Schatten-Unterricht in Spanien: Wie Familien die Job-Chancen ihrer Kinder verbessern wollen

Englisch, Nachhilfe oder Deutsch: Viele Familien in Spanien schicken ihre Kinder zum Privatunterricht - für den Schulabschluss und für bessere Job-Chancen.
Madrid/Mutxamel – Fast jede zweite Familie in Spanien schickt ihre Kinder in den Nachhilfe- oder Privatunterricht. 46 Prozent aller Schüler in öffentlichen Schulen bekommen nach dem Unterricht in Akademien noch Englischvokabeln oder den Satz des Pythagoras eingebläut.
Der Think-Tank EsadeEcPol spricht von einem „Schattenbildungswesen“, für das eine Familie im Schnitt 270 Euro pro Jahr zahlt. Keineswegs wird Nachhilfe nur von reichen Familien mit dem Wunsch nach brillanten Kindern in Anspruch genommen, sondern auch von Familien mit geringem Einkommen, die für die Ihrigen einen Schulabschluss garantieren und die Chancen auf einen guten Job verbessern wollen. Denn die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien ist hoch. In der Region Valencia geben Eltern besonders viel aus für den Unterricht nach dem Unterricht.
Spanien: Familien geben viel Geld für Privatunterricht aus
Costanachrichten hat vor einer Grundschule in Mutxamel an der Costa Blanca nachgefragt, ob und warum Eltern in Spanien ihre Kinder nach der Schule noch weiterlernen lassen. „Für mich ist es sehr wichtig, dass meine Tochter Englisch lernt und sich gut in dieser Sprache verständigen kann, für bessere Job-Chancen und um zu reisen“, meint Fernando Davó Urios, dessen siebenjährige Tochter einmal in der Woche zusätzlich zum Englischunterricht in der Schule in eine Sprachakademie geht. „Ich selbst habe das verpasst und deshalb ist dieses Thema für mich besonders wichtig.“ Die Familie gibt im Monat 70 Euro für den Englischunterricht aus.
Isabel Sarazar Belmonte hat für ihre neunjährige Tochter eine private Nachhilfelehrerin engagiert. „Meine Tochter geht in die vierte Klasse, bekommt sehr viele Hausaufgaben auf, und ich kann ihr wegen meines Jobs nicht helfen“, erzählt die Mutter. Wenn sie Nachmittagsschicht hat, ist die Neunjährige alleine zu Hause.
Spanien: Nachhilfe für Kinder, deren Eltern lange arbeiten
„Außerdem fällt es mir schwer, ihr das mit den neuen Lehrmethoden in der Schule zu erklären, ich muss mir Internet-Tutorials anschauen, um zu verstehen, wie sie es ihr in der Schule erklären“, fügt sie hinzu. Weiterer Privatunterricht, etwa in Sprachen, sei nicht drin. „Dafür reicht es finanziell nicht mehr, mit Nachhilfestunden und Leichtathletik, die sie auch macht“, meint Isabel Sarazar.
Für die Nachhilfe der Tochter gibt die Familie 20 Euro in der Woche aus. „In einer Akademie ist es noch teurer, aber dort sind viele Kinder, und ich denke, es ist nicht nur günstiger, sondern letztlich auch besser, wenn sich die Person ausschließlich dem einen Kind widmen kann.“
Spanische Familien wollen Job-Chancen der Kinder erhöhen
Alle drei Kinder von Diego Ocaña Huerta und Ruth Maestro Puerto gehen außerhalb der Grundschule zum privaten Englischunterricht an einer Sprachschule im Ort. „Weil das Niveau in den Schulen in Spanien sehr niedrig ist“, bemerkt der Vater, „und um ihre Kenntnisse zu erweitern und ein höheres Niveau zu erreichen, müssen wir sie zusätzlich zum Sprachunterricht anmelden.“ Die Familie gibt im Monat 112 Euro für den Sprachunterricht ihrer drei Kinder aus.
Die Aussagen bestätigen die Schlussfolgerung in der Studie des Think-Tanks EsadeEcPol. Dort heißt es, dass die Tendenz auf mittlere und lange Sicht dahin geht, dass die Nachfrage nach Privatunterricht in allen Haushalten Spaniens, egal welchen Einkommensniveaus, steigen wird. „Dies spiegelt ein allgemein wachsendes Bewusstsein der Familien wider, dass die Investition in die Schattenbildung als Voraussetzung dienen kann, um den Zugang zu besseren Jobs für die eigenen Kinder zu sichern.“