Hat der Berg in Zeiten von Apps und Co. die Aura verloren?
Ich glaube nein. Er ist ja nach wie vor nicht einfach für jeden zu erschließen. Ich war dort mit meinem Bruder, ein Bergsteiger. Wir mussten die „escupidera“, „Spuckschlucht“ , bewältigen, wo immer Schnee liegt. Rutscht man ab, wird man hundert Meter abwärts „gespuckt“. Also, selbst wenn man oben 20 Andere trifft, nimmt es dem Moment nicht die Magie.
Wird das Tal von Ordesa mittlerweile überrannt?
Nicht unbedingt. Die Massen füllen nur über kurze Zeit die bekannte Zone bis zum Wasserfall Cola de Caballo. Im anderen Tal des Parks, Pineta, ist es auch im Sommer ruhig. Klar ist der Parkplatz in Torla, wo alle ankommen, aggressiv in die Landschaft eingebaut, doch er ist für die Regulierung des Tourismusverkehrs notwendig.
Hat die Entvölkerung mit dem Tourismus zu tun?
So einfach kann man das nicht sagen. Ein Supermarkt im Touristengebiet muss nicht mehr kosten als normal. Schwieriger ist es mit den Mieten. Generell ist der Tourismus in Torla spürbar, das einer Kirmes gleicht. Doch in anderen Dörfern, Fanlo oder Bielsa, wo maximal ein Gasthaus steht, stirbt die Bevölkerung auch aus.
Was kann man dagegen tun?
Das Wichtigste ist, vor Ort Bedingungen zum Leben zu schaffen. In Torla ist der Tourismussektor saisonal, weshalb keiner extra dahin zieht. Aber es gibt andere Einnahmequellen, zum Beispiel Lebensmittel. Bio-Käse aus den Pyrenäen wäre in Spanien gefragt. Auch Dienste wie Bergtaxis können gut laufen. Nur müssen solchen Unternehmen Wege erleichtert werden.
Lässt sich der Trend der Entvölkerung umkehren?
Das glaube ich leider nicht. Ob aus Lust oder Zwang, wir wollen alle in die Stadt. Denn hier sind die Bedingungen zum Arbeiten da, was sich im aktuellen System nicht ändern wird. So dass nur diejenigen, die genug von diesem System haben, in die Dörfer ziehen werden.
Spielt das für die Zukunft des Nationalparks eine Rolle?
Sicher. Den Rang als Weltkulturerbe hat er für den menschlichen Beitrag erhalten. Jahrhundertelang kultivierten Bewohner mit der Viehwirtschaft die Natur. Fällt das weg, kehrt sie in den Urzustand zurück. Ich habe hier nur einen Viehhirten gesehen. Er kam von der französischen Seite, pfiff die Herde an, ein toller Moment. Übrigens floss in die Unesco-Erklärung ein, dass in Ordesa sich Spanier und Franzosen schon friedlich Gebiete teilten, als im Rest Europas Kriege tobten.
Hat der Nationalpark also auch einen ideellen Wert?
Natürlich. Vor allem für Spanien, von dem es oft heißt, es sei in Sachen Umwelt ein einziges Desaster. 1918 war man mit dem Nationalpark Vorreiter in Europa.
Wie erklären Sie sich das?
Natürlich war es das gewachsene Forscherinteresse, doch der unmittelbare Anlass war die gesteigerte Entwaldung. Man sieht also, dass nicht unbedingt eine ökologische Bewegung nötig ist, um die Natur zu schützen. Schon 1400 verhinderte ein Gesetz die Abholzung im Naturpark Font Rotja bei Alcoy. Der Mensch war eigentlich jederzeit in der Lage zu erkennen, dass die Natur etwas Wertvolles ist.
Welche Stelle im Ordesa-Park beeindruckt Sie besonders?
Die Brecha de Rolando, wo man in 2.800 Metern Höhe nach Frankreich sieht. Der Fels sieht wie ein riesiges Schiff aus Stein aus. Das hat mich umgehauen.
Macht das digitale Zeitalter solche Erlebnisse seltener?
Blogs oder Apps eröffnen Menschen Möglichkeiten, sich für den Ort zu interessieren, was gut ist, denn ein Nationalpark ist ja für alle gedacht. Negativ ist natürlich, wenn man sich nur aufs Smartphone verlässt, dauernd fotografiert, GPS anhat, den Akku aufbraucht und aufgeschmissen ist. Ich persönlich bin ein Fan von Karten aus Papier, sammle sie und sehe sie mir noch zu Hause an.
Haben Sie einen Tipp für eine gute Publikation aus Papier über das Ordesa-Tal?
Das Buch des Verlags Alpina mit großartigen Karten und Routen. Das gibt es auch auf Englisch.
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Doñana in Andalusien - bedrohtes Naturparadies
Sierra de las Nieves - Nationalpark in Málaga
Unter unseren schönsten Dörfern in Spaniens Hinterland befindet sich zudem eines in der Nähe des Nationalparks von Ordesa.