Wegen Coronavirus werden Lebensmittel in Spanien teurer

Die Coronavirus-Krise führte im April zur ersten Deflation seit 2016. Um 0,7 Prozent sank der Verbraucherpreisindex. Doch das meiste, was man wirklich für das Leben in Quarantäne brauchte, also Lebensmittel, wurde deutlich teurer. Frisches Obst um fast 13 Prozent. Da ist doch etwas faul. Die Zeche zahlen wie immer die Schwächsten.
- Während Kraftstoffe, die in der Coronavirus-Krise keiner brauchte, billiger wurden, verteuerten sich Lebensmittel drastisch.
- Handelsketten profitierten von geschlossenen Wochenmärkten, Produzenten versuchen Verluste über den Einzelhandel zu kompensieren.
- Öffnung der Wochenmärkte lässt auf Preisstabilität hoffen, Ärmste leiden am meisten unter Preisanstiegen.
Madrid - Den Marktregeln von Angebot und Nachfrage, aber auch Trickserei und Gier folgend, schreibt das Coronavirus die Preislisten für den statistischen Einkaufskorb neu. Seit vier Jahren stiegen die Verbraucherpreise in Spanien langsam, aber kontinuierlich, um 1,2 bis 2,3 Prozent pro Jahr. Der Warenkorb, der dafür vom Instituto Nacional de Estadística (INE) herangezogen wird, wurde gegenüber dem April 2019 um 0,7 Prozent billiger. Ob er noch die Lebensrealität der meisten Spanier in der Quarantäne oder im Übergang in eine „neue Normalität“ spiegelt, darf angezweifelt werden. Daher lohnt es sich, einen Blick in die statistische Einkaufstasche zu werfen, die mit 221 Produkten und Dienstleistungen gefüllt wird.
Preise an Spaniens Tankstellen sinken nur, solange keine Kunden wegen des Covid-19 kommen
Kraftstoffe verbilligten sich im April gegenüber dem Vorjahr im Schnitt in Spanien um sagenhafte 18,1 Prozent. Der private Verbrauch ist durch die eingeschränkte Mobilität massiv eingebrochen, ebenso die Nachfrage in der Industrie. Der Rückgang, der bei einigen Referenzsorten auf dem Weltmarkt sogar für negative Preise sorgte, die Hersteller also Geld zahlten, damit jemand die Lager räumt, spiegelt den Einbruch für Otto oder Pedro Normalverbraucher indes nur minimal.
Das billigere Benzin kommt privaten Verbrauchern eigentlich gar nicht zugute, weil während der Ausgangssperre niemand tanken braucht. Die Nachfrage ging um 80 Prozent zurück, das Statistische Amt hat aber die Gewichtung des Warenkorbes nicht nachjustiert. Und: Mitte Mai steigt wie von Zauberhand der Kraftstoffpreis schon wieder. Auch der Strompreis sank um 5,8 Prozent, obwohl die Menschen zu Hause mehr verbrauchten. Es blieben in Spanien aber Büros dunkel, Freizeitparks und Fabriken geschlossen.
Grundnahrungsmittel in Spanien seit Corona um vier Prozent, Obst um 13 Prozent teurer
Grundnahrungsmittel verteuerten sich in Spanien hingegen deutlich, um vier Prozent gegenüber dem April 2019. Sie sprangen damit in einem Monat so stark nach oben wie sonst in fast zwei Jahren. Ausgerechnet frisches Obst, das im Lande eigentlich im Überfluss verfügbar ist, wurde am teuersten: Plus 12,8 Prozent, gefolgt von Fisch (frisch und tiefgefroren), der sich um 10,5 Prozent verteuerte und Schweinefleisch, das um 8,2 Prozent zulegte. Zucker wurde um 7,9 Prozent teurer, Hülsenfrüchte um 4,5. Von den 65 evaluierten Produkten aus den Supermarktregalen, wurden nur vier Gruppen preiswerter: Olivenöl um fast zehn Prozent, Meeresfrüchte aus der Tiefkühltruhe, Speiseeis und Milchkonserven, die je um 0,4 bis 0,7 Prozent günster zu haben waren.

Auf den ersten Blick eine klare Sache: Die Lebensmittelproduzenten verteuern alle Produkte des täglichen Bedarfs, vor allem jene, auf die man nicht verzichten kann, um so die Ausfälle bei industrieller Fertigware und die Lieferungen an die stillgelegte Gastronomie zu kompensieren. Krisengewinnler könnte man das nennen.
Auch der Mangel an Erntehelfern in Spanien währen der Sars-Cov-2-Krise wird für den Preisanstieg bei Obst und Gemüse verantwortlich gemacht:
Absurde Preisschwankungen: Supermarktketten als Krisengewinnler
Doch ganz so einfach ist es nicht, die Lage doch komplexer. So stehen zwar überreich reife Früchte auf Spaniens Feldern, doch sie abzuernten war und ist wegen der Restriktionen des Alarmzustandes erschwert worden. Erst hatte man keine Saisonarbeiter, später bekam man die wenigen, die man zum Teil sogar aus Rumänien und anderen Ländern einfliegen ließ, nur durch mehr Fahrten als sonst auf die Felder, was die Kilopreise beim Obst nach oben brachte, zumal die Nachfrage in den Supermärkten wegen des gestiegenen heimischen Konsums hoch blieb.
Dennoch steht im Raum, dass sich die Supermarktketten an dem Umstand bereichern, dass Wochenmärkte und viele kleine Läden geschlossen waren, ihnen also ein gewisses Handelsmonopol zufiel und die Preissteigerungen - wie so oft - bei den Handelskonzernen landeten und nicht oder zumindest weniger bei den Erzeugern, damit diese ihre Verkaufs- und Ernteausfälle halbwegs kompensieren konnten.
Zu viel Schwein gehabt: Preise steigen trotzdem
Genauso absurd ist der Anstieg der Schweinefleischpreise. Den Schlachthöfen und Massenhaltern ist der Exportmarkt weggebrochen, eigentlich gibt es einen gigantischen Zuchtüberhang. Da aber eltiche Schlachthöfe geschlossen sind, - auch wegen der Covid-19-Fälle bei den miserabel behandelten Billigarbeitern, verknappte sich wieder das Angebot, was die großen Vermarkter auszunutzen wissen.
Der Preiseinbruch beim Olivenöl wird hingegen durch die hohen Lagerkosten erklärt, seit die Gastronomie und das Ausland praktisch nichts mehr abgenommen haben. Spaniens Olivenölindustrie leidet ohnehin an zu viel Masse. Außerdem gab es in den Vormonaten „ungewöhnliche Preisanstiege“, so die Statistiker, eine Analyse, die den bis vor kurzem demonstrierenden Olivenölbauern nur die Tränen in die Augen treiben kann.
Spaniens Statistikamt zu den regionalen Unterschiede im Preisanstieg April 2020:
Grundeinkommen, Gutschein oder Ketten für die Handelsketten? - Hoffnung Mercadillos
Während der Staat jetzt, bei der Wiedereröffnung der Geschäfte durch Dekrete verhindern will, dass die großen Ketten durch Rabatt-Aktionen die kleinen Geschäfte kaputt machen, hat er beim Wucher am Obstregeal nicht wirksam eingegriffen. Das führte dazu, dass Obst massenhaft auf den Feldern verfaulte, die Konsumenten dennoch zehn Prozent mehr für die Ware im Supermarkt bezahlen müssen, der Bauer davon aber nichts sieht.
Der starke Preisanstieg bei Lebensmitteln schmerzt auch in Spanien natürlich die am meisten, die den größten Anteil ihres Einkommens - in vielen Fällen das gesamte Einkommen - für das Lebensnotwendigste aufbringen müssen, - also die ärmsten Gruppen der Gesellschaft. Das sind auch jene, deren Einkommen durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit massiv einbrechen. Die Preisanstiege kommen dann noch obenauf und erklären so die immer länger werdenden Schlangen an den Ausgabestellen der Tafeln. Dass die Mercadillos jetzt wieder öffnen, bringt etwas Hoffnung auf Entspannung im Markt für Frischeprodukte.
Durch ein Grundeinkommen oder Gutscheine könnte der Staat diese Not nur kurzzeitig lindern, denn er würde so eine weitere Preisspirale provozieren und die Inflation anheizen. Die Handelsketten aber durch Preisdeckelungen an die Kette zu legen und so wenigstens die Exzesse zu bremsen, getraut man sich nicht, denn das wäre, um im Duktus der rechten Opposition zu sprechen „sozial-kommunistisch“. Statt frischem Obst, bekommen die Kinder aus armen Familien dann mehr Tiefkühlpizza. Die mögen sie ja auch viel lieber, wie Madrids Ministerpräsidentin Díaz Ayuso kürzlich so trefflich analysierte.