Diese „Überraschung“ rührt daher, dass „die Deutschen“ bis dato meist erst in ein Gebiet einrückten, wenn es als „sicher“ galt, also weitgehend enthispanisiert wurde, der Rasen auf Gardemaß geschnitten und ein Aldi sowie ein deutschsprachiger Arzt in erreichbarer Nähe sind. „Der Deutsche“ bringt sein Geld und seine Klischees nicht einfach so ins wilde Hinterland von Spanien, er schickt die Holländer wie Pfadfinder vor und beklagt sich anschließend über die gestiegenen Immobilienpreise. „Die Deutschen kennen wir im spanischen Hinterland generell kaum, die gingen immer an die Küste, an der Levante genauso wie in Málaga“, erklärt der Makler etwas pauschalierend. Denn natürlich gibt es Deutsche im Inland, doch die machten, schon aus Prinzip, lieber einen Bogen um Immobilienmakler.
Es ist sozusagen die abschließende Corona-Welle, die jetzt über Spaniens Hinterland rollt, aber diesmal eine, die Gewinn bringt, neues Leben. Postcoronale Kolonisation: "Die Neuen kommen zum arbeiten her", sie "suchen die Ruhe des ländlichen Lebens, Sonne, ein bisschen authentisches Spanien und eine 5G-Verbindung", glaubt Diego Quero, der für die örtliche Zeitung "El Comarcal" arbeitet. Wer seit Corona auf teletrabajo, Home Office, umstellen durfte oder musste, der kam bald auf den Trichter, das auch in idyllischer Umgebung, in milderem Klima machen zu können. Die Bürgermeister des Valle hätten viel für die digitale Erneuerung getan, ergänzt er. Als Teil der Maßnahmen gegen die Landflucht in Spanien.
Dass "die Deutschen kommen", ist für den Immo-Makler Ríos ein Zeichen "für mehr", denn es gibt viele Deutsche und die suchen meist Objekte "für immer", kaufen vor mieten, ganze Häuser statt kleine Wohnungen. "Es sind Paare ab 35 Jahren, oft mit Kindern, leben vom Home Office oder haben eigene Firmen, die laufen, die sich von hier steuern lassen", schätzt der Makler ein. Die Kinder kommen hier in die Schulen, die spanischen, nicht internationale. Die Deutschen sind gekommen, um zu bleiben.
Jeder zweite Immobilienverkauf gehe mittlerweile an Ausländer, so eine Quote gab es hier noch nie. Dass es für die Einheimischen bald teurer wird in den beschaulichen Dörfern, befürchtet kaum jemand. Es gebe gar nicht so viel Objekte oder Platz zum Bauen, als dass es eine Art "Überbevölkerung" mit Bauboom geben könnte. Im Gegenteil, eher schon erhoffen sich die Alteingesessenen einen Aufschwung für die lokale Wirtschaft, sei es für die Gastro, die Landwirtschaft, die Autowerkstatt "de toda la vida", weniger Leerstand. Und vielleicht bleiben so auch wieder einige Kinder der "Ureinwohner" vor Ort, anstatt in die Großstädte wegen oft prekärer Jobs zu ziehen und sich zu verlieren. Die Post und die Bank überlegen sich vielleicht auch nochmal die Schließung ihrer Filialen und eine Arztpraxis könnte sich auch installieren.
Zum Thema: Wahlheimat Spanien? Mit welchen rechtlichen Vor- und Nachteilen Residenten rechnen müssen
Und sollten doch noch viel mehr Ausländer kommen, zerstören sie in Kooperation mit gierigen Baufirmen und skrupellosen spanischen Funktionären nach den Küsten seit den 1960er Jahren nun auch das Inland? Zuzutrauen ist es diesem Konglomerat bestimmt, aber das muss diesmal nicht so kommen. Es gibt schließlich noch viel "leeres" Spanien, uralte Dörfer mit gewachsenen, aber verlassenen Strukturen, aber auch ein neues Bewußtsein für deren Charme, in Andalusien, in der Mancha, der Extremadura, Dörfer mit viel Spanien und wenig Meer (aber in Reichweite), aber manchmal schon 5G. Man muss nur den Holländern folgen.
Spanien: Über die Dörfer - Tipps für Urlaub und Auswandern