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500 Jahre erste Weltumsegelung: Elcano und die Folgen - Wie Spanien feiert 

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Von: Marco Schicker

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Spanisches Segelschulschiff „Juan Sebastian Elcano“
Die Juan Sebastián Elcano ist das Segelschulschiff der spanischen Marine. Es wird bei den Feierlichkeiten zu 500 Jahren Weltumsegelung 2022 eine Hauptattraktion sein. © Alejandro Ernesto/dpa

Die erste Weltumsegelung vor 500 Jahren setzte auch Globalisierung und Kolonialismus in Gang, ein System, das bis heute wirkt, da es wieder um die Welt geht. Elcanos einzigartige Pionierleistung schmälert das nicht. Wie Spanien das Jubiläum feiert.

Sanlúcar/Sevilla – „Wir haben die gesamte Rundung der Welt entdeckt und vollendet, nach Westen fahrend und von Osten kommend.“ Am 6. September 1522 ging per Bote ein Eilbrief dieses Inhalts von Sanlúcar de Barrameda, dem Hafenstädtchen an der Mündung des Guadalquivir, ins 90 Kilometer flussaufwärts gelegene Sevilla ab. Der Absender war ein gewisser Juan Sebastián del Cano, genannt Elcano. Adressiert war er an Carlos I., König von Spanien, der es im Alcazar kaum erwarten konnte, den Helden zu empfangen.

Nicht Berge von Gold oder exotische Gewürze, sondern Elcanos Brief ist heute einer der wertvollsten Schätze des Archivo General de Indias in Sevilla, einst das zentrale Verwaltungsamt für alle kolonialen Aktivitäten und als Casa de Contratación vor allem auch Auftraggeber der Seefahrer. Es steht nicht zufällig direkt in der Mitte eines Dreiecks aus königlichem Schloss, Kathedrale und dem Goldtürmchen am Fluss. Dem 800 Jahre alten Torre del oro, der seit Kolumbus‘ Entdeckung der „Neuen Welt“ als Zoll- und Zählstation zunächst der Krone Kastiliens und ab 1516 ganz Spaniens für Gold und Spezereien und andere Reichtümer aus Übersee diente. Weltliche und geistliche Macht gruppieren sich um ein Zentrum aus Geld, die Säulen der Menschheit, in Sevilla sind sie sehr anschaulich konstruiert.

Elcanos erste Weltumrundung startet ein neues Kapitel Weltgeschichte

Auch Elcano sollte unter dem Befehl Magellans lediglich eine schnellere, die Westroute zu den Gewürzinseln, den Molukken (heute Indonesien) finden und so die Portugiesen austricksen, die Flagge Spaniens in ein paar neue Strände rammen und reich beladen zurückkehren. Gleichzeitig hatte Elcano auf den Portugiesen Magellan aufzupassen. Der hatte schon einmal eine Krone verraten, warum sollte er Spaniern gegenüber treuer sein?

Der Goldene Turm von Sevilla, Torre del Oro, im Abendlicht.
Goldig glänzt der Torre del Oro im Abendlicht in Sevilla. Seit 800 Jahren ist er steinerner Zeuge der Geschichte am Guadalquivir-Fluss. © Marco Schicker

Der Rest ist Geschichte: Nach einer Odyssee, die Homers Heldenmärchen als schaukelnde All-Inclusive-Kreuzfahrt dastehen lässt, nach unvorstellbaren Entbehrungen, Abenteuern und Tod, findet Magellan die Umfahrung Amerikas, legt sich auf der Philippinen-Insel Mactán mit den Einheimischen an und wird getötet. Auch die anderen Schiffe bleiben auf der Strecke, nur Elcano schafft mit letzter Kraft, der „Nao Victoria“ und einer handvoll Männern nach 1.125 Tagen und fast 70.000 Kilometern auf See den Rundweg nach Sanlúcar. Ein paar Gewürze hat er auch dabei, darunter 27 Tonnen der so begehrten Nelken. Wie wir der Aufstellung der Ladung entnehmen können, genügte diese, um die ganze Expedition zu bezahlen.

Kampf um die Weltherrschaft: Spanier wollten alle zu Spaniern machen

Gleichzeitig begann ein neues Kapitel der Weltgeschichte. Elcanos Rundfahrt wurde Startschuss zur ersten Globalisierung, ganz wörtlich genommen. Ein Wettrennen europäischer See- und Handelsmächte, Portugal und Spanien, bald auch England, Holland und Frankreich beginnt. Alle wollen die Vorherrschaft, alle wollen reich werden. Nach Elcano war der Vertrag von Tordesillas, mit dem sich Spanier und Portugiesen die Erde der Länge nach aufteilten eigentlich hinfällig, ihm folgte 1529 noch der Vertrag von Zaragoza, doch bald hielt sich niemand mehr an irgendwas.

Löwen-Skulptur in Sevilla.
Der spanische Löwe spielt mit der Erdkugel. Statue vor dem Archivo General de las Indias in Sevilla. © Marco Schicker

Während sich Briten und Holländer zunächst mit wirtschaftlicher Ausbeutung begnügen, sie notfalls mit Waffen, Kriegen und Piraterie durchsetzen, wollen die Spanier die ganze Welt zu Spaniern machen. Sie bringen ihren katholischen Hokuspokus, samt Inqusition und ein paar infektiöse Krankheiten mit, metzeln alles nieder, was sich nicht bekehren lässt, mischen im Sklavenhandel mit, übrigens auch im eigenen Land, bringen Reiche zu Fall, gründen neue, plündern als gäbe es kein Morgen – womit sie ja auch Recht hatten – spielen ein bisschen Herrenrasse hier und Kulturbotschafter da. Nebenbei bekämpfen sie in Europa Protestanten, Konvertiten, Piraten und Osmanen. Selbst Portugal besetzen die Spanier dann unter Felipe II., um die Weltherrschaft endgültig zu klären. Doch sie müssen es nach ein paar Jahrzehnten schon wieder verlassen, weil die anderen Mächte Europas diese Machtanhäufung nicht dulden wollten.

Nach dem Gold die Natur: Welt blieb in kolonialen Strukturen hängen

Elcano und das große Ganze: Nicht die Entdeckung Amerikas, sondern der Fall Konstantinopels an die Türken 1453 war der wichtigste Beschleuniger dieser Entwicklung, sowohl der „Reichseinigung“ in Spanien gegen die letzten Sultane Granadas als auch des Entdeckerfiebers gen Westen. Der „deutsche“ Kaiser Karl V. wurde zu Spaniens Carlos I., trat seinem Bruder die östlichen Habsburgerlande, damit den ganzen Ärger mit den Osmanen ab und ließ nach Westen segeln. Denn erstmals seit den Persern vor über 2.500 Jahren war der Landweg nach Osten zu den alten Handelsrouten vollkommen versperrt. Erinnern wir uns an den Stadtplan von Sevilla: Es ging immer nur Kohle. Seit den Griechen und ihrem Atlantis war der Menschheit Ahnung, dass es hinter eben diesem Atlantik noch Land geben müsste, seit 1492 wussten es die Europäer dann auch.

Wie wir lernen mussten, haben sich Spaniens Eliten mit ihrem imperialen Wahn, beseelt von heiliger Vorsehung, völlig überhoben. Sie schufen auf dem Papier das größte Weltreich aller Zeiten, ohne es je vollständig beherrscht zu haben. Altäre aus geraubtem Gold wurden errichtet, vor denen Menschen beteten, die noch bis vor ein paar Jahrzehnten zerlumpt mit Eselskarren durch die Straßen fuhren. Die „Errungenschaften“ danach haben mit der grandiosen Pionierleistung der Entdecker vor 500 Jahren wenig zu tun. Elcano, der Held, starb an verdorbenem oder giftigem Fisch auf einer weiteren Entdeckungsreise, was sich in dem ganzen Welttheater als ein ebenso banales Ende ausnimmt, wie die sinnlose Schlacht, die Magellan wegen seines geschwollenen Hahnenkamms gegen Indigene vom Zaun brach und die ihn das Leben kostete.

Der Menschheit steht ihre größte Entdeckungsfahrt womöglich noch bevor.

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In gewisser Weise war das aber ein Gleichnis. Das Kolonialsystem – nicht nur das spanische – das mit den großen Entdeckungen entstand, zementierte eine Welt, in der wir im Großen und Ganzen noch heute festhängen: In der noch immer wenige sich überlegen fühlende Herren über Hunger und Leben, Land und Frieden, auch die Frauen walten wollen. In der die meisten noch wie Sklaven leben, gezwungene oder sich hingebende, in der Rassismus existent geblieben ist und der wir nun, da die Goldschätze weitgehend verteilt sind, in ebenso kolonialer Manier die Schätze der Natur plündern und uns damit wie Magellan in einen sinnlosen Tod stürzen.

Spaniens Königspaar Felipe und Letizia in Sevilla
Spaniens Königspaar Felipe VI. und Letizia besuchen eine Ausstellung im General Archivo de las Indias in Sevilla anlässlich 500 Jahre Weltumsegelung. © Casa S.M. el Rey

Elcanos Fahrt vereint das Beste und das Niederste der Menschheit: Entdeckerdrang, Neugier, Überlebenswille und sein (Selbst)-Zerstörungspotential. Elcano selbst kann nichts dafür, doch seine Umrundung war der Gongschlag, für die finale Runde der Menschheit, denn viele Chancen bekommt diese Spezies nicht mehr. Belassen wir es am 500. Jahrestag der ersten Weltumrundung also nicht nur bei der Verneigung vor den großen Taten der Seeleute und Entdecker, sondern stellen wir – gewürzt mit festlichem Pathos – fest, dass der Menschheit ihre größte Entdeckungsfahrt womöglich noch bevorsteht: Die Umrundung der Erde mit Menschlichkeit, die eine Globalisierung in Recht und Gerechtigkeit auslöst. Das wäre dann „Nao Victoria“: unser Sieg.

Spanien: Feierlichkeiten zu 500 Jahre Weltumsegelung in Sanlúcar und Sevilla

Am 6. September 2022 feiern Sanlúcar de Barrameda und König Felipe die Rückkehr der „Nao Victoria“ vor genau 500 Jahren im Hafen mit einem großen Spektakel und dem Einlaufen der „Elcano“, dem Segelschulschiff der spanischen Marine, etlicher weiterer Schiffe, einer Flugshow, Feuerwerk, Volksfest.

Vom 8. bis 11. September 2022 geht die Feier zu 500 Jahren erste Weltumsegelung im großen Stil in Sevilla weiter: Flottenparaden mit Repliken alter Schiffe, eine nachgestellte Ankunft auf dem Guadalquivir, Feldlager, Routen, Musik, Märkte: www.festivalvcentenariosevilla.org. Ganzjährig gibt es zudem Führungen zu den Orten, an denen Magellan und Elcano in Sevilla wirkten und auch Besuche des Archivo General de Indas sind möglich, unter anderem unter: www.visitarsevilla.com.

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