All das und auch der Flamenco und die Strände genügten El Puerto dennoch nicht, um ganzjährig gegen Cádiz anzukommen. Das war für Touristen gut, die hier besonders preiswert einkehren und übernachten konnten, für das Geschäft war es weniger günstig, etliche Familien-Bodegas gaben auf, kleine Geschäfte und Bars im eigentlich als quirlig angelegten Altstadtviertel El Peprichye folgten, dann auch die Kreativen und die normalen Einwohner im Rest des Zentrums. Das Salzwasser frisst hier unten schnell und unerbittlich an den Fassaden. El Puerto ist kein ungeschliffener Diamant, sondern eine stumpf gewordene Perle Andalusiens.
Ob die aktuell angekündigte Welle von Hotelinvestitionen und -invasionen, hervorgerufen durch die Preislawine im geographisch streng limitierten Cádiz und den neuerlichen allgemeinen Boom im spanischen Tourismus, wirklich die Ideallösung sein werden, darf man bezweifeln. Denn das Scheitern der schlagartigen Touristisierung alter Städtchen, denen dann AirBnB meist noch den Todesstoß versetzt, sah man schon zu oft, und es ist auch folgerichtig, weil Stadtoberhäupter gerne Maß und Verstand verlieren, wenn Investoren, von denen man noch viel weniger Überblick oder Sensibilität erwarten oder einfordern kann, mit Scheinchen und Arbeitsplätzen winken. Doch El Puerto de Santa María sieht genau dem jetzt entgegen und erhofft sich Geld und Menschen und eine strahlende Zukunft.
Konkret geht es um neue Hotels in alten Gebäuden in allen Kategorien und Größen. Die deutsche Hotel-Gruppe Lindner, Betreiber von knapp drei Dutzend City-, Kongress-, Spa- und Golfhotels und Ressorts, interessiert sich für mehrere historische Gebäude in El Peprichye, Firmeneigner Otto Lindner habe sich in die Altstadt „verliebt“, sagt der Bürgermeister und plane ein „Mega-Projekt“ von Altstadt bis Hafen, schreibt die lokale Presse, an der das deutsche Architektenbüro beteiligt sein soll, das auch für die emblematischen „Pilze“, die Panorama-Brückenanlage in Sevilla verantwortlich zeichnet.
Des Weiteren baut Esel Puerto Inversiones ein Vier-Sterne-Haus in einen Altstadt-Palacio, die örtliche Familie Herrera baut ein neues Hotel für die Soho-Kette in der Calle Luna, das zweite Soho-Haus in der Stadt. Für 37 Millionen Euro will Río Marina auf der linken Flussseite im moderneren Teil der Stadt ein großes Hotel-Ressort errichten. Gleich neben dem Castillo de San Marcos wartet die alte Lonja, eine schlossartige Markthalle aus dem frühen 18. Jahrhundert, auf einen Investor, der Stadtrat will auch daraus ein Hotel machen. Zwei weitere neue Hotels entstehen an den Stränden, „die ersten neuen seit den 70er Jahren“, freut sich der Bürgermeister.
Eines wird an der Playa Cangrejo Rojo vom Global Player Acciona auf dem Gelände des alten Club Mediterráneo gebaut, für, halten sie sich an der Sherry-Flasche fest, rund 200 Millionen Euro: 101 Zimmer, 70 Ferienwohnungen, 104 normale Wohnungen und 70 besonders stylische Apartments. Lächerliche 25 Millionen Euro hingegen soll das Vier-Sterne-Haus mit 170 Zimmern der Gruppe Armuño an der Bahía Blanca kosten. Über eine Neueröffnung des Golfplatzes wird verhandelt, auch die alten Campingplätze Caballo Blanco oder La Puntilla sollen mit Hotels bestückt werden.
El Puerto de Santa María solle „365 Tage im Jahr Touristenziel“ und „Andalusiens Hauptdestination für Investitionen“ werden, so Bürgermeister Germán Beardo von der Volkspartei. Er will die kleine Perle in einen Diamanten umschleifen. Was wäre die Alternative? Andalusiens Landesregierung baut die historische Bodega de Cortijos gerade für knapp fünf Millionen Euro zu einem Gerichtspalast um. Das ist auch kein schöner Anblick. So oder so: Besuchen Sie El Puerto – so lange es noch steht!
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