Die Antwort auf diese Frage lautet lapis specularis. „Spiegelstein“ nannten die Römer diese Mineralkristalle von besonderer Reinheit, die sich gut in dünne Plättchen spalten ließen und sich deshalb hervorragend zur Herstellung von zum Beispiel Fensterscheiben eigneten. Bedeutende Vorkommen des auch als Selenit oder Marienstein bezeichneten durchsichtigen Gipses fanden sich zu dieser Zeit in Nordafrika, Kleinasien – und eben in Segóbriga. So entwickelte sich das municipium zum wichtigsten Ort der Selenit-Gewinnung im römischen Reich. Gleichzeitig wurde das Gebiet für die Landwirtschaft und Viehzucht genutzt.
Doch schon vor der Ankunft der Römer war der Bereich um den heutigen Ort Saelices am Río Gigüela in Spanien bewohnt. So stießen Archäologen auf Zeugnisse, die auf die Existenz einer keltiberischen Siedlung hinweisen, und auch der Name Segóbriga ist wahrscheinlich keltischen Ursprungs.
Nach der römischen Eroberung zu Beginn des 2. Jahrhunderts vor Christus wurde die Siedlung zunächst oppidum, also keltiberische Stadt, die um 140 vor Christus in den Schriften über den Viriatischen Krieg – dem Aufstand der keltiberischen Völker gegen die römischen Besatzer – wahrscheinlich zum ersten Mal erwähnt wurde. Zur Zeit des Kaisers Augustus (63 v. Chr. – 17 n. Chr.) stieg der Ort schließlich zum municipium auf, das keinen Tribut mehr an Rom zahlen musste – und die wirtschaftliche Blütezeit Segóbrigas begann.
So wurden bis zum Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus Aquädukt, Nekropolis, Amphitheater, Forum, Basilika, Thermen, Theater und Straßen sowie ein Abwassersystem angelegt. Für die Errichtung der Bauwerke musste das Gelände teils eingeebnet und terrassiert werden – für die erfahrenen römischen Architekten keine große Herausforderung.
Seit 50 vor Christus schützte Einwohner und Bauwerke außerdem eine 1.300 Meter lange Stadtmauer mit mehreren Toren. Das größte bestand aus einem oder zwei Bögen mit großen Quadersteinen und führte direkt auf die Hauptstraße kardo maximus zwischen dem Theater und dem Amphitheater, die ihresgleichen etwa in der spanischen Hafenstadt Cartagena mit ihrem ebenfalls beeindruckendem römischen Erbe suchen.
Das Amphitheater ist mit seinen 75 Metern Durchmesser das größte Bauwerk der Stadt. Blutige Gladiatorenkämpfe und Raubtierspektakel „belustigten“ hier die Gesellschaft Segóbrigas. Für eine größere Sicherheit der Zuschauer war die Arena durch einen hohen, breiten Rand von den Rängen getrennt. Die Raubtiere gelangten durch einen überdachten Gang von ihren Käfigen in die Manege.
Unblutiger ging es hingegen im Theater zu, das zwar eines der kleinsten in Hispania war, aufgrund seiner Bauweise jedoch eines der herausragenden Monumente des Ensembles darstellt. An den gut erhaltenen Rängen für das Publikum ist noch heute die Unterteilung in drei Abschnitte zu erkennen, in denen die verschiedenen Klassen der Gesellschaft Segóbrigas Platz nahmen. Drei Stufen bildeten das ebenfalls erhalten gebliebene orchestra, auf dem die Autoritäten Platz nahmen.
Die Bühne, auf der Theaterstücke aufgeführt, dem Kaiser gehuldigt oder offizielle Veranstaltungen abgehalten wurden, war ursprünglich mit Holzdielen überzogen und mit Säulen und Marmorskulpturen dekoriert. Eine hohe Kulissenwand schloss die Bühne hinten ab.
Neben dem Theater finden sich auch die Reste einer älteren Thermenanlage aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, die später, im 1. Jahrhundert nach Christus, von den termas monumentales noch übertrumpft wurden. Die Wechselbäder zwischen kaltem, lauwarmem und heißem Wasser dienten der Elite nicht nur zur Hygiene und Zerstreuung. Während der Bäder wurde auch mit Geschäftspartnern verhandelt.
All dies schien den Einwohnern Segóbrigas noch nicht zu genügen, sodass in der Mitte des 2. Jahrhunderts außerhalb der Stadt noch der Circus angelegt wurde. Die Reste der für Wagenrennen genutzten Arena wurden in Spanien erst während einer Ausgrabungskampagne zwischen 2004 und 2008 entdeckt.
Die mehr als 300 Inschriften, die bei den Ausgrabungen in der spektakulären Fundstätte entdeckt wurden, erlauben es heute, ein detailliertes Bild der Klassengesellschaft Segóbrigas zu zeichnen. Dem Kaiser in Rom, der Oberhaupt des gesamten Reiches war, und seiner Familie folgte eine Adelsschicht, die theoretisch im Senat in Rom saß, die wichtigsten Posten im Staatsapparat und der Justiz innehatte sowie die Provinzen regierte und die Legionen befehligte. Einer dieser Adligen, Caius Calvisius Sabinus, wurde in einer Inschrift als einer der Gutsherren Segóbrigas genannt.
Diese Elite war es auch, die die Errichtung der monumentalen Bauwerke Segóbrigas finanzierte – einerseits, um die zivilisatorische Macht Roms in Hispania zu demonstrieren, andererseits, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. Die Equites, eine Art Ritter, die in Segobriga ihren Geschäften nachgingen und sich um diverse Staatsangelegenheiten kümmerten, bildeten die nächste Gesellschaftsschicht.
Diesen beiden herrschenden Klassen stand eine große Zahl von Freigelassenen und Sklaven gegenüber, die größtenteils bei den Eroberungszügen in den östlichen Provinzen Roms gefangen genommen worden waren. Vor allem griechische Namen finden sich auf den Inschriften Segóbrigas, einige hatten offenbar als Sekretär oder Arzt passable Berufe, doch die meisten von ihnen arbeiteten unter Großgrundbesitzern in den Minen rings um die Stadt.
Plinius der Ältere schreibt in seinem enzyklopädischen Werk zur Naturkunde, dass lapis specularis in einem Umkreis von rund 100.000 Schritten (etwa 90 Kilometern) um Segóbriga abgebaut wurde. Noch heute finden sich in der Nähe der Fundstätte antike Stollen. Auch wenn das Selenit dem municipium zu großem Wohlstand verholfen hatte, es forderte auch seinen Tribut. Während die Lebenserwartung in anderen Gebieten des römischen Imperiums im Schnitt bei 35 Jahren lag, wurden die meisten Einwohner Segóbrigas wegen des rauen Klimas und der harten Arbeit in den Minen nicht älter als 30 Jahre.
Wichtige Informationen für einen Ausflug in den Archäologie-Park Segóbriga: