symptome zeigten.
Spaniens Corona-Hot-Spot ist und bleibt Madrid, gefolgt vom Baskenland und Andalusien, das allerdings nur rund ein Zehntel der Infektionsquote von Madrid aufweist. Wie von Fernando Simón, dem Leiter des sanitären Krisenstabes der Regierung, vorhergesagt, verbreitet sich das Virus außerhalb von Ballungszentren zunehmend asynchron. So gibt es in Palma de Mallorca mittlerweile acht Stadtviertel unter Teil-Quarantäne, muss das murcianische Lorca in Phase 1 des Deeskalationsplans zurück, während umliegende Ortschaften zum Teil fast coronafrei bleiben.
Auch um die Hot-Spots nicht zur allgemeinen Übertragung ausarten zu lassen, dienen die massenhaften Tests. Bei allen Ungenauigkeit liefern sie doch Trends - chronologisch, geographisch und demographisch. Rund 13 Prozent aller vorgenommenen PCR-Tests in Spanien fallen derzeit positiv aus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht bei einem Wert von oder unter 5 Prozent eine Pandemie als "unter Kontrolle".
Ein weiterer starker Beleg auf eine ansteigende zweite Welle des Coronavirus in Spanien sind die Belegungen der Krankenhäuser. In der Hauptstadtregion Madrid sind mittlerweile 22 Prozent aller Betten mit Covid-Patienten belegt, landesweiter Schnitt in Spanien sind derzeit 8,5 Prozent, zweieinhalb Punkte mehr als vor zwei Wochen. Aragón, Balearen, die beiden Kastilien, Murcia, Baskenland und La Rioja liegen über diesem Schnitt. Am Mittwoch wurden in Spanien 9.810 Personen stationär wegen Covid in Krankenhäusern behandelt (58 mehr als am Dienstag), davon 1.281 auf Intensivstationen, also in lebensbedrohlichem Zustand.
Das Landesgesundheitsministerium Madrid versucht angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen in der Hauptstadt nun die Notbremse zu ziehen und hat „selektive Quarantänen in den am meisten betroffenen Zonen“ ab dem Wochenende angekündigt, wurde aber von Landesministerpräsidentin Isabel Díaz Auyso umgehend zurückgepfiffen, sie wolle erste prüfen, welche Maßnahmen für die „ganze Region angemessen seien“. In immer neuen Äußerungen vor Kameras und in Sozialen Medien stifteten Ayuso und ihre Regierungsmitglieder mehr Chaos als Klarheit. Zuletzt hieß es, dass es nur hier und da „Einschränkungen bei der Mobilität geben“ würde.
Das Krisenmanagement in Madrid entwickelt sich dieser Tage ähnlich chaotisch wie schon während des Notstandes in Spanien im März/April, als das Madrider Missmanagement tödliche Konsequenzen vor allem in Altenheimen hatte. Von 150 angekündigten Virusverfolgern und Testern wurden von der Region bisher nur drei unter Vertrag genommen. Offiziell hieß es, der Arbeitsmarkt von medizinischem Personal sei leergefegt. Fachverbände widersprechen: Qualifiziertes Personal sei schlicht nicht mehr bereit, sich für Hungerlöhne und mit der Aussicht alsbaldiger Kündigung anstellen zu lassen.
Die medizinische Erstversorgung, also in erster Linie die Gesundheitszentren, seien angesichts des Testaufwandes "am Rande des Kollapses und oft schon darüber hinaus", so die Gewerkschafskonföderation UGT, die ab Ende September zu einem unbefristeten sektoralen Generalstreik aufruft, wenn die Kapazitäten der Zentren nicht gründlich aufgestockt und PCR-Test- und Normalbetrieb nicht vernünftig voneinander getrennt werden.
Spaniens Gesundheitsminister Salvador Illa, eigentlich bekannt dafür, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, meinte, auf die Lage in Madrid angesprochen auf einer Pressekonferenz am Donnerstag, 17. September: "Man muss alles machen, was nötig ist, um die Situation in Madrid wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich höre, dass man dort gerade ein Maßnahmenpaket schnürt und ich hoffe, die Details im Laufe des Tages zu erfahren." Übersetzt: Wenn er die Maßnahmen aus medizinischer Sicht nicht für ausreichend erachtet, könne die Zentralregierung jederzeit wieder selbst das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Lange wird sich der Minister das Madrider Chaos jedenfalls nicht mehr anschauen wollen - im Interesse des gesamten Landes.
Die Aussichten für Spanien hinsichtlich der weiteren Entwicklung sind sehr gemischt. Selbst der Obervirologe Fernando Simón "kann nicht sagen, was in zwei oder drei Wochen sein wird". Der Druck aufs System steigt und so auch auf die Beteiligten, im Gesundheitswesen hat man einen Anstieg der Krankschreibungen beim Personal wegen mentaler Krankheiten um 30 Prozent registriert. Auf der anderen Seite hat Spanien durch den wilden Sommer mittlerweile einige Routine bei der Analyse und Eingrenzung der Infektionsherde erlangt, die dann hilfreich werden kann, wenn mit der erhöhten Mobilität zum Schulanfang in Spanien und der Grippesaison die nächste Krise anrollt. Im Moment lähmt das Land indes mehr die Ungewissheit als der Virus selbst. *costanachrichten.com und wa.de sind Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.
Die Regierung verströmt keinerlei Panik in ihren Mitteilung, aber legt eine erhöhte Vorsicht an den Tag. Führende Chefärzte an vorderster Front in Spanien teilen diese Haltung. Das Volk, ob es nun will oder nicht, kann sich selbst das Leben erleichtern, wenn es die Erschwernisse in Kauf nimmt und sich an die Hygienevorschriften hält, also zumindest an die drei M`s: Mascarilla, Metros, Manos - Maske, Abstand, Händewaschen. Im Übrigen keine Einschränkung von Grund- und Menschenrechten. Eigentlich ein lächerlich kleiner Preis, um sich - und vor allem auch andere, gefährdetere Menschen - zu schützen, bis der Albtraum dank der Wissenschaft und eines effizienten und sicheren Impfstoffes irgendwann ein Ende haben wird. Denn am meisten leiden - medizinisch, ökonomisch, sozial und emotional - immer die Schwächsten. Eine Gesellschaft ist dazu da, genau sie zu schützen, alles andere wäre im Wortsinne: a-sozial.