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Dénia: Als Orchester in Spanien noch eine Männerdomäne waren

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Von: Andrea Beckmann

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Verschiedene Personen, die von der Stadtverwaltung Dénia geehrt wurden
Die Stadt Dénia ehrte die ersten Mädchen, die in das Orchester eintraten sowie den damaligen Orchesterleiter feierlich © Rathaus

In spanischen Musikorchestern spielten noch in den 1970er Jahren ausschließlich Männer. Frauen waren nicht erwünscht. In Dénia kam es 1978 zu einem Eklat, als die ersten Mädchen Musikinstrumente in die Hand nahmen.

Dénia – Dénia 1978. Ein empörter Vorstand wehrt sich mit aller Macht dagegen, dass auf Initiative des Orchesterleiters Pep Sendra Mädchen in die Musikschule aufgenommen werden. Die untersteht der örtlichen Musikkapelle (banda) – zu jener Zeit eine reine Männerdomäne. „Unter den Vorstandsmitgliedern war kein einziger Musiker“, betont Alicia García. „Es waren ausschließlich ältere Männer, die Freude daran hatten, dass in Dénia auf öffentlichen Plätzen und in den Gassen Musik gemacht wurde.“

Die mittlerweile 51-Jährige war es, die den Stein des Anstoßes lieferte. Sie war mit acht Jahren das allererste Mädchen, das in der Musikschule von Dénia unterrichtet werden wollte. Zum Entsetzen des Vorstands, der schließlich geschlossen zurücktrat. „Das waren konservativ denkende Männer, die stur an ihren Prinzipien festhielten“, sagt García. „Ich möchte nicht wiederholen, wie frauenfeindlich sie sich äußerten, als wir Mädchen hinzukamen.“ In Spanien als Frau in ein Orchester? Das war zu der Zeit einfach nicht möglich. Die Orte an der Costa Blanca machten da keine Ausnahme.

Dénia 1978: Der gesamte Vorstand einer Musikschule trat zurück, als der Orchesterleiter Mädchen in das Orchester aufnahm

Ihr älterer Bruder, der in dem Orchester Trompete spielte, sei es gewesen, der sie damals zur Musikschule brachte. „Er hat mich gar nicht erst gefragt, sondern mich an der Hand genommen und mitgenommen“, sagt die Spanierin. Sie habe wie ihr Bruder auch Trompete spielen wollen. „Aber das schickte sich damals für eine Frau nicht. Mir blieb keine andere Wahl, als Querflöte zu lernen.“ Eine richtungsweisende Fügung. García fand Gefallen an dem Instrument, machte ihr Hobby später zum Beruf und ist als freiberufliche Musiklehrerin im Raum Dénia unterwegs.

Als sie kurze Zeit später ihre Freundin Pilar Gilabert überreden konnte, ebenfalls zum Unterricht in die Musikschule zu kommen, und auch Isabel Conejero und Julia Molinillo aus der Nachbarschaft dazustießen, war es mit der Geduld der Vorstandsmitglieder vorbei. „Sie schmissen wegen uns hin“, erzählt García. „Die waren so verbohrt, dass sie uns nicht akzeptieren konnten.“

Die ersten Mädchen von Dénias Orchester mit Leiter Pep Sendra.
Ein Erinnerungsfoto aus vergangenen Zeiten: Die ersten Mädchen von Dénias Orchester sowie Leiter Pep Sendra. © Banda Dénia

Im Orchester von Dénia änderte sich mit dem Einzug der Mädchen auch der Umgangston

So wie Alicia García denkt auch Pilar Gilabert gerne an die Zeit in der banda zurück. „Der Probenraum des Orchesters war unser zweites Zuhause. Wir hatten so viel Spaß, dass wir jede freie Minute dort verbrachten. Die Leute waren begeistert, wenn sie uns in der Uniform auf dem Weg zur Probe sahen, und machten Fotos von uns“, erinnert sie sich. Sie habe Jahre später im Orchester den ersten Kuss bekommen. „Und ich meinen späteren Mann kennengelernt“, fällt ihr Garcia lachend ins Wort.

Mit dem Einzug der Musikerinnen in die banda habe sich viel geändert, sagt der damalige Leiter Pep Sendra. Im Gegensatz zum Vorstand sei es für ihn selbstverständlich gewesen, dass auch Mädchen ein Instrument spielten. „Es gab ein Vorher und ein Nachher in dem Orchester“, erzählt Sendra der CN. „Unter den Musikern herrschte ein rüder Ton. Als dann aber die Mädchen hinzu kamen, achteten sie auf einmal sehr auf den Umgangston.“ Er habe die Musikkapelle mit nur einer Handvoll Musikern übernommen. „Meinem Vorgänger waren die Leute weggelaufen und ich suchte an allen Schulen nach Nachwuchs.“ Sendra, der aus Pego im Landesinnern der Costa Blanca stammt, hatte bereits im Orchester seines Wohnorts Mädchen zugelassen. „Für mich war das ganz selbstverständlich“, sagt er. „In Pego war es auch gut aufgenommen worden, aber in Dénia anfangs ein Riesenproblem.“

Dénia wurde schon bald um ein Kinder- und Jugendorchester reicher

Doch der Erfolg gab dem Leiter recht. Innerhalb weniger Wochen hatte er über 40 neue Musiker und Musikerinnen für seine banda in Dénia geworben und gründete in dem Küstenort schon bald ein Kinder- und ein Jugendorchester. Auch dieses Engagement würdigte jetzt Dénias Stadtverwaltung, die Sendra zusammen mit den „vier mutigen Mädchen“ feierlich ehrte. Die vier Musikerinnen stehen auch für eine „Wende“ in der Frauenpolitik, in der sich in mehr als 30 Jahren so einiges getan hat.

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