Post von der Dama de Elche: Liebe Menschen von der Mittelmeerküste

Zum 125. Jahrestag ihres Fundes am 4. August grüßt die iberische Dame die Leser der deutschen Zeitung. Ein fiktiver Gastbeitrag über Kontraste am Mittelmeer, die „Layla“-Welle und einen Wunsch für die Zukunft.
Ein unscheinbarer heißer 4. August war es, als Spanien 1897 an der Mittelmeer-Küste eines seiner herausragenden Kulturgüter entdeckte: die Dama de Elche. Arbeiten auf einer Finca an der Costa Blanca räumten die iberische Skulptur frei, die nun im Nationalen Archäologiemuseum in Madrid zu bewundern ist. Eine Sensation ist der Zustand, in dem sie 2500 Jahre überdauerte. Eine Herausforderung – nicht nur für Forscher – bleibt die Dame von Elche auch 125 Jahre nach ihrem Fund. Den Lesern der deutschen Costa Nachrichten schrieb sie zum Anlass ihres Jubiläums einen fiktiven Brief.
Lage an Spaniens Mittelmeer: Post an deutsche Leser von Dame aus Elche
Liebe Leser der deutschen Zeitung! Velleicht kennen Sie mich: Bekannt bin ich als „Dama de Elche“, da man mich am 4. August 1897 in einem Acker bei der spanischen Küstenstadt Elche an der Costa Blanca fand. Das ist nun 125 Jahre her, und zum Jubiläum bin ich wieder in aller Munde. Als Spaniens herausragendes Kunstwerk und Kulturerbe, wie Fachleute sagen. Aber auch als Streitobjekt zwischen meiner Heimatstadt und Madrid um meinen ersehnten Besuch an der Mittelmeer-Küste. Zu dieser heiklen politischen Angelegenheit will ich mich aber an dieser Stelle nicht äußern.
Etwas Anderes will ich Ihnen mitteilen: Dass ich ein Kind dieser Gegend bin, in der Sie - ob Costa Blanca, Costa Cálida oder Costa del Sol - sich befinden. Eines großartigen, kulturell überaus reichen Erdenflecks namens Mittelmeerraum. Ich, die Dame, die laut Forschern gleichermaßen Göttliches wie Menschliches verkörpert, wurde vor 2500 Jahren als Büste abgebildet. Die Vereinigung und der ehrlich-interessierte Austausch der alten Völker machten aus mir die, die ich bin. Ist das Mittelmeer aber heute derselbe Begegnungsraum? Theoretisch ja, würde ich sagen.
Klima, Energie und viel Konsum: Gute Spuren statt „Layla“
Aber praktisch dominieren am Meer der drei Kontinente anno 2022 die Kontraste. Dort die Stacheldrahtzäune, Flüchtlingsboote. Migranten, die für die Ankunft in Europa ihr Leben riskieren. Hier dagegen die Sonnenschirme, Hotels, flüchtige Beziehungen. Menschen, die im Überfluss nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Müll. Die Einweg-Kultur bestimmt alles. Nach dem Verbrauch landen die Dinge unter der Erde – oder allzu oft als Mikroplastik verstreut in meinem geliebten, viel zu warmen Mittelmeer. Eine paradoxe Menschengeneration beobachte ich. So bedacht auf das Klima und die Energie. Aber zugleich sich immer abhängiger machend von Energie verschlingenden Geräten, Produktionsabläufen und Einkäufen.
Auch als Frau (von hohem Rang) schaue ich dem Treiben im 21. Jahrhundert verwundert zu. Einerseits sind da die mehr werdenden weiblichen Führungskräfte, Forscherinnen und neuerdings Fußballstars. Das ist schön (wenn auch zweieinhalb Jahrtausende nach meiner Zeit). Aber andererseits registriere ich im laufenden Sommer 2022 die „Layla“-Welle. Auf Mallorca, einer Insel in meinem Meer, begeistert ein deutscher Nummer-1-Sommerhit die Massen, der die Prostitution banalisiert und die Würde der Frau mit Füßen tritt. Doch das Lied ist nur die Spitze des Eisbergs einer sexualisierten Konsum-Mentalität.
Mein Wunsch: Hoffentlich wird in 2500 Jahren nicht ausgerechnet ausgegrabener Abfall - ob materieller, geistiger oder digitaler Art - Rückschlüsse über den Menschen des 21. Jahrhunderts geben. Meine Bitte lautet daher: Hinterlassen Sie, auch im Urlaub und im Internet, gute Spuren am Mittelmeer. Ihre Dama de Elche