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Erinnerung an Konzentrationslager von Albatera: Bauverbot auf Gelände

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Von: Stefan Wieczorek

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in Schild bietet Fotos, Zeichnungen und Texte auf Spanisch.
Ein Schild am Grundstück erklärt das ehemalige Konzentrationslager von Albatera. © Universität Alicante

Bis zu 15.000 Gefangene fasste das Lager in den Monaten nach Spaniens Bürgerkrieg. Die Regierung der Region Valencia will das Grundstück für den Besucherverkehr herrichten.

San Isidro - Was machen die Bagger mitten im Ackerland der Costa Blanca?, konnte man sich in jüngerer Vergangenheit am Ortsrand von San Isidro fragen. Die Antwort: Sie suchten Spuren des einstigen Konzentrationslagers von Albatera. Nur noch wenig erinnert an die Stätte, die dem faschistischem Regime nach dem Spanischen Bürgerkrieg 1939 mehrere Monate lang zur Klassifizierung von bis zu 15.000 Gefangenen diente. Doch darüber hinwegschauen kann in Spanien niemand mehr: Die Regierung der Autonomen Region Valencia hat im Frühjahr 2023 das Gelände in den Katalog der Gedenkorte zur Demokratischen Erinnerung aufgenommen. Damit steht das Grundstück nun unter verstärktem Schutz inklusive Bauverbot.

Costa Blanca: Bauverbot auf Gelände von Konzentrationslager Albatera

30 Jahre ist es her, dass sich San Isidro, ein im Süden der Costa Blanca gelegener Ort, von der Nachbarstadt Albatera trennte. Nochmals weiter weg gelagert ist die düstere Vergangenheit des Grundstücks, die nun langsam ans Licht kommt. In den vergangenen Jahren erforschten unter größter Vorsicht und Leitung der Regierung Valencia Wissenschaftler das Areal, auf dem sich unter anderem ein großes Massengrab befinden soll. Kurz nach Schließung des Konzentrationslagers Ende 1939 wurden dessen Elemente beseitigt, und das Gelände landwirtschaftlich erschlossen. Das neue Parzellierungs- und Bauverbot soll vehindern, dass noch weitere Elemente des traurigen Kapitels der spanischen Geschichte begraben werden.

Von April bis November 1939 wurden bis zu 15.000 Menschen, die es am Ende des Spanischen Bürgerkriegs nicht rechtzeitig schafften vor der Diktatur zu fliehen, in dem Konzentrationslager von Albatera eingesperrt. Bei menschenunwürdigen Verhältnissen auf dem viel zu engen Gelände starb eine noch unbestimmte Zahl der Inhaftierten durch Krankheit oder gewaltsamen Tod. Errichtet worden war die Stätte zunächst von der republikanischen Seite und diente ab 1937 während des Kriegs als Arbeitslager, das das Gefängnissystem modernisieren sollte. Dafür ließen die Ingenieure Miguel Cavero und Ángel Rodríguez das Gebiet Saladares trocknen und entsalzen sowie mit Flusswasser des Segura für die Landwirtschaft bewässern.

Zum Thema: Die Umbettung des Faschisten Primo de Rivera geschah im Sinne von Spaniens Historischer Erinnerung.

Psycho-Terror und Morde: Zumindest würdige Bestattung

Kein Vergleich war das ursprünglich republikanische Arbeitslager allerdings zum späteren faschistischen Konzentrationslager: Erdacht für 3.000 Häftlinge, kamen unter republikanischer Leitung maximal 2.000 unter, um im Lager Ackerbau zu betreiben oder Straßen zu bauen. Fünf der verhafteten Menschen starben laut offiziellen Daten. Anders nach Kriegsende im April 1939: Francos Seite übernahm und sperrte im Konzentrationslager 7.000 bis zu 15.000 Gefangene ein. Unzählige Menschen starben, oftmals auf willkürliche Weise getötet. Überlebende berichteten von psychischem Terror und Morden. Eine offen gezeigte republikanische Gesinnung soll besonders hart bestraft worden sein. Eine offizielle Zahl der Todesopfer fehlt.

Nach der Schließung des Konzentrationslagers Ende 1939 wurden die meisten seiner Spuren beseitigt, und die Erinnerung daran schwand in den Jahrzehnten der faschistischen Diktatur (bis 1975). Erst in jüngerer Vergangenheit entsanden in Spanien Gesetze und Initiativen auf nationaler und regionaler Ebene, die unter anderem Schauplätze des Franco-Terrors erschlossen und vielen in Massengräbern verscharrten Opfern des Faschismus eine nachträgliche, würdige Bestattung ermöglichten. Im Süden der Costa Blanca untersuchten Fachkräfte der Region Valencia den Boden nach Resten und Spuren der Gebäude und Massengräber des einstigen Konzentrationslagers. An dieses erinnert vor Ort zunächst nicht viel.

Gebogene Pfeiler, zerrissene Ketten

Vor einem Palmenhain in der Nähe des kleinen Bahnhofs ragen zwei umkettete Pfeiler in die Luft. Sie wirken wie einer der Strommasten daneben oder wie ein Teil der Bewässerungsanlagen. Unscheinbarer könnte das Denkmal am einstigen Konzentrationslager fast nicht sein. Immerhin ist in einigem Abstand eine Informations-Tafel angebracht, die unter anderem mit Fotografien und Zeichnungen veranschaulicht, wie das Lager aufgebaut war, und was sich in den Monaten nach dem Spanischen Bürgerkrieg an diesem Ort abspielte. Erst seit des spanischen Gesetzes zur Historischen Erinnerung gelang es linksgerichteten Kollektiven, die Geschichte des Lagers zumindest im Ansatz aus dem allgemeinen Vergessen auszugraben.

Nun soll die Erinnerung an das dunkle Kapitel weiter aufgefrischt werden. Entstehen soll ein Interpretationszentrum, um einen regelmäßigen Besucherverkehr zum einstigen Konzentrationslager an der Costa Blanca zu ermöglichen. Die Aufnahme in den Katalog der Gedenkorte und das damit einhergehende Bauverbot sichert das Gelände vor weiterer Verdrängung. Und so trägt das am Ort stehende Denkmal beim genaueren Hischauen auch eine Botschaft der Zuversicht: Die eisernen Pfeiler sind gebogen, die Kette dazwischen ist zerrissen. Das heißt: Der Horror ist vorbei. Ein freier Blick auf die Geschichte ist möglich.

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