1. Costa Nachrichten
  2. Spanien
  3. Land und Leute

Palmsonntag mit weißen Palmen: Highlight der Costa Blanca vor Ostern

Erstellt:

Von: Stefan Wieczorek

Kommentare

EIn Mann und eine Frau halten in einem Palmenpark kunstvolle Wedel fest.
Palmsonntag in Elche: Die Premium-Palmwedel werden an den Papst und die Königin verschickt. © JOSE GARCIA DOMENE/Rathaus Elche

Am ersten Tag der Semana Santa lassen tausende Palmas Blancas Spaniens Küste erstrahlen. Die Heimat dieser kunstvollen Wedel ist die Palmenstadt Elche.

Elche - Mit tausenden weißen Palmen erfüllt Elche, die Palmenstadt der Costa Blanca, eine bewährte Tradition: „Domingo de Ramos, quien no estrena no tiene manos“, sagt man in Spanien, übersetzt: „Wer am Palmsonntag nicht etwas Nagelneues anzieht, der hat keine Hände.“ Übertragen bedeutet der Spruch: Wer keine neuen Kleider hat, hat entweder keine Arbeit, um sie sich zu leisten - oder keine Begabung dazu, sie sich zu nähen. Ein frisches, süß duftendes Kleid trägt daher Elche zum ersten Highlight der Semana Santa: Ein Kleid aus weißen Palmas Blancas schmückt die Prozessionen am Sonntag eine Woche vor Ostern.

Costa Blanca: Palmsonntag mit weißen Palmen - Highlight vor Ostern

Wie sehen sie aus, die weißen Palmen der Costa Blanca, die man in den Tagen vor dem Fest auf Straßenmärkten in der Palmenstadt und ihrer Umgebung erwerben kann? Von kleinen Zentimeterausgaben bis zu Kunstwerken von mehreren Metern reicht die Vielfalt, von glatten bis zu verzierten Varianten mit Spielereien der Flechtkunst, der keine Form oder Figur unmöglich erscheint. Das Kunsthandwerk der Palma Blanca ist eines der Markenzeichen und Touristen-Attraktionen der Palmenstadt. Die bedeutendsten Palmsonntags-Prozessionen, auch im Ausland, beliefert die Stadt Elche zur Semana Santa mit ihren weißen Palmen.

Papst Franziskus in Rom bekommt ein herausragendes Exemplar, genauso wie die spanische Königin Letizia und der Regierungschef in Madrid. Das Fest der weißen Wedel selbst blickt in der Stadt im Süden der Costa Blanca auf eine lange Tradition zurück. Die Prozession am Domingo de Ramos ist seit 1371 belegt, gehört zudem seit 1997 offiziell zu den touristischen Attraktionen von nationalem Interesse. Weit über 50.000 Besucher ziehen alljährlich zur Palmsonntags-Parade nach Elche. Ein herber Schlag war für das Flechtergewerbe der Palma Blanca die lange Auszeit der Semana Santa in der Pandemie.

Jesus kommt auf Esel: In erster Linie Karwoche

Bei allem Glanz, der in der Palmenstadt der Costa Blanca am Palmsonntag herrscht – die erste Passionsfigur der Karwoche, der die Prozession gewidmet ist, ist mitnichten die prachtvollste. Auf einem Bett aus Palmblättern reitet um 11 Uhr im Paseo de la Estación (nach dem Segen um 10.45 Uhr) ein einsamer Jesus auf dem Esel daher. In der Hand hält er ein schnörkelloses Bündel aus weißen Palmen. Nur der Heiligenschein weist auf seinen besonderen Status hin. Auch in Zeiten ohne Prozessionen kann man die charmante und im Detail kunstvolle Figur besichtigen: In der Basilika Santa María in der Innenstadt von Elche.

„Ein typisches Attribut von Märtyrern, also für ihren Glauben gestorbenen Menschen, ist die Palme in ihrer Hand.“

Joan Castaño, Archivar der Basilika Santa Maria

„Die Prozession am Palmsonntag ist eine Nachahmung eines uralten Brauchs der Kirche von Jerusalem“, erklärt Joan Castaño, Archivar der Basilika. Christen hätten schon früh dem Leidensweg Jesu an den echten Schauplätzen gedacht. „Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen“, sind die Worte aus dem Johannesevangelium, aus denen die Tradition mit den Wedeln stammt. „In der Antike waren Palmzweige das Symbol des Triumphes. Sportlicher Erfolge zum Beispiel“, erläutert der Experte aus der Palmenstadt. „Der Palmsonntag ist daher ein fröhliches Fest. Er läutet ja das Ende der Fastenzeit ein – und deckt sich mit dem Anbruch des Frühlings.“

Dennoch sei der Palmsonntag in erster Linie der erste Tag der Karwoche, und damit der Beginn von Jesu Weg zum Kreuz. Dies jedoch erfülle die Palme mit einem neuen Verständnis von Triumph. „Jesus errang den Sieg gegen den Tod“, glaubt Joan Castaño. „Und die Palme steht für Christen seitdem für diesen Sieg.“ Das zeige sich auch in der christlichen Kunst: „Ein typisches Attribut von Märtyrern, also für ihren Glauben gestorbenen Menschen, ist die Palme in ihrer Hand.“

Einmalige Tradition - Flecht-AG in der Schule

Ob die Technik der weißen Palmen an der Costa Blanca erfunden wurde, wisse Joan Castaño nicht. „Unser ältestes Dokument zu den Palmas Blancas stammt von 1423“, erläutert der Experte aus Elche. „In einem Protokollbuch ist von Verkäufern der weißen Palmen aus Elche die Rede, die in Valencia verhaftet wurden.“ Zweifelsohne sei die einmalige Tradition in Elche so stark gefördert worden wie nirgendwo sonst. „Im Norden Italiens verwendet man eine ähnliche Technik – aber in viel geringerem Umfang.“ Die Herstellung der weißen Palme erfordert ungemein viel Arbeit, Zeit und Geschick.

Gebleichte und geflochtene Palmenblätter im Korb in Spanien.
Weiße Palmen der Costa Blanca: Einmalige Tradition zu Ostern in Spanien © Ángel García

Nur dank des Aufwands zahlreicher Familienunternehmen kann die hohe Zahl der weißen Wedel hergestellt werden. Emeterio Vicente und Maruja Sabuco aus dem Vorort Pusol gehören zu diesen Palma-Blanca-Herstellern. Vicente lernte die Kunst vom Vater.

„Und ich habe es vor 35 Jahren von Emeterio gelernt“, sagt Maruja Sabuco, die mit der gemeinsamen Tochter Rosa María Vicente am Schulmuseum Pusol eine AG im Palmenflechten betreut. „Allein der Prozess zur Gewinnung der Blätter dauert neun Monate“, erklärt Sabuco. „Im Sommer schnüren wir zunächst die Palmkronen zusammen.“ Frei bleibt nur die oberste Spitze. Dieser im Valenciano nyugat genannte Vorgang sorgt dafür, dass die älteren Zweige die neu wachsenden zudecken und vom Licht abschneiden.„So findet keine Photosynthese statt.“ Die Zweige bleiben weiß.

Von Farbe befreit: Meist in Frauenhänden

Nach drei Monaten klettern die Palmengärtner der Costa Blanca wieder in schwindelerregende Höhen und führen den encapuchado durch. „Eine Kappe kommt auf die Spitze der Palme.“ Der aus Palmenblättern oder Plastik bestehende vellet ähnelt einer umgedrehten Tüte. So verpackt warten die Palmen sechs Monate auf den nächsten Besuch der Kletterer. Der Schnitt steht dann an. Einmal auf dem Boden angelangt, werden die Blätter sauber gebürstet. „Wir befreien sie von einer tabakähnlichen Farbe“, erklärt Sabuco. Dann werden die Blätter ihrer Größe nach geordnet.

Die Kategorie especial kann drei Meter überschreiten und ist für wichtige Persönlichkeiten oder ältere Familienmitglieder reserviert. Die cadetes, ab einem Meter Größe, tragen bei der Prozession Kinder , den cogollo oder die punta von einigen Zentimetern hingegen Kleinkinder. Bis zu acht Palma-Blanca-Klassen zählen die Hersteller der der weißen Palmen. Qualitativ schlechtere Blätter wie die faixa nutzen sie zur Herstellung von Hüten und Körben, oder binden damit die Palmen für das nächste Jahr ab.

„Die Blätter, die wir für gut befinden, legen wir für 24 Stunden in Chlorwasser“, erklärt Maruja Sabuco. Nach diesem Bad kommen sie in eine luftdichte und feuchte Dunkelkammer, in der sie Gasen aus verbranntem Schwefel ausgesetzt werden. „Ein höchst gefährlicher Vorgang“, warnt die Spanierin. „Doch die Palmen festigen dadurch ihre Farbe und gewinnen an Stärke.“ Die Blätter sind bereit für den Höhepunkt der Palmenkunst: den trenzado, das Flechten. Traditionell ist es eine Kunst, die meistens von Frauenhänden ausgeübt wird. Es sind auch Lehrerinnen, die die Arbeitsgruppe am Schulmuseum Pusol leiten.

Königshaus und Papst als Stammkunden

„Schon im Kindergarten geben wir den Schülern eine Einführung in die Palma Blanca“, erklärt Grundschullehrerin María José Marroquí. „Unser Ziel ist es, diese einmalige Tradition nicht zu verlieren.“ Zu Beginn des Unterrichts verteilt sie kleine weiße Blätter von Palmen auf den drei Tischen, an denen mehrere acht- bis elfjährige Kinder sitzen. „Und jetzt so, wie wir es gelernt haben“, sagt sie und hält das Palmenblatt hoch. Mit dem Fingernagel schneidet sie es an und teilt es in zwei Hälften, ohne sie komplett zu trennen. Die zwei entstandenen Flügel klemmt sie mal nach links, mal nach rechts, bastelt so eine gezackte Kette.

„Das ist nicht fair“, sagt ein Junge, dem die Arbeit schwer fällt. „Die Mädchen haben lange Fingernägel, wir Jungen nicht.“ Gusano, also Wurm, lautet der Name der eingeübten Figur. „Ein Standard-Element der weißen Palme“, erklärt Marroquí. „Wir nennen sie so, weil sie mit zwei Spitzen ausklingt, die wie Fühler eines Insekts aussehen.“ Unterdessen betreuen Maruja Sabuco und Rosa María Vicente die Schüler und basteln dabei in Minutenschnelle kleine Palmen-Türmchen. Das Ergebnis jahrelanger Übung. „Bei uns wurde daheim immer nebenbei eine Palme geflochten“, so Rosa María Vicente.

„Allein der Prozess zur Gewinnung der Blätter dauert neun Monate.“

Maruja Sabuco, Herstellerin von weißen Palmen aus Elche.

Eine weitere Familie, die seit vielen Jahrzehnten eine über die Stadtgrenzen hinausreichende Referenz für Palmenkunst ist, heißt Serrano Valero. In einer unscheinbaren Garagenwerkstatt an der Plaza Jaime in der Palmenstadt entstehen jedes Jahr die berühmtesten Kunststücke des Metiers. Die Königin und der Papst zählen zu den Stammkunden des Betriebs.

Tausende Wedel für Palmsonntag

Beim Besuch von costanachrichten.com ist in der Werkstatt von Serrano Valero gerade ein ausgefeiltes Werk in Arbeit. Entlang der meterhohen weißen Palme winden sich Schnörkel und Ketten und umspannen mehrere, mit Schläufchen versehene Stockwerke. Unterhalb der Spitze eine von Engeln umringte Jungfrau Maria. „Fast alles aus einem Stück gemacht“, schwärmt Vorarbeiterin Paqui Serrano, die sich nur einen Tipp entlocken lässt, wer denn der Kunde sein könnte. „Eine bekannte Person aus Spanien“. Mehrere Wochen habe die Herstellung gedauert, auf rund 1.000 Euro beliefe sich der Preis des Exemplars.

Den Großteil seiner weißen Palmen verkauft Serrano Valero im für den normalen Geldbeutel erschwinglichen Preissegment. „Von den geflochtenen Palmen verkaufen wir zum Palmsonntag zwischen 4.000 und 5.000 Stück. Wie viele der Glatten es sind, kann ich gar nicht sagen“, sagt Paqui Serrano. Die Familie verkaufe nicht nur innerhalb Spaniens, sondern viel nach Italien, und auch aus Deutschland gebe es Anfragen. Der in den Tagen vor der Karwoche - Semana Santa - fast durchgängig geöffnete Laden in der Werkstatt verkauft außer weißen Palmen auch Datteln und Flechtprodukte wie Körbe.

Lehrerin bringt Kindern Palmen-Flechten in Spanien bei.
Weiße Palmen der Costa Blanca: Einmalige Tradition - Kinder lernen das Flechten. © Ángel García

Trotz ihrer hohen Anforderungen sind die mit der Palmenkunst verwandten Berufe, die des palmerers oder der trenzadora, keine anerkannten Berufe an der Costa Blanca oder in Spanien. In einem Atelier im Huerto San Plácido, wo auch das Palmenhain-Museum beheimatet ist, bietet die Palmenstadt Elche aber immerhin Kurse zum Palmenflechten an. Die Regel ist es dennoch, die Kunstform zu Hause von den Älteren zu lernen. „Mir hat es meine Tante beigebracht“, erklärt Paqui Serrano. „Als Kind begann ich, ein wenig mitzuhelfen. Für mich war es ein Spiel.“

Datteln bis Palmas Blancas: Nachwuchs gesucht

„Auch heute noch gibt es in Elche Familien, die das ganze Jahr von der Palme leben“, sagt Lehrerin María José Marroquí aus der Palmenstadt. „Dann aber immer sowohl von den Datteln, von der Dekoration und auch der Palma Blanca – nicht aber nur von einem dieser Dinge.“ Heutige Hersteller der weißen Palmen gehen meist einem Hauptberuf nach und müssen diesen in den Wochen vor Palmsonntag mit der Fabrikation der weißen Palmen in Einklang bringen. „Am Tag bleibt uns manchmal gerade Zeit, einen Happen zu essen“, so Serrano.

Rosa María Vicente opfert ihre Freizeit gern für die Palma Blanca. Als hauptsächlich ausgeübte Arbeit eigne sich die Tätigkeit des Herstellens der weißen Palmen für sie jedoch nicht. „Schon das Hochklettern auf die Palme ist mir zu gefährlich“, bedauert die Expertin von der Costa Blanca. Erkrankte Pflanzen knickten manchmal unerwartet um, wenn ein palmerer an der Krone zugange sei.

Dass die einmalige Tradition einen Einbruch erleiden könnte, das befürchteten viele in der Palmenstadt schon seit Jahren. Zwar fanden die weißen Palmen in Zeiten vor der Corona-Pandemie jedes Jahr aufs Neue reißenden Absatz. Aber für Nachwuchs in der Palmengärtnerei und im damit verwandten Kunstgewerbe sorgten eben nur private Kreise oder eine außergewöhnliche Schule der Costa Blanca wie das Museo Pusol.

Kurz bevor wir uns dort verabschieden, treffen wir noch die vierjährige Rocío, die Tochter der Palmenflecht-Lehrerin Rosa María Vicente . „Rocío komm mal her, wie nennt man das hier?“, fragt die Mutter, und deutet an einer weißen Palme auf das zuvor in der Klasse gebastelte kleine Kunstwerk. Keine Sekunde vergeht, und schon hat die kleine Schülerin korrekt geantwortet: „Gusano“.

Aus weißen Palmen geflochtene Figur, Heiliger oder Engel.
Weiße Palmen der Costa Blanca: Einmalige Tradition aus der Palmenstadt. © Ángel García

Die weißen Palmen aus Elche werden an den Tagen vor Palmsonntag auf Straßenmärkten der Palmenstadt, aber auch in Alicante oder in Orihuela verkauft. Rund ums Jahr werden kleinere Modelle der Palmas Blancas in Elche im Souvenirladen El Cor d´Elx verkauft, in der Nähe des Palmenmuseums (Museo del Palmeral), in das unsere Route durch die Palmenoase Elche führt. Auch über die kulturellen und geschichtlichen Hintergründe des Palmen-Weltkulturerbes der Costa Blanca lesen Sie auf unseren Seiten.

Auch interessant

Kommentare