1. Costa Nachrichten
  2. Spanien
  3. Land und Leute

Spaniens römische Geschichte: Antikes Segóbriga zeigt noch heute Amphitheater, Thermen und Forum

Erstellt:

Von: Anne Götzinger

Kommentare

Ein Mann blickt von oben auf die Ränge des römischen Theaters im Archäologiepark Segobriga.
Segóbriga in Spanien: Beeindruckende römische Funde in karger Landschaft. © Ángel García

Das antike Segóbriga in der heutigen La Mancha war eine kleine Kopie des alten Roms und wichtiger Selenit-Lieferant. Ein Ausflug dorthin bietet Besuchern eines der beeindruckendsten Ensembles römischer Bauwerke in Spanien.

Saelices ‒ Das Publikum grölt, während auf der Theaterbühne die außerehelichen Liebschaften des Senators derb auf die Schippe genommen werden. An anderer Stelle diskutieren Männer im heißen Dampf des Caldariums über die Finanzpolitik von Kaiser Vespasian, im Forum gehen die Händler ihren Geschäften nach. Nein, nicht im alten Rom befinden wir uns, sondern mitten in der Pampa der römischen Provinz Hispania.

Römische Geschichte in Spanien: Beeindruckendes archäologisches Ensemble Segóbriga

Das ehemalige municipium Segóbriga in der heutigen Provinz Cuenca in Castilla-La Mancha, das für seinen Käse und Wein bekannt ist, war in der Antike eine kleine Kopie der antiken Hauptstadt. Heute ist es die am besten erhaltene römische Stadt im Westen des ehemaligen Imperiums und das bedeutendste archäologische Ensemble römischer Bauwerke in der Hochebene Zentral-Spaniens. Ähnlich beeindruckende Reste lassen sich bei einem Ausflug in die Römerstadt Itálica bei Sevilla entdecken.

Die wuchtigen Quadersteine der Ränge des Amphitheaters, die 5.500 Zuschauern aufnehmen konnten, Nekropolis, Thermenreste, Säulen und Skulpturen des Forums und die noch schwach erkennbaren Umrisse des Circus, wo einst die Quadrigas den Sand der Arena aufwirbelten, lassen erahnen, welche Bedeutung die antike Stadt einst erlangt hatte.

Römische Geschichte in Spanien: Segóbriga war Roms Bergwerk

Doch welches Interesse hatte Rom an diesem abgelegenen Fleckchen Erde, dass hier – weit entfernt von der Küste und ihren wichtigen Transportwegen – eine solch imposante Stadt heranwuchs?
Die Antwort auf diese Frage lautet lapis specularis. „Spiegelstein“ nannten die Römer diese Mineralkristalle von besonderer Reinheit, die sich gut in dünne Plättchen spalten ließen und sich deshalb hervorragend zur Herstellung von zum Beispiel Fensterscheiben eigneten. Bedeutende Vorkommen des auch als Selenit oder Marienstein bezeichneten durchsichtigen Gipses fanden sich zu dieser Zeit in Nordafrika, Kleinasien – und eben in Segóbriga. So entwickelte sich das municipium zum wichtigsten Ort der Selenit-Gewinnung im römischen Reich. Gleichzeitig wurde das Gebiet für die Landwirtschaft und Viehzucht genutzt.

Zwei Säulen im Schnee im Archäologiepark Segobriga in Spanien.
Römisches Segóbriga: Das raue Klima im Landesinneren Spaniens machte den Bewohnern zu schaffen. © Alicia Caballero Salamanca

Doch schon vor der Ankunft der Römer war der Bereich um den heutigen Ort Saelices am Río Gigüela in Spanien bewohnt. So stießen Archäologen auf Zeugnisse, die auf die Existenz einer keltiberischen Siedlung hinweisen, und auch der Name Segóbriga ist wahrscheinlich keltischen Ursprungs.

Segóbriga in Spanien: Vor römischer Eroberung war die Stadt eine keltiberische Siedlung

Nach der römischen Eroberung zu Beginn des 2. Jahrhunderts vor Christus wurde die Siedlung zunächst oppidum, also keltiberische Stadt, die um 140 vor Christus in den Schriften über den Viriatischen Krieg – dem Aufstand der keltiberischen Völker gegen die römischen Besatzer – wahrscheinlich zum ersten Mal erwähnt wurde. Zur Zeit des Kaisers Augustus (63 v. Chr. – 17 n. Chr.) stieg der Ort schließlich zum municipium auf, das keinen Tribut mehr an Rom zahlen musste – und die wirtschaftliche Blütezeit Segóbrigas begann.

So wurden bis zum Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus Aquädukt, Nekropolis, Amphitheater, Forum, Basilika, Thermen, Theater und Straßen sowie ein Abwassersystem angelegt. Für die Errichtung der Bauwerke musste das Gelände teils eingeebnet und terrassiert werden – für die erfahrenen römischen Architekten keine große Herausforderung.

Spaniens römische Geschichte: Das antike Segóbriga und seine Bauten

Seit 50 vor Christus schützte Einwohner und Bauwerke außerdem eine 1.300 Meter lange Stadtmauer mit mehreren Toren. Das größte bestand aus einem oder zwei Bögen mit großen Quadersteinen und führte direkt auf die Hauptstraße kardo maximus zwischen dem Theater und dem Amphitheater, die ihresgleichen etwa in der spanischen Hafenstadt Cartagena mit ihrem ebenfalls beeindruckendem römischen Erbe suchen.

Das Amphitheater ist mit seinen 75 Metern Durchmesser das größte Bauwerk der Stadt. Blutige Gladiatorenkämpfe und Raubtierspektakel „belustigten“ hier die Gesellschaft Segóbrigas. Für eine größere Sicherheit der Zuschauer war die Arena durch einen hohen, breiten Rand von den Rängen getrennt. Die Raubtiere gelangten durch einen überdachten Gang von ihren Käfigen in die Manege.

Unblutiger ging es hingegen im Theater zu, das zwar eines der kleinsten in Hispania war, aufgrund seiner Bauweise jedoch eines der herausragenden Monumente des Ensembles darstellt. An den gut erhaltenen Rängen für das Publikum ist noch heute die Unterteilung in drei Abschnitte zu erkennen, in denen die verschiedenen Klassen der Gesellschaft Segóbrigas Platz nahmen. Drei Stufen bildeten das ebenfalls erhalten gebliebene orchestra, auf dem die Autoritäten Platz nahmen.

In Segóbriga sind Reste des Amphitheaters, der Thermen und des Theaters zu besichtigen

Die Bühne, auf der Theaterstücke aufgeführt, dem Kaiser gehuldigt oder offizielle Veranstaltungen abgehalten wurden, war ursprünglich mit Holzdielen überzogen und mit Säulen und Marmorskulpturen dekoriert. Eine hohe Kulissenwand schloss die Bühne hinten ab.

Römische Quadersteine mit Inschriften im Archäologiepark Segobriga.
Römische Reste in Spanien: Inschriften im Archäologiepark Segobriga. © Ángel García

Neben dem Theater finden sich auch die Reste einer älteren Thermenanlage aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, die später, im 1. Jahrhundert nach Christus, von den termas monumentales noch übertrumpft wurden. Die Wechselbäder zwischen kaltem, lauwarmem und heißem Wasser dienten der Elite nicht nur zur Hygiene und Zerstreuung. Während der Bäder wurde auch mit Geschäftspartnern verhandelt.

All dies schien den Einwohnern Segóbrigas noch nicht zu genügen, sodass in der Mitte des 2. Jahrhunderts außerhalb der Stadt noch der Circus angelegt wurde. Die Reste der für Wagenrennen genutzten Arena wurden in Spanien erst während einer Ausgrabungskampagne zwischen 2004 und 2008 entdeckt.

Römische Geschichte in Spanien: Segóbriga spiegelt Roms Klassengesellschaft wider

Die mehr als 300 Inschriften, die bei den Ausgrabungen in der spektakulären Fundstätte entdeckt wurden, erlauben es heute, ein detailliertes Bild der Klassengesellschaft Segóbrigas zu zeichnen. Dem Kaiser in Rom, der Oberhaupt des gesamten Reiches war, und seiner Familie folgte eine Adelsschicht, die theoretisch im Senat in Rom saß, die wichtigsten Posten im Staatsapparat und der Justiz innehatte sowie die Provinzen regierte und die Legionen befehligte. Einer dieser Adligen, Caius Calvisius Sabinus, wurde in einer Inschrift als einer der Gutsherren Segóbrigas genannt.

Diese Elite war es auch, die die Errichtung der monumentalen Bauwerke Segóbrigas finanzierte – einerseits, um die zivilisatorische Macht Roms in Hispania zu demonstrieren, andererseits, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. Die Equites, eine Art Ritter, die in Segobriga ihren Geschäften nachgingen und sich um diverse Staatsangelegenheiten kümmerten, bildeten die nächste Gesellschaftsschicht.

Rund um Segóbriga finden sich noch heute antike Stollen aus der Römerzeit

Diesen beiden herrschenden Klassen stand eine große Zahl von Freigelassenen und Sklaven gegenüber, die größtenteils bei den Eroberungszügen in den östlichen Provinzen Roms gefangen genommen worden waren. Vor allem griechische Namen finden sich auf den Inschriften Segóbrigas, einige hatten offenbar als Sekretär oder Arzt passable Berufe, doch die meisten von ihnen arbeiteten unter Großgrundbesitzern in den Minen rings um die Stadt.

Plinius der Ältere schreibt in seinem enzyklopädischen Werk zur Naturkunde, dass lapis specularis in einem Umkreis von rund 100.000 Schritten (etwa 90 Kilometern) um Segóbriga abgebaut wurde. Noch heute finden sich in der Nähe der Fundstätte antike Stollen. Auch wenn das Selenit dem municipium zu großem Wohlstand verholfen hatte, es forderte auch seinen Tribut. Während die Lebenserwartung in anderen Gebieten des römischen Imperiums im Schnitt bei 35 Jahren lag, wurden die meisten Einwohner Segóbrigas wegen des rauen Klimas und der harten Arbeit in den Minen nicht älter als 30 Jahre.

Wichtige Informationen für einen Ausflug in den Archäologie-Park Segóbriga:

Auch interessant

Kommentare