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Iberischer Luchs: Pinselohren zurück in Spanien und Portugal - Meiste Todesfälle durch Autofahrer

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Von: Marco Schicker

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Jungtiere des Iberischen Luchs in Spanien.
Iberische Mini-Luchse in einer Aufzuchstation in Andalusien. © Miteco/Gobierno de España

Von 300 auf über 1.365 Exemplare stieg die Population des Iberischen Luchses binnen 20 Jahren in Spanien und Portugal. Doch über den Berg ist die elegante und nützliche Raubkatze noch nicht.

Huelva – Noch um die Jahrtausendwende galt der Iberische Luchs als fast ausgestorben, höchstens noch 300 Exemplare gab es in Spanien und Portugal. Das Pinselohr mit dem typischen Backenbart, der bei den Iberern etwas markanter und länger ist als bei den eurasischen Luchskollegen, gehörte somit zu den seltensten Katzen der Welt. Der Rückgang der Bestände war nicht allein den üblichen Faktoren geschuldet: übermäßiger Bebauung und Zersiedelung, steigendem Verkehrsaufkommen, Müll, Giften, Lärm, Jagd, sondern setzte bereits dramatisch ab den 50er Jahren ein.

Ohne Kaninchen keine Luchse: Ohne Luchse - Kaninchenplage

Damals erfasste Spaniens Wildkaninchen eine Pockenepidemie, die Myxomatos, vermutlich von verwilderten Hauskaninchen eingeschleppt, die die Bestände in manchen Gegenden um bis zu 90 Prozent reduzierte. Kaninchen aber, von denen übrigens dank eines zoologischen Missverständnisses der Phönizier Spanien seinen Landesnamen „Land der Kaninchen“ bezog, sind die wichtigste Nahrungsquelle des Luchses, eines scheuen Raubtiers, das lichte Wälder und grasige Steppen und vor allem Einsamkeit bevorzugt. Er kann, aber will den Menschen nicht mal riechen.

Die Kaninchen mit ihrer sprichwörtlichen und tatsächlichen Fortpflanzungsfreude erholten sich bald, doch das störte wiederum die Menschen. Vor allem Bauern setzten, um ihre Ernten zu schützen, bis es verboten wurde, massiv Nervengifte gegen die Nager ein. Doch an denen gingen nicht nur die Kaninchen und damit die Nahrungsgrundlage der Luchse ein, sondern auch die Luchsjungen selbst wurden vergiftet und starben.

Luchs in Spanien.
Der Iberische Luchs, auch Pardel-Luchs, ist ein Drittel kleiner als der Eurasische, sein Backenbart ist im Verhältnis länger, seine Fellzeichnung markanter. © Miteco/Gobierno de España

Nur in einigen Winkeln der Sierra Morena in Guarrizas und Guadalmellato und einem Flecken der portugiesischen Seite des Guadiana-Tals gegenüber der Extremadura überlebten um die Jahrhundertwende 2000 kleine Bestände des Iberischen Luches, die als sich selbst erhaltungsfähige Urpopulationen eingestuft werden können. Selbst im Naturpark Doñana in Andalusien, sonst für viele geschützte Arten das letzte Refugium, überlebte der lince ibérico nur durch menschliche Hilfe.

Aufzuchtstationen und Auswilderung des Iberischen Luchses in Spanien und Portugal

1999 starteten in Portugal, 2001 auch in Spanien Aufzucht- und Aussetzungprogramme für den Iberischen Luchs mit umfangreichem Monitoring, da lebten in Andalusien höchstens noch 90 Exemplare. Heute sind es allein in Andalusien mindestens 530 Luchse. Insgesamt zählten die Experten des Netzwerks Life Lynxconnect 2021 1.365 Tiere auf der Iberischen Halbinsel in zwei Dutzend Siedlungsgebieten. Die meisten davon,in der Mancha bei Ciudad Real und in den Montes de Toledo, wo ihre Population auch am schnellsten wächst, sowie vor allem im Westen und Norden von Andalusien. Ein Riesenerfolg, möchte man meinen, bei dem das sonst lamentierte „leere Spanien“ einmal zum Segen wurde, die Luchse viel Platz und Ruhe finden und nebenbei die Überpopulation der Kaninchen im Zaum halten, auch wenn das bis heute nicht alle Bauern und Jäger verstanden haben. Das Lynxconnect ist übrigens Teil des LIFE-Programms der EU und wird teilweise auch dadurch finanziert. Ein weiteres Aufzuchtprogramm in Spanien kümmert sich in Murcia um die Meeresschildkröten.

Karte mit Beständen Iberischer Luchs
Siedlungsgebiete des Iberischen Luchses laut Zensus 2021. © lifelynxconnect.eu

Doch ist bei dem Zucht- und Auswilderungserfolg zu bedenken, dass von den knapp 1.400 Tieren - soweit ermittelbar - nur 277 reproduktionsfähige Weibchen sind. Immerhin stieg in den letzten Jahren die Zahl der Welpen kontinuierlich, allein in Andalusien 2021 um 10 Prozent während der Pandemie. Noch immer steht der Iberische Luchs, der auch als Pardelluchs bekannt ist - abgeleitet von Leo-Pard, wegen seiner gegenüber dem um ein Drittel größeren Eurasischen Luchs deutlich markanteren Fellzeichnung - auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Die Naturschützer von Lynxconnect wie vom WWF sind heute etwas optimistischer. Dass aber seine „Zukunft praktisch garantiert ist, 20 Jahre nachdem er fast verschwand“, wie Carmen Crespo, die andalusische Landwirtschafts- und Umweltministerin dieser Tage euphorisch erklärte, das sehen jene, die an den Projekten beteiligt sind, nicht so.

Tod auf der Landstraße: Jeder zweite Iberische Luchs stirbt durch Autos

Erst am 13. Juni 2022 wurde eine zweijährige Luchs-Mutter und eines ihrer Jungen an der A-481 in Huelva totgefahren, nahe am Naturpark Doñana. Der Autofahrer beging Unfallflucht, also eine Straftat. Glücklicherweise konnte das überlebende Junge ausfindig gemacht und eingesammelt werden und wird im Aufzuchtzentrum El Acebuche großgezogen, bis es ausgesetzt werden kann. Zwar verweist Andalusiens Ministerin Crespo stolz auf die 24 Info-Tafeln, die ihre Junta kürzlich an Straßenrändern am Doñana-Park wie auch in der Sierra Morena anbringen ließ.

Kleine Iberische Luchse
Verspielte Pinselohren: Kleine Iberische Luchse in einer Aufzuchstation in Andalusien. © Miteco/Gobierno de España

Doch dieses „Life Safe-Crossing Projekt“ reiche „bei weitem nicht aus“, klagt López de Uralde, Koordinator der Alianza verde, eines Zusammenschlusses von vielen Tierschutzgruppen, die sich Wildbrücken über die Straßen wünschen, aktive Infokampagnen, mehr und gezieltere Tempolimits sowie notfalls auch Umleitungen wünschen. Die Tierschützer wünschen sich auch, dass die Jagd auf Kaninchen in den Siedlungsgebieten der Luchse auf sinnvolle Eindämmung begrenzt wird, noch heute aber ballern auch dort "Jagdfreunde" die Hoppler zu hunderten einfach nur aus Freude an der Ballerei ab, ganz legan, oft aber auch illegal.

Die jetzt überfahrene Luchsmutter wurde übrigens in freier Wildbahn geboren, der naheliegende Verdacht, durch eine Aufzuchtstation könnte sie die Scheu vor Menschen verloren haben, zieht hier also nicht. Autofahrer sind für den Iberischen Luchs Todesursache Nummer eins: Das Netzwerk Lynxconnect registrierte 2021 107 Todesfälle von mit GPS ausgestatteten Tieren, über die die Mehrheit verfügt. Davon fielen 52 Prozent dem Autoverkehr zum Opfer, weitere 12 Prozent der Wilderei, 10 Prozent starben aufgrund nicht arttypischer Krankheiten oder durch Unfälle mit anderen menschengemachten Infrastrukturen, nur jedes dritte Tier starb eines natürlichen Todes, der Rest am Menschen.

Zum Thema: Stierkampf als „Artenschutz“? Wieder subventionierte Tötungs-Tournee durch Spanien.

* Anmerkung: In unserer Printausgabe (CSN 22.06.22) wurde die Zahl 4.452 für den Luchsbestand auf der Iberischen Halbinsel angegeben. Dabei handelte es sich um einen Fehler in einer Aussendung der andalusischen Landesregierung, die anstatt des Bestandes die besiedelte Fläche in Hektar angab.

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