Dem leitenden Winzer Pablo Calatayud gelang es, einer schon verlorenen Weintraube wieder Leben zu schenken.
Die heimische Sorte Mandó passte im auf die Massenproduktion fixierten 20. Jahrhundert so gar nicht ins Konzept und wurde eigentlich restlos aus dem Boden gerissen. Der Weingut Celler del Roure brachte sie zurück und griff bei der Produktion des gleichermaßen traditionellen wie innovativen Weines auf eine jahrhundertealte Herstellungsmethode zurück. Das zartschmeckende Produkt gedeiht nämlich in Krügen, die in unterirdischen Gängen in die Felsen eingesetzt wurden.
Bei der Weinprobe ist das Durchlaufen des Tunnels ein Höhepunkt, wobei auch einige zeitgemäße Einfälle der Familie – etwa die Verwendung von Fahrradreifen zur Isolierung – Überraschungen bieten. Bei der Probe der Öko-Weine Maduresa, Parotet oder Safrà geht es weiter historisch bis prähistorisch zu. Beim Erläutern der iberischen Inschrift auf der Flasche etwa lernen Besucher, dass die vor zweieinhalbtausend Jahren verwendete Sprache zwar noch nicht entziffert wurde. Sehr wohl aber die Punkte zwischen den Zeichen. Offensichtlich handelte es sich um Mengenangaben beim Abschließen eines Handelsvertrags. Tatsächlich lag das Gebiet wohl schon in vor-iberischer Zeit auf einer Handelsroute, die von der Küste ins Herz der Halbinsel leitete.
Das tut sie sogar noch heute, in Form der Autobahn von Valencia über Albacete nach Madrid. Tradition und Innovation als immer wieder fruchtbringende Einheit zu nutzen, das kennen die teils jahrhundertealten Bodegas, die dem herbstgefärbten Hinterlandtal so viel Weinqualität bescheren: Antonio Arraez, Enguera, Celler del Roure, Clos de la Vall, Daniel Belda, Heretat de Tavernes, Los Frailes, Los Pinos, Rafa Cambra, Torrevellisca oder Vinos de la Viña – viele von ihnen, liebe- und stilvoll restauriert, würden als waschechte italienische Azienda Agricola durchgehen.
Wie kam es dazu, dass die toskanisch angehauchte Wein-Kultur in diesem Gebiet am Westrand Valencias bereits seit dem vierten Jahrhundert vor Christus (dafür sprechen Funde im Ibererdorf) so verwachsen ist? Offenbar liegt es an der geographischen Lage, die einerseits einen klimatischen Begegnungsraum zwischen der Küste und dem Hinterland schafft. Weinberge koexistieren, ganz natürlich, mit Wäldern und Getreidefeldern. Das liegt an der Luft, ihren Temperaturen und Windbewegungen, aber auch am Boden, der mit einer besonderen Mannigfaltigkeit – hier sandig, dort tonhaltig – aufwartet. Auch diese bereits in der Erde verortete Farbenvielfalt lässt sich beim Betrachten von den Panoramapunkten erkennen.
Bei allem Landschaftszauber der kleinen Toskana im Osten Spaniens sind jedoch auch die malerischen Dörfer nicht zu verkennen. La Font de la Figuera etwa brachte sogar große Persönlichkeiten hervor, wie Juan de Juanes, der im 16. Jahrhundert das famose Letzte Abendmahl aus dem Prado in Madrid malte. Wer in den Orten Herbstküche probieren will, kann in einem der Restaurants das typische Pilzgericht pebrassos bestellen. Lohnenswert ist ein Abstecher ins ethnologische Museum La Costera, untergebracht in einer nunmehr stillgelegten Bodega, voller historischer Objekte und Kuriositäten, darunter die Hintergründe der Coca-Cola, die in einem Nachbarort der Gegend entstanden sein soll.
Zum Spazieren lädt bei Moixent der „Stausee am Wäldchen“ ein. Im 18. Jahrhundert entstand im Zuge der landwirtschaftlichen Rationalisierung die Embalse del Bosquet. Von Herbsttupfern umgeben, ist die Anlage ein Beispiel, wie die Menschen der Gegend, die nicht mit großen Flussströmen gesegnet sind, es vermochten, wertvolles Nass geschickt einzusammeln. Möglicherweise nicht nur den Regen, sondern auch ein Tröpfchen mit himmlischem Aroma am siebten Tag der Schöpfung.
Der Besuch des iberischen Dorfes La Bastida de les Alcusses ist gratis. Geöffnet Dienstag bis Sonntag, 10 bis 14 und 16 bis 18 Uhr. Webseite bastidaalcusses.es
Das Museum La Costera besichtigt man mit einer kostenlosen Führung. Reservierung per Mail: museu@lafontde lafiguera.net, Webseite turismelacostera.com
Weinprobe und Führung im Gut Celler del Roure reserviert man über die Kontaktdaten auf alcusses.es.