Im nicht weit entfernten Pego, ebenfalls an der Costa Blanca, öffnet Fernando Ceresola das Tor zu einer großen, von außen etwas heruntergekommenen Halle. „Alle, die hier hineinschauen, sind überwältigt“, sagt er und zeigt auf die imposante Holzmühle. Auch hier wurde Mehl gemahlen, sogar noch bis ins Jahr 2014. Nicht Weizen wurde hier in die Trichter geschüttet, sondern Johannisbrotsamen – noch so ein Produkt, dass zwar seine besten Zeiten hinter sich hat, langsam aber wieder wertgeschätzt wird. Die Mahltechnik ist die gleiche wie beim Weizen, die Mühle ähnelt der in Teulada, ist allerdings besser erhalten. Fernando Ceresola war hier von Anfang an, also seit Ende der 50er Jahre, der Müller. Bis zu seiner Rente, wenige Jahre, bevor die Mühle dichtmachen musste.
„Ich habe den Beruf überhaupt nicht gemocht“, sagt er überraschenderweise und trübt damit ein wenig die Begeisterung, die einen erfasst beim Blick auf die beeindruckende Holzkonstruktion – deren Funktionen kaum jemand besser beschreiben könnte als der ehemalige Pegoliner Müller. Er geht zum ersten Trichter, hier wurden die angelieferten Johannisbrotsamen, die schon mit einer anderen Mühle aus ihrer Schote geschält worden waren, hineingefüllt, gingen dann durch drei Zerkleinerungsmaschinen und weiter zur den Mühlsteinen der Steinmühle. „Der untere Stein ist fest angebracht, der obere drehte sich“, sagt Ceresol. Das Problem: Johannisbrotsamen sind keine Weizen-Körner, sie sind härter, widerstandsfähiger – und entsprechend schnell nutzte der Mahlstein ab. „Drei Mal schneller als bei Getreide“, weiß Ceresola. Nach 20.000 Kilogramm zu Mehl verarbeiteten Samen musste der Stein aus der Mühle gewuchtet und mit einer Art Hammer aufgerauht werden. Keine leichte Angelegenheit, schon allein wegen des Gewichts. „Es gibt nur noch wenige, die diese Arbeit beherrschen“ sagt der Ex-Müller – an der Costa Blanca sei er einer von ihnen.
Doch weiter zur Mühle. Nach dem Mahlen zwischen den beiden Steinen war das Ergebnis noch nicht fein genug für den Handel, weshalb eine nächste, auf einer Anhöhe stehende Maschine zum Einsatz kam, von der aus es durch verschiedene Siebe, Unterlagen, Röhren und Trichter schließlich runter zu den elektrischen Eisenmühlen ging. Dort wurde das Mehl so fein gemahlen, wie es der damalige Hauptkunde, Jesus Navarro S.A., besser bekannt als Carmencita, haben wollte, um damit seinen Nachtisch, den klassischen Flan Chino Mandarin, andicken zu können.
Es sei eine von insgesamt nur vier Johannisbrot-Mühlen in Spanien gewesen, sagt Ceresola. Im Vergleich zu anderen, zum Beispiel der im valencianischen Silla, war sie klein, und als 2014 mit dem Flan Chino Mandarin ihr Hauptkunde von einem anderen Unternehmen aufgekauft wurde, das auf industriellere Dickungsmittel setzte, musste die Mühle schließen.
Diesem Schicksal, das viele traditionell hergestellte Produkte ereilte, will man im wieder nur wenige Kilometer entfernten Jesús Pobre entgegenwirken. Auch hier steht in einem Dorfhaus eine, wenn auch im Vergleich zu ihren wuchtigen Kollegen aus Teulada und Pego kleine, elektrisch betriebene Holzmühle. Doch hier ist es höchstens der Staub von frisch gemahlenem Mehl, der sich auf die noch neu wirkende Mühle legt. Statt Stillstand und Verfall sieht man hier ratternde Räder, Siebe drehen Runden, Weizenkörner werden in den Trichter gekippt, das fertige Mehl strömt in Eimer und wird für den Verkauf abgepackt. „Das System ist das gleiche wie bei den alten Mühlen“, sagt Josep Gordillo, einer der Freiwilligen des Projekts „Blat de la Marina“ (Weizen aus der Marina), das seit einigen Jahren verlassene Felder im Norden der Costa Blanca mit vier heimischen, schon fast in Vergessenheit geratenen Weizensorten, füllt.
„Das hier ist eher ein soziales Projekt, davon leben können wir nicht, wir alle haben noch einen Beruf“, betont er. Ist doch auch das Ergebnis kein Massen-, sondern ein exklusives Produkt, das an der Costa Blanca vor allem unter ausgesuchten Restaurants oder auch Bäckereien, die schon etwas Besonderes bieten müssen, um überleben zu können, Kunden findet. Aber immerhin: 10.000 Kilo mahlt die Mühle mittlerweile im Jahr, und zwar traditionell mit dem Stein. „Bei dieser Methode ist der Eingriff minimal, alle Inhaltsstoffe des Korns bleiben erhalten. Deshalb ist das auf Steinen gemahlene Mehl auch dunkler als das industrielle“, sagt Gordillo, während Juan Signes, der freiwillige Müller von „Blat de la Marina“, einen weiteren Eimer Weizen-Körner in den Trichter füllt und es erneut zu rattern beginnt. Nach all den Industrieleichen tut es gut, eine Mühle in Betrieb zu sehen – so wie es sich Irene Pérez für ihre Mühle in Teulada wünscht.