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El Puerto de Santa María bei Cádiz: Hotel-Invasion soll Spaniens Sherry-Hafen retten

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Von: Marco Schicker

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Bodega Obregón in El Puerto de Santa María
Die Bodega Obregón in El Puerto de Santa María. Wird der Charme der alten Hafenstadt die Investionswelle überleben? © WaltieD/Wikimedia Commons

Es gibt große Pläne für die kleine Perle in der Bucht von Cádiz. Ob massive Investitionen in Hotels den Verfall von El Puerto de Santa María aufhalten oder nur variieren werden, ist noch offen. So oder so: Besuchen Sie El Puerto, solange es noch steht!

Cádiz – El Puerto de Santa María, der stadtgewordene Sherry-Hafen an der Bucht von Cádiz, ist bei Kennern vor allem wegen seiner Patina beliebt, seines schwer benennbaren und gerade deshalb so zauberhaften Wesens. Wie ein guter Sherry also, ein palo cortado, der sein innerstes Wesen gut behütet. Den Ruf, etwas abgeblättert und faltig zu sein, hat die uralte Stadt schon länger, und nicht wenige bedauern bereits seit Jahrzehnten den schleichenden Verfall alter Bausubstanz, einschließlich der Kronjuwelen der Stadt, der alten Bodegas und palacetes, der Stadtpalais, aber vor allem auch die Entvölkerung des historischen Stadtkerns.

Natürlich dominiert die bekannteste, Bodegas Osborne, das Stadtbild und die Tourismus-Angebote, schließlich wurde Bodegas Osborne, einer ältesten Familienbetriebe Spaniens hier vor 250 Jahren als Depot am Hafen gegründet. Und dieser Sherry-Hafen, bestückt durch die Bodegas von Jerez, das keine zehn Kilometer entfernt liegt, prägt das Bild der Hafenstadt seit dem 18. Jahrhundert, gab El Puerto ein Alleinstellungsmerkmal, zog es doch zuvor beim Ringen um die Vorherrschaft der Überseefahrten regelmäßig den Kürzeren gegenüber den Häfen in Sevilla, Cádiz, Sanlúcar.

Sherry allein macht nicht satt: El Puerto de Santa María im Schatten von Cádiz

Doch die Randlage an der Mündung des Guadalete und der Bahía von Cádiz blieb, trotz S-Bahn-Anschluss an die Provinzhauptstadt. Von Sherry allein wird, auch wenn das für jene schwer zu glauben ist, die sich einmal tiefer in die Fässer dieses Göttertrunkes begeben haben, eine Stadt nicht richtig satt. Nur teilweise konnte der Tourismus reüssieren, El Puerto blieb Geheimtipp, doch im Unterschied zum nahen Chipiona, das mit seiner Randlage quasi schon im Atlantik ganz zufrieden scheint, genügt das der Stadtregierung El Puertos nicht.

Castillo de San Marcos von El Puerto
Selbst hinter den Mauern des Castillo de San Marcos von El Puerto verbirgt sich eine Sherry-Bodega. © Turismo de Cádiz

Was gibt es hier außer dem Sherry zu erkunden? Die Iglesia Mayor Prioral, ein opulent barockisierter Renaissancebau der Medinaceli ist vielleicht eine der prototypischsten Kirchen Spaniens überhaupt, die Verkörperung des Genres in seiner iberischen Ausformung, frömmelnde Hysterie in Stein gehauen. Dann wäre da das kuriose Castillo San Marcos, das in seinen Burgmauern eine Bodega mit Kanonen bewacht und Waffen so auch einmal einen gerechten Sinn gibt. Pittoresk hingegen ist die recht kleine, aber sehr karibisch anmutende Altstadt und natürlich der Charme des Sherry-Hafens, der besser riecht als er aussieht. Gemeint ist hier der wirkliche Sherry-Hafen, nicht die Marina samt Ferienwohnungszeile gleichen Namens.

All das und auch der Flamenco und die Strände genügten El Puerto dennoch nicht, um ganzjährig gegen Cádiz anzukommen. Das war für Touristen gut, die hier besonders preiswert einkehren und übernachten konnten, für das Geschäft war es weniger günstig, etliche Familien-Bodegas gaben auf, kleine Geschäfte und Bars im eigentlich als quirlig angelegten Altstadtviertel El Peprichye folgten, dann auch die Kreativen und die normalen Einwohner im Rest des Zentrums. Das Salzwasser frisst hier unten schnell und unerbittlich an den Fassaden. El Puerto ist kein ungeschliffener Diamant, sondern eine stumpf gewordene Perle Andalusiens.

Puerto del Sherry
Heißt zwar Puerto del Sherry, ist aber keiner. Ferienhäuser und Strand, daneben der Marina-Sporthafen von El Puerto de Santa María. © Ayuntamiento de El Puerto

Ob die aktuell angekündigte Welle von Hotelinvestitionen und -invasionen, hervorgerufen durch die Preislawine im geographisch streng limitierten Cádiz und den neuerlichen allgemeinen Boom im spanischen Tourismus, wirklich die Ideallösung sein werden, darf man bezweifeln. Denn das Scheitern der schlagartigen Touristisierung alter Städtchen, denen dann AirBnB meist noch den Todesstoß versetzt, sah man schon zu oft, und es ist auch folgerichtig, weil Stadtoberhäupter gerne Maß und Verstand verlieren, wenn Investoren, von denen man noch viel weniger Überblick oder Sensibilität erwarten oder einfordern kann, mit Scheinchen und Arbeitsplätzen winken. Doch El Puerto de Santa María sieht genau dem jetzt entgegen und erhofft sich Geld und Menschen und eine strahlende Zukunft.

Hotels, Hotels, Hotels: Massive Investitionen in El Puerto de Santa María

Konkret geht es um neue Hotels in alten Gebäuden in allen Kategorien und Größen. Die deutsche Hotel-Gruppe Lindner, Betreiber von knapp drei Dutzend City-, Kongress-, Spa- und Golfhotels und Ressorts, interessiert sich für mehrere historische Gebäude in El Peprichye, Firmeneigner Otto Lindner habe sich in die Altstadt „verliebt“, sagt der Bürgermeister und plane ein „Mega-Projekt“ von Altstadt bis Hafen, schreibt die lokale Presse, an der das deutsche Architektenbüro beteiligt sein soll, das auch für die emblematischen „Pilze“, die Panorama-Brückenanlage in Sevilla verantwortlich zeichnet.

Blick in die Bodega Osborne in El Puerto de Santa María
Hier ist Patina erwünscht: Blick in die Bodega Osborne in El Puerto de Santa María. © Bodegas Osbourne

Des Weiteren baut Esel Puerto Inversiones ein Vier-Sterne-Haus in einen Altstadt-Palacio, die örtliche Familie Herrera baut ein neues Hotel für die Soho-Kette in der Calle Luna, das zweite Soho-Haus in der Stadt. Für 37 Millionen Euro will Río Marina auf der linken Flussseite im moderneren Teil der Stadt ein großes Hotel-Ressort errichten. Gleich neben dem Castillo de San Marcos wartet die alte Lonja, eine schlossartige Markthalle aus dem frühen 18. Jahrhundert, auf einen Investor, der Stadtrat will auch daraus ein Hotel machen. Zwei weitere neue Hotels entstehen an den Stränden, „die ersten neuen seit den 70er Jahren“, freut sich der Bürgermeister.

Eines wird an der Playa Cangrejo Rojo vom Global Player Acciona auf dem Gelände des alten Club Mediterráneo gebaut, für, halten sie sich an der Sherry-Flasche fest, rund 200 Millionen Euro: 101 Zimmer, 70 Ferienwohnungen, 104 normale Wohnungen und 70 besonders stylische Apartments. Lächerliche 25 Millionen Euro hingegen soll das Vier-Sterne-Haus mit 170 Zimmern der Gruppe Armuño an der Bahía Blanca kosten. Über eine Neueröffnung des Golfplatzes wird verhandelt, auch die alten Campingplätze Caballo Blanco oder La Puntilla sollen mit Hotels bestückt werden.

El Puerto de Santa María solle „365 Tage im Jahr Touristenziel“ und „Andalusiens Hauptdestination für Investitionen“ werden, so Bürgermeister Germán Beardo von der Volkspartei. Er will die kleine Perle in einen Diamanten umschleifen. Was wäre die Alternative? Andalusiens Landesregierung baut die historische Bodega de Cortijos gerade für knapp fünf Millionen Euro zu einem Gerichtspalast um. Das ist auch kein schöner Anblick. So oder so: Besuchen Sie El Puerto – so lange es noch steht!

Zum Thema: Cádiz, bunte wilde Schönheit am Atlantik.

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