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Allergiker leiden - Auch in Spanien sind Allergien auf dem Vormarsch

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Von: Andrea Beckmann

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Eine Frau mit Taschentuch
Allergiker haben es besonders im Frühjahr und Sommer schwer.  © Pixabay

Ständiger Niesreiz, tränende Augen, Abgeschlagenheit – auch Allergiker in Spanien haben es im Frühjahr und Sommer besonders schwer. Jetzt ist die Zeit, zu der die meisten Gräser und Bäume blühen. Pollenflüge und Allergien haben Hauptsaison.

Da ist es wieder, dieses lästige Kratzen im Hals. Die Nase juckt und man ist müde und abgeschlagen. Treten diese Symptome auf, ist es naheliegend, dass man sich eine Erkältung eingefangen hat, doch viel häufiger als man denkt, steckt eine Allergie dahinter.

In Spanien leiden acht Millionen Menschen unter mindestens einer Allergie, davon reagieren 7.000 allergisch auf Pollen, informiert die Spanische Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (Seaic). Die gute Nachricht für alle Heuschnupfen-Patienten: Sie erwartet in den kommenden Monaten im Mittelmeerraum ein eher „milder“ Verlauf. Der Grund: Der Pollenflug der Zypressen, Fichten und Platanen, die üblicherweise als eine der ersten Baumarten im Frühjahr Probleme verursachen und noch bis Ende April Pollen freisetzen, sei aufgrund der Stürme, die Spanien Ende Februar heimgesucht hätten, bisher niedriger als vor einem Jahr.

Allergien in Spanien: Es ist schwierig, eine Vorhersage für alle Pollenarten zu treffen

Doch auf die gute Nachricht folgt sogleich die Ernüchterung: Man könne derzeit noch nicht genau abschätzen, wie sich der noch bevorstehende Pollenflug der Olivenbäume und Gräser von Anfang Mai bis Ende Juli auf Personen mit einer Allergie auswirken werde.

Gleiches gelte für das Glaskraut, das Pollen-Allergikern große Probleme bereitet. Dieses buschige ausdauernde Unkraut, das über den Wind bestäubt wird, ist an der gesamten Mittelmeerküste heimisch. Es wurzelt am liebsten in der Nähe von Brachflächen wie Felsen, Böschungen und Mauern und hat zwei lange Blütezeiten, sodass der Pollen dieser stark allergenen Pflanze während des Frühlings und des Sommers auftritt, aber auch noch im Herbst vorhanden ist. Er kann Symptome von Asthma, allergischer Konjunktivitis und allergischer Rhinitis (Heuschnupfen) auslösen. Bekannt ist das Glaskraut auch unter den Namen Parietaria und Mauerkraut.

„Es ist schwierig, eine Vorhersage für alle Pollenarten zu treffen“, sagt der Vorsitzende des Seaic-Ausschusses für klinische Aerobiologie, Juan José Zapata. „Anhand der Entwicklung der Gräser können wir aber eine Vorstellung davon bekommen, wie die Pollensaison ausfallen wird.“

Bestmögliche individuelle Behandlung bei Allergien durch Molekulardiagnostik bestehen auch in Spanien

So gehen die Allergologen in Küstenstädten wie Castellón, Alicante und Murcia in den kommenden Wochen von Pollenwerten zwischen 1.000 und 1.200 Körnern pro Quadratmeter aus, während die Werte in Hauptstädten im Landesinneren fast 2.000 und in weiten Teilen der südlichen Meseta – dazu zählen die Autonomen Regionen Madrid, Castilla-La Mancha und Extremadura – über 4.000 Körner betragen könnten.

In einer Pressemitteilung hebt die Gesellschaft die „technologische Revolution“ im Bereich der Molekular- und Strukturbiologie hervor. Diese habe die Diagnose und Behandlung von Patienten mit allergischen Erkrankungen sehr beeinflusst. „In den vergangenen Jahren ist es dank der Molekulardiagnostik möglich geworden, das allergene Molekül zu erkennen, welches das Problem verursacht, um für jeden Patienten die bestmögliche individuelle Behandlung zu finden“, weiß Seaic-Präsident Ignacio Dávila. Für eine korrekte Behandlung sei eine exakte Diagnose durch einen Allergologen das A und O.

20 bis 25 Prozent der Weltbevölkerung leiden an einer allergischen Erkrankung - auch in Spanien sind Allergien auf dem Vormarsch

Nach Angaben der Weltorganisation für Allergien leiden zwischen 20 und 25 Prozent der Weltbevölkerung an einer Form von allergischer Erkrankung, die häufig erstmals schon bei Kindern auftritt. „Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass bis zum Jahr 2050 zwischen 40 und 50 Prozent der Bevölkerung von allergischer Rhinitis, eine der häufigsten Allergieformen, betroffen sein werden“, erklärt Dr. Ignacio García Núñez, Leiter der Abteilung für Allergologie am Quirónsalud-Krankenhaus in Valencia. Denn obwohl die ersten Allergien bereits vor 150 Jahren dokumentiert wurden, hat die Forschung bei allem Fortschritt bis heute kein Heilmittel gegen sie gefunden.

1859 musste Charles Harrison Blackley niesen. Der Arzt aus Manchester litt unter einer Sommererkältung, die mit Niesen, tränenden Augen und einer laufenden Nase einherging. Vage Theorien über Heuschnupfen gab es bereits, und Blackley war entschlossen, die Ursache für das Leiden aufzudecken. Eine beliebte Erklärung war zu der Zeit die sommerliche Hitze, eine andere das Ozon. Blackley erkannte jedoch, dass weder Ozon noch Hitze sein Niesen auslösten, sondern Pollen. Er machte sich daran, dies zu beweisen. Dazu führte er Selbstversuche durch.

Blühende Gräser
Blühende Gräser machen es Allergikern vor allem im Frühjahr schwer.  © Pixabay

Auch in Spanien sind Allergien schon seit Menschengedenken bekannt

Allergien sind nichts Neues. Es ist wahrscheinlich, dass das menschliche Immunsystem schon immer auf bestimmte harmlose Substanzen überreagiert hat. Die dabei ausgelösten Symptome wie Schwellungen, Ausschlag, gerötete Augen, laufende Nase und Kurzatmigkeit wurden bereits in historischen Dokumenten aus China, Ägypten und Griechenland im Zusammenhang mit Asthma-Symptomen dokumentiert.

Während des wissenschaftlichen Fortschritts des 19. Jahrhunderts entwickelte sich langsam ein Verständnis für Allergien. 1819 verfasste John Bostock eine detaillierte Beschreibung von Heuschnupfen und während der folgenden Jahrzehnte identifizierte Charles Harrison Blackley Pollen als Ursache dafür. Wirksame Mittel dagegen wurden allerdings nicht gefunden, und auch die Teile des Allergie-Puzzles konnten damals noch nicht zusammengesetzt werden. Anfang des 20. Jahrhunderts sollte sich das ändern.

Anfang des 20. Jahrhunderts bekamen Reaktionen auf bestimmte Stoffe einen Namen - nun sprach man von Allergie

1905 beobachte der österreichische Kinderarzt Clemens von Pirquet, dass Patienten, die eine Impfung mit Pferdeserum gegen Pocken erhalten hatten, sehr schnell und mit schweren Folgen auf eine zweite Dosis reagierten. Pirquet schloss daraus, dass die Symptome, die er Serumkrankheit nannte, auf eine Reaktion des Immunsystems zurückzuführen waren. Dieses produzierte Antikörper gegen Fremdstoffe, die das Serum enthielt. 1906 führte er einen neuen Begriff für diese Antiköper-Antigen-Interaktion ein. Von nun an sprach man von Allergie.

Das allgemeine Interesse an Allergien stieg sprunghaft an, und in ganz Europa und Amerika schossen Allergiekliniken wie Pilze aus dem Boden. In Experimenten wurde die Immuntherapie erforscht. In den 1950er Jahren machte das Wissen über Allergien einen großen Sprung, als die Mastzellen entdeckt wurden. Diese befinden sich in der Haut, in Blutgefäßen und dem Atmungssystem. In einer Mastzelle sind zwischen 500 und 1.500 Granula gespeichert, jedes davon vollgepackt mit Botenstoffen wie Histamin und allzeit bereit, Antigene anzugreifen. Diese Botenstoffe rufen die Symptome einer allergischen Reaktion hervor.

Die wirkliche Heilung von Allergien liegt auch heute noch in weiter Ferne - da macht Spanien keine Ausnahme

1967 identifizierten Wissenschaftler schließlich den Antikörper Immunglobulin E (IgE) als Ursache für die meisten allergischen Reaktionen. Weitere Erkenntnisse folgten. 1982 wurde dem Schweden Bengt Ingemar Samuelsson zusammen mit Sune Karl Bergström und John Robert Vane erstmals der Nobelpreis für die Arbeit an Leukotrienen, die Asthma und entzündliche Reaktionen auf Antigene hervorrufen, verliehen.

Heutzutage sind Allergien eine der häufigsten Ursachen chronischer Krankheiten. Fortschritte in der Immuntherapie und der Behandlung einiger Symptome wurden erzielt, die wirkliche Heilung von Allergien liegt aber noch in weiter Ferne.

Auch in Spanien: Bei älteren Menschen sind Immunisierung und Allergien schwer beeinflussbar

Zur Identifizierung krank machender Allergene genügt ein einfacher Test. Dazu werden tropfenweise allergenhaltige Lösungen am Unterarm aufgetragen und in die Haut geritzt. Entstehen Rötungen oder Quaddeln, hat man es mit einem Allergieauslöser zu tun. In der Regel folgt ein Bluttest zur Bestätigung der Allergie, und die Impf-Therapie kann beginnen. Die Hyposensibilisierung erfolgt durch wiederholte Injektionen kleiner Mengen Allergen. Damit gewöhnt sich der Körper an die allergieauslösende Substanz.

Nach Auskunft der Gesellschaft für Allergologie profitieren 90 Prozent der Patienten von dieser Behandlung. Voraussetzung sei allerdings, dass nicht zu viele verschiedene Allergien gleichzeitig bestehen und die Therapie über mindestens drei Jahre durchgeführt wird. „Je kürzer die Allergie oder das Asthma bei Beginn der Behandlung bestanden hat, umso besser sind die Aussichten auf Symptomfreiheit“, so die Gesellschaft. Bei länger bestehenden Allergien sei die Erfolgsrate geringer. Auch bei Menschen im höheren Alter sei die Immunisierung oft nur sehr schwer beeinflussbar.

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