Ein Tag in der Kulturhauptstadt Guardamar del Segura

Strand, Wald und viel Historie bietet Valencias regionale Kulturhauptstadt 2023 im Süden der Costa Blanca.
Guardamar del Segura – Die Costa Blanca erlebt schon im Frühling ihre ersten sommerlichen Tage. Die Sonne erwärmt die Luft angenehm auf über 20 Grad. Ein lauer Wind macht den Tag zum perfekten Zeitpunkt für Ausflüge – etwa, um die neue Kulturhauptstadt der Region Valencia kennenzulernen: Guardamar del Segura, gelegen circa 40 Kilometer südlich von Alicante, scheint auf den ersten Blick ein beschauliches Küstenstädtchen zu sein.
Costa Blanca: Kulturhauptstadt Guardamar del Segura als Ausflugsziel
Um die 15.000 Einwohner, einige Läden und Restaurants bietet die Stadt der langen Sandstrände. Man braucht gefühlt nicht länger als einen Vormittag, um alles gesehen zu haben. Doch auf den zweiten Blick hat unser Ausflugsziel noch einiges mehr zu bieten. Nicht ohne Grund wählte die valencianische Landesregierung Guardamar neben Geldo in der Provinz Castellón zur diesjährigen Kulturhauptstadt 2023. Unser Tag in Guardamar startet mit einem kleinen Rundgang durch den Ortskern. Zwischen kleinen Gassen und ruhigen Plätzen tummelt sich der normale Alltag der spanischen Einwohnerinnen und Einwohner. In Cafés genehmigen sich einige den Kaffee am Morgen, auf der Straßenseite gegenüber zerrt eine Mutter ihr Kind hinter sich her.
Trotz der vielen Menschen, die unterwegs sind, wirkt die Stadt nicht hektisch oder laut. Die erste Sehenswürdigkeit markiert die Stadtmitte. Direkt gegenüber des Rathauses, auf der Plaza de la Constitución, befindet sich die Iglesia Sant Jaume. Erbaut wurde die Ortskirche 1845 durch Ingenieur José Agustín de Larramendi, erkennbar schlicht und funktional geplant, wie es die damalige Zeit vorgab. Es ist keine Altstadt-Kirche, da der heutige Stadtkern damals völlig neu erbaut werden musste, nachdem 1829 das schwere Erdbeben das alte Guardamar fast komplett zerstört hatte. Heute ist Guardamar del Segura immer noch Umweltkatastrophen ausgesetzt. Vor allem die Gefahr von Überschwemmungen ist akut.
Geschichte der Dünen: Yoga in der Oase
Mittels der Seitentüren kann man die Kirche zeitweise auch außerhalb des Gottesdienstes besuchen. Ein paar Ikonen und Bilder rund um das Leben und Wirken des Ortspatrons Jakobus (Sant Jaume) schmücken das Innere, und das Besichtigen der kleinen Kirche nimmt nicht allzu viel Zeit in Anspruch. Auf dem gleichen Platz findet man die Tourismusinformation, in der es nicht nur Auskünfte gibt, sondern ein außergewöhnliches hauseigenes Museum: Sieben Räume stellen die Geschichte der Dünen und des Kiefernwaldes dar, die vor 120 Jahren eine besondere Rolle in der Ortsgeschichte spielten. Fast wäre Guardamar nämlich um 1900 im Sand versunken und rettete sich nur durch einen spektakulären Aufforstungsplan von Ingenieur Francisco Mira.
Nebenbei können auch die anderen Elemente der örtlichen Identität kennengelernt werden: Allem voran der Fischfang und die Landwirtschaft, die die typischen Produkte der Stadt, – Nyora i Llagostí (Ñora-Schote und Riesengarnele) – hervorbrachten. Die valencianischen Namen dieser Spezialitäten sind übrigens kein Zufall: Guardamar ist die südlichste Stadt, in der die Regionalsprache noch erklingt. Nur ein paar Schritte von der Plaza de la Constitución erreicht man völlig unerwartet eine Oase inmitten des Kleinstadt-Trubels. Der Parque Reina Sofía umfasst eine große Grünfläche mit Teichen, Spielplätzen und Sitzgelegenheiten. Besonders die Wasseranlagen stechen heraus. Diese beherbergen neben Enten und Schwänen auch Pfauen und Eichhörnchen. Diese natürlich nicht in den Teichen, sondern auf den Wegen, Büschen und Bäumen darum verteilt.
Beschädigte Strandsiedlung: Playa mit Blauer Flagge
Am Mittag ist der Park auch gut besucht. In der einen Ecke reckt sich eine Gruppe an Menschen, die gemeinsam Yoga macht. Auf dem Platz daneben unterhalten sich auf Rollatoren sitzende Senioren. Männer verweilen auf Bänken und spielen gegeneinander Schach. Lautes Quieken aus der Ferne ertönt. Ob es vom Kinderspielplatz oder einer Schar Entchen kommt, lässt sich zunächst nur erahnen. Weiter Richtung Westen erreicht man schnell den Strand. Wie Anfang März zu erwarten: Es ist nicht sehr viel los im noch kalten Wasser. Was auch am nicht gerade überwältigenden Zustand der Playa Babilonia liegt. Die einst so farbenfrohe Strandsiedlung ist wegen einer enormen Küstenerosion schwer beschädigt.
Immerhin gelangt man hier noch schnell zu Esskultur und Toiletten, und auch ruhigere Strandabschnitte wie die Playa Viveros, der 2022 mit der Blauen Flagge ausgezeichnet wurde, sind nicht fern. Dieser Strand liegt direkt hinter dem Parque Alfonso XIII und ist dadurch vom Stadtleben etwas abgeschotteter und privater. Der Park ist mit seinen 800 Hektar eine Wanderung absolut wert. Vom Duft der Kiefern in der Nase verlockt, kann man leicht außerhalb der Wanderwege in die Dünen geraten, sollte dies jedoch aus Rücksicht vor der zarten Flora und Fauna gerade im Frühling nicht tun. Die Kiefern verleihen dem Wald am Meer auch seinen Namen: La pinada. In stadtnahen Abschnitten trifft man auf Hunde mit ihren Besitzern, welche die wunderbare Natur für einen Spaziergang ausnutzen.
Zeugnis der wechselnden Geschichte
Gen Meer findet man Überreste einer Gärtnerei und verschiedener Forstgebäude, die auf Ingenieur Mira zurückgehen. Am Nachmittag wird es Zeit, das Castillo de Guardamar zu erklimmen. Durch die kurzen Wege ist man auch dort wieder schnell angekommen. Infotafeln erklären einige Fakten und Informationen über die Burg. Von christlicher Gründung 1271 unter König Alfonso X. dem Weisen bis zur Zerstörung durch die Erdbeben 1829 war der Burghügel von verschiedenen Vorfahren der heutigen Guardamarer bewohnt, über die auf dem Gipfel Infotafeln erzählen. Schnell schweift der Blick jedoch in die Ferne ab, denn der Ausblick über die Stadt, die Pinada, und die Strände hinweg ist traumhaft.

Die südliche Costa Blanca bis zum Kap von Santa Pola kann überblickt, während die nahe gelegene Stadt im Detail analysiert werden kann. Etwas weiter entfernt sind die letzten zwei Punkte auf unserer Guardamar-Liste. Der moderne Sporthafen liegt ganz im Norden. Dafür muss erst einmal der gesamte Parque Alfonso XIII durchquert werden. Am Puerto Deportivo ist vor allem die Umgebung einladend, allem voran der Pfad mit Panorama-Sitzbänken auf der ins Meer ragenden Hafenmauer. Allerdings ist das Bauwerk an der Mündung vom Fluss Segura nicht unumstritten, da er natürliche Strömungen aufhalten und so für die tragische Erosion der Playas sorgen soll.
Ruinen im weißen Sand von Guadamar
Ein eindrücklicher Programmpunkt des Ausflugs nach Guardamar sind noch die Spuren der Bewohner aus ganz alten Zeiten. Außerordentliche archäologische Reste aus verschiedenen Epochen befinden sich in direkter Strandnähe. Auf der Südseite der Stadt etwa sind zwischen der Playa del Mocayo und der Playa del Campo – eingebettet in grüne Oasenlandschaft und weißen Sand – Ruinen aus der Maurenzeit zu finden, unter denen sich nochmals tiefer römische Reste befinden. Ebenfalls die Mauren, aber auch Iberer und Phönizier hinterließen in den heutigen Ausgrabungsstätten in der Pinada ihre Spuren, was nicht zuletzt den Ausschlag für die Kulturauszeichnung der Region Valencia gab.
Eine gute Ergänzung zur Erkundung dieser Jahrtausendwurzeln der Stadt ist das archäologische Museum MAG in der Innenstadt. Es lohnt sich noch in der sonnigen Nebensaison den Ort zu erkunden, bevor der richtige Sommer wieder reichlich Touristen und ihren Trubel in die beschauliche Kulturhauptstadt an der Costa Blanca spült.