Im Moment also Pistazien, das sei das neue, nun das „grüne Gold“. Zwar kennt man die pistachio mindestens schon seit der Zeit der Mauren als exklusive Edelzutat für Gebäcke in Al-Ándalus, doch ihr Anbau war immer ein Nischenmarkt. 2010 registrierte das spanische Landwirtschaftsministerium eine Anbaufläche von rund 1.200 Hektar, 2016 waren es schon 10.000, 2020 44.000 Hektar und im Vorjahr 2021 55.000. Die Anbaufläche für Pistazien in Spanien hat sich also binnen zwölf Jahren um den Faktor 50 vergrößert und ist binnen nur einem Jahr um ein Viertel angewachsen. Sie übersteigt jene der Avocados bereits um das Vierfache.
Warum die aus dem Iran kommenden Bäume in Spanien so gut gedeihen? Weil die Sommer länger und heißer werden, die Winter aber vor allem im Binnenland noch lange kühl genug sind. Mindestens 700 Stunden unter 7,2 Grad brauchen die Knospen, im Sommer aber sehr viel Wärme, gerne bis 35 Grad. Vor allem Kastilien La Mancha, die Extremadura sowie die Sierra Morena, also die nördlichen Teile Andalusiens und Teile Murcias gelten als klimatisch ideal. Doch der eigentliche Grund für den Boom sind die 8-9 Euro, die ein Kilo Premium-Pistazien für den Landwirt erlösen. Im Moment.
Die Brache, die von der EU bezahlt wird, bringt kaum Geld, zumal die Quoten dafür von der Landesregierung wegen der Angst vor Lieferengpässen durch den Ukraine-Krieg ausgesetzt wurden. Einige Bauern verpachten Felder für Solaranlagen, was mit bis zu 1.500 Ero pro Jahr und Hektar nicht so schlecht bezahlt ist.
Aber der Erlös von Pistazien schlägt das alles. Sie dürfen nicht in Meeresnähe stehen, das vertragen sie nicht, sie brauchen sehr durchlässige Böden und ringsum möglichst wenig konkurrierende Pflanzen, also freiligende Erde, leichtes Opfer für Erosion. Zwar kann der Wasserbedarf durch moderne Bewässerungsmethoden und durch Anpassung der Pflanzen gesenkt werden, doch ist die Pistazie neben der Cashew mit die durstigste „Nuss“ überhaupt. Ausgerechnet im Sommer bei der Reifung der Früchte verschlingt sie Unmengen von Wasser, dann wenn Spanien keinen Tropfen übrig hat.
Erdnüsse brauchen pro Kilo Ertrag rund 2.700, Mandeln 8.000, Pistazien aber 11.000 Liter Wasser. Zum Vergleich: Tomaten und Karotten liegen bei um die 150 Liter, je nach Klimazone und Bewässerungstechnik in Spanien auch mal bei bis 300 Liter. Für ein Kilogramm Oliven braucht es rund 500 Liter, Weizen liegt bei um die 1.000 Liter pro Kilo, Linsen bei 50.
Noch immer expandieren die Anbauflächen für Avocados und Mangos in Spanien, obwohl sie sich längst von der lohnenden Alternative für Bauern zum Objekt des Exzesses durch kapitalstarke Agrarproduzenten gewandelt haben. Die Axarquía bei Málaga, das größte Anbaugebiet für Tropenfrüchte in Europa, haben sie schon leergesaugt. Während die Stauseen Andalusiens im Schnitt bei dürftigen 30-40 Prozent Befüllung darben, gilt der der Stausee La Viñuela, der die östliche Costa del Sol und den Kreis Axarquia mit Vélez-Málaga mit Wasser versorgen soll, mit 9-10 Prozent als hydrologisch „tot“.
5-6 Euro pro Kilo Avocados setzte den Boom in Spanien einst in Gang, doch diese Zeiten scheinen vorbei, lokale und internationale Großunternehmen haben das Regiment übernommen, diktieren die Preise, zusammen mit zwei handvoll Händlern. Gleichzeitig geht das Wasser aus. Was das mit Ökosystemen macht, kann man gerade live im Nationalpark Doñana sehen, der von illegal bewässerten Erdbeerplantagen ausgetrocknet wurde.
Bei Mandeln und Oliven werden die Preise künstlich gedrückt, obwohl sie im Handel zweistellig steigen. Die spanischen Mandelbauern ruinieren sich 2022, wenn sie mit dem Verkauf nicht warten. Bei der Pistazie geschieht das gleiche. Ist die Anbaufläche groß genug, dass viele Erzeuger eine gewisse Abhängigkeit vom Erlös entwickeln, schlägt das „Kartell“ zu. Vier Euro bieten sie dieses Jahr für die Pistazien, recherchierte die Unión de Pequeños Agricultores y Ganaderos, die UPA, die mit 80.000 Mitgliedern wirklich noch die kleinen Bauern und Landwirte vertritt. Dann warten die Händler einfach ab. Denn die Erzeuger müssen irgendwann verkaufen, steckten viel Arbeit in die Früchte, denn Pistazien müssen gleich nach der Ernte auch getrocknet werden, damit sie genießbar, lecker und haltbar werden.
„Die Preise künstlich zu beeinflussen ist illegal und das muss angezeigt werden“, erklärt Aurelio González, UPA-Funktionär und selbst Pistazien-Bauer in Zamora. 2015 hatten sie ein Milchkartell verklagt, das Wettbewerbsamt hatte die „Milch-Mafia“ wegen illegaler Preisabsprachen zu 88 Millionen Euro Strafen und Kompensation verdonnert. Ein punktueller Erfolg, der längst verpufft ist, wenn man die Milcherzeugerpreise von heute sieht. González sieht eine hohe Nachfrage in Europa, „vor allem in Deutschland“ sei man auf Pistazien ganz wild. So wie auf „lokal“ erzeugte Avocados, Tomaten aus Plastikgewächshäusern und auf alles, was Spanien aus Wasser wachsen lässt, dass es eigentlich nicht mehr hat.