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Eingreiftruppe „Alhambra“: Die Falknerei wird in Andalusien unter besonderen Schutz gestellt

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Von: Marco Schicker

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Ein Falkner an der Alhambra von Granada.
Auf Taubenjagd in der Alhambra: Ein Falkner startet ein Mitglied der „Eingreiftruppe“. Die Falknerei ist nun offiziell Kulturgut. © Junta de Andalucía

Raubvögel im Dienste des Menschen bekommen in Andalusien jetzt sozusagen einen Kollektivvertrag. Ob zur Jagd, zum „Sport“, für Shows oder in der Alhambra als Tauben-Polizei. Das uralte Falkner-Handwerk soll gefördert und bewahrt, die Tiere besser geschützt werden.

Granada – Mit etwas mürrischem Blick, doch stolz und fein gekleidet, sitzen Romulus und Remus im Garten hinter dem Generalife, den Gärten der Alhambra in Granada und warten auf ihren nächsten Einsatz. Der Feind: Tauben, die wertvolle Baudenkmäler und zahlende Besucher vollklecksen und zudem noch Singvögel aus ihrem Habitat vertreiben, deren Vorfahren schon die Sultane erheiterten. Die Singvögel sind für Romulus und Remus nicht einmal fliegende Tapas, die Jagd nicht wert, und die Tauben wohl zu eklig. Sie töten sie zwar manchmal, sollen sie aber vor allem erschrecken und verscheuchen. Danach fressen sie feinste Filetstreifen oder kleine Nagetiere, am liebsten aus der Hand ihrer Falkner.

Die beiden Wüstenbussarde, die sich ein wenig wie Adler aufplustern, gehören mit einem Hühnerhabicht und zwei Falken zur Spezialeinheit Alhambra, im Wortsinn eine Eingreiftruppe. Seit wenigen Tagen haben diese Greifvögel im Dienste des Menschen sozusagen auch einen Kollektivvertrag, denn die Landesregierung hat die Falknerei, auf Spanisch cetrería, zum schützenswerten Kulturgut, BIC, deklariert. Zwar ist die Falknerei schon länger Immaterielles Kulturerbe der Menschheit bei der Unesco, doch das hatte weder für die Tiere, noch für die sie umgebenden Traditionen in Spanien zählbare Folgen.

Falknerei: Prestige, Hobby und cleveres Jagd-Handwert bei maurischen und christlichen Spaniern

Zwei Raubvögel in den Gärten des Generalife Granada
Die Bussarde Romulus und Remus warten im Generalife auf ihren Einsatz in der Alhambra. © Junta de Andalucía

Kaum ein Landstrich außerhalb der Arabischen Halbinsel bebildert die uralte Symbiose zwischen Menschen und Greifen majestätischer und authentischer als Granada mit der Sierra Nevada im Hintergrund, wo die Mauren dieses Jagdhandwerk als nützliche Kunst zur Blüte brachten. Wobei die Wurzeln der Beizjagd wohl 5.000 Jahre alt sind und bis nach Mesopotamien reichen. Die Ummeyaden-Dynastie brachten sie nochmals mit in ihr Al-Ándalus. Der Gelehrte San Isidoro de Sevilla erwähnte in seinen „Etimologías“ bereits um das Jahr 600 in Hispanien „Menschen, die Falken auf ihren Armen halten“ und es ist nicht unwahrscheinlich, dass schon 1.500 Jahre früher auch bei den Phöniziern die gezähmten Jagdfalken im heutigen Spanien vom Himmel stießen.

Nicht nur an den Mauren-Höfen in Córdoba oder den Sultanspalästen von Granada gehörte die Falknerei als Prestige und Jagdspaß dazu, auch im christlichen Kastilien frönten die Herren auf ihren Burgen der Abrichtung von Adlern, Bussarden, Milanen, Falken und Habichten. Wobei die Mauren mehr auf kleinere, wendige und blitzschnelle Arten setzten, die Kastilier jene mit weiten Schwingen, repräsentativem Äußeren, viel Kraft und Ausdauer bevorzugten. Die Terminologie übernahmen die Kastilier aber von ihren Erzfeinden, viele spanische Fachbegriffe der Falknerei entstammen dem Arabischen.

Mündlich überliefert: Schutz für Falknerei in Andalusien hilft auch Handwerkern

Raubvögel in Andalusien
Der Tierschutz wird für Raubvögel in Andalusien zum garantierten Arbeitsschutz, Falkner werden Arbeitgeber. © Junta de Andalucía

Die Unterschutzstellung der Falknerei von seiten der Landesregierung Andalusiens hat mehrere Aspekte, vor allem geht es um den Erhalt der historischen Tradition im ethnologischen Kontext, was auch die gezielte Förderung der kostspieligen Falknerei für die Jagd, als „Sport“, für den Tourismus als Vorführung oder eben für Sondereinsatzkommandos wie jene von Romulus und Remus umfasst. Gleichzeitig unterliegt das „Kulturgut“ nun einer höheren amtlichen Aufsicht, was auch den Missbrauch einschränken soll. Denn auch wenn es sich per se um Nutztiere handelt, fallen die gefiederten Jäger unter das Wildtiergesetz. Doch immer wieder findet die Seprona-Naturschutzeinheit der Guardia Civil bei Hobbyjägern und Neureichen Adler und Falken unter miserablen Bedingungen gehalten, gibt es einen florierenden Schwarzmarkt für die häufig bedrohten Raubvogelarten. Mit dem BIC-Status gibt es dagegen, aber auch gegen die nicht artgerechte Zurschaustellung, die immer wieder auf Mittelaltermärkten und anderen Events vorkommt, nun bessere Handhaben.

Mit der Falknerei sind auch andere Kunsthandwerke verbunden, wie Sattler, Täschner und Messingschmiede, die die kunstvollen Armhalter und Handschuhe oder die Augenkappen und Fußschellen nach uralten Mustern und oft sehr maurisch verziert in mühsamer Handarbeit fertigen. Auch sie erfahren nun besonderen Schutz, werden als andalusisches Kunsthandwerk offiziell anerkannt und gefördert. Nicht zuletzt wird auch der Falkner als Lehrberuf geschützt und in manchen Aspekten erstmals schriftlich und visuell dokumentiert, denn viele Tricks und Techniken werden nach wie vor mündlich überliefert.

Es gibt einige Vereine in Andalusien, meist im Umfeld der Jägerei, die sich mit Falknerei befassen, sogar solche, die Abrichtung und Zuchtprogramme zur Auswilderung verbinden und stolz auf ihre „ökologische Jagdwaffe“ sind. Die Bodega La Bendita Locura bei Puerto de Santa María (Cádiz) bietet Falknerei-Vorführungen mit Menü.

Zum Thema: Spaniens Da Vinci: Europas Renaissance auf den Flügeln von Al Ándalus.

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