Die drei waren die Badetoten 264, 265 und 266 in diesem wieder "normalen" Sommer in Spanien, mit seinen Besuchermassen, den Hitzerekorden. 260 Badetote registrierte Spanien im gesamten Jahr 2021, 2022 wurde diese Zahl bereits am 19. August übertroffen. Da starb als Nummer 261 ein 15-Jähriger, der am Donnerstag noch lebend von der Playa dels Cappellans in Salou bei Tarragona an der Costa Dorada in Katalonien geborgen werden konnte, während sein Vater und sein Onkel an Ort und Stelle starben.
Die Rettungsschwimmer hatten dort wegen der heftiger werdenden Wellen und Strömungen gerade die "Rote Flagge" in der hübschen Bucht gehisst, als sie von Badegästen auf die Männer in Seenot aufmerksam gemacht wurden. Doch schon die vorher gehisste Gelbe Flagge hätte als Warnung genügen müssen, wenn sich die Badenden an die Norm gehalten hätten, die mit ihr einhergeht: Aufenthalt im Wasser nur bis dorthin, wo man noch stehen kann, "und dabei der Kopf über der Wasseroberfläche ist", ergänzte die Guardia Civil in einem Tweet nach dem jüngsten Unglück, um "listillos", Schlaumeiern, zuvorzukommen.
Die Federación Española de Salvamento y Socorrismo (Rfess), der spanische Verband der Rettungsschwimmer und der Wasserrettung beklagt seit Jahren, dass selbst die Rote Flagge, die nicht nur Badeverbot, sondern "Strand geschlossen" bedeutet, häufig ignoriert wird, aus Selbstüberschätzung, Arroganz, Gleichmut und auch Unwissenheit. Wer erwischt wird, hat höchstens mit ein paar hundert Euro Geldstrafe zu rechnen, an der Costa del Sol zum Beispiel wird ein Übertreten des Badeverbots nur in zwei Gemeinden geahndet, anderswo lässt man das einfach unter den Tisch fallen. Das ist keine Abrschreckung.
"Wir beobachten eine etwas überschwängliche Euphorie im Badeverhalten sowohl junger wie älterer Menschen", erklärt Francisco Cano, Präsident des Rfess, was "natürlich mit dem Ende der Covid-Restriktionen zusammenhängt". Er fürchtet, dass Spanien die über 400 Badetoten von 2019 (als es, nur am Rande bemerkt, im übrigen noch keine Covid-Impfungen gab) dieses Jahr wieder erreichen könnte. "Daher müsse man alle Medien nutzen, um vor den Gefahren zu warnen und Leben zu retten".
Gefährliche Strömungen und im August und September zunehmende meteorologische Unruhe im und am Meer hätten nur geringen Einfluss auf die Opferzahlen. Der Großteil geht auf Unvorsichtigkeit und Selbstüberschätzung zurück. "Die meisten Todesopfer ertrinken nicht im klassischen Sinne, sondern an Herz-Kreislauf-Notfällen", so die Rettungsschwimmer. Brüske Temperaturunterschiede, Kreislaufüberlastung durch Alkohol, zudem "von vor allem älteren Personen, die vielleicht das ganze Jahr keinen Sport treiben", würden die meisten Badeunfälle auslösen. "So kommt es, dass das eigentlich ungefährliche Mar Menor in Murcia im Verhältnis mehr Opfer als die Strände am offenen Meer" hervorbringe. "Weil der Anteil alter Menschen dort viel höher" ist.
Die extremen Hitzewellen in Spanien 2022 hätten auch ihren Beitrag geleistet, "je höher der Temperaturschock für den Körper, umso höher ist das Gesundheitsrisiko", Cano schließt auch nicht aus, dass es daher an den besonders heißen Tag "Badeote" an Land gegeben habe. Über 2.000 Hitzetote registrierte Spanien allein im Juli. Und jetzt, Ende August, soll die momentan moderate Hitze nochmal zunehmen, damit steigen auch die Risiken am Meer wieder.
Doch auch die Jugend ist vor den Gefahren des Meeres oder der Binnengewässer nicht sicher, vor allem, wenn sie es übertreibt. Zu weites Hinausschwimmen, gefährliche Sprünge von Klippen und andere „Mutproben“ würden hier zuschlagen. „Doch auch junge Leute sind vor Kreislaufschocks und Herzproblemen durch radikale Temperaturwechsel“ nicht gefeit, so der Rfess. Bei Autopsien würden bei jungen Badetoten immer wieder Herzerkrankungen diagnostiziert, von denen die Eltern nichts wussten, die sich erst bei Anstrengung manifestierten. Doch auch gute Schwimmer und Athleten könnten sich nicht sicher fühlen: Am Ende ist „das Meer ist immer stärker“. Doch auch Bergbäche, „barrancos“, eigentlich trockene Flussläufe und andere Binnengewässer können zu Todesfallen werden.
Ein Drittel der Badetoten in Spanien sind über 65 Jahre alt. "Vor allem jene mit mehreren Vorerkrankungen sterben mitunter gleich in der ersten Strandlinie", erklärt lakonisch Ramsés Martí i Biosca, Experte für Seenotrettung von der Universität Barcelona. Es sei wichtig, dass diese Personen nur zu Zeiten ins Meer gingen, an denen auch Rettungsschwimmer anwesend seien und dass sie "immer begleitet" werden. Auch Hausärzte und öffentliche Kampagnen müssten dazu beitragen, die Lebensgefahr am Meer für ältere kranke Personen bewusst zu machen.
Hinzu kommt die mitunter prekäre Arbetssituation und Ausstattung der Rettungsschwimmer. Hunderte wurden dieses Jahr aus Argentinien angeworben, wo gerade Winter ist, weil man in Spanien nicht genügend ausreichend Qualifizierte fand, die für das angebotene Geld arbeiten wollten. 1.300 Euro ist im Schnitt der Monatslohn für einen Lebensretter in der brüllenden Hitze. Die Rettungsschwimmer-Dienste werden von den Kommunen für ein oder mehrere Jahre zu einem fixen Budget und definierten Bedingungen ausgeschrieben, alles was sich das Unternehmen dann an Kosten sparen kann, bedeutet Gewinn für den Firmeneigentümer.
Der höchste Abstand zwischen den einzelnen socorristas darf 200 Meter sein. Sein Gebiet muss ein Rettungsschwimmer mit dem Blick alle zehn Sekunden überschauen, "das ist fast unmöglich, durchzuhalten", so Ramses Martí, der auch kritisiert, dass das Gesetz eine "maximale Rettungszeit" von drei Minuten erlaubt, bis die Profis bei einem Opfer sein müssen. Jetskis und Drohnen seien zwar nette Ergänzungen, doch würden die nicht die Präsenz von ausreichend ausgeruhten, echten Rettungsschwimmern direkt am Strand ersetzen können.
Doch außerhalb der offiziellen Badezeiten (von Mitte Juni bis Mitte September meist 10 bis 19 Uhr, aber je nach Strand verschieden), an Gewässerabschnitten ohne Rettungsschwimmerdienste und vor allem an privaten Pools können auch die besten Lebensretter nicht eingreifen. "Kinder dürfen unter keinen Umständen und nicht einen Moment ohne Aufsicht am und im Wasser sein", so der Verband der Rettungsschwimmer und Wasserretter Spaniens. "Ein Blinzeln von der Strandliege unter der Sonnenbrille hervor ist keine Aufsicht", ergänzt einer der Retter resigniert in einem Interview in Canal Sur. Erst Anfang August starb in Andalusien wieder ein kleiner Junge, ein Dreijähriger, nachdem er am 31. Juli in den häuslichen Pool in Benalmádena an der Costa del Sol gefallen war. In kritischem Zustand lag er tagelang im Krankenhaus in Málaga. Die Eltern beteuerten laut Polizei, den Jungen "nur einen ganz kurzen Moment aus den Augen verloren zu haben".
Zum Thema: Badeurlaub in Spanien - Tipps um Badeunfälle wie Ertrinken zu vermeiden