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Meister Petz erholt sich: Auch in Spanien leben Bären - und zwar immer mehr

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Von: Clementine Kügler

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Braunbär im Wildpark Poing
Auch in Spanien leben Braunbären, der Bestand erholt sich zunehmend. (Symbolfoto) © Lino Mirgeler/dpa/Archiv

Nach dem tödlichen Angriff auf einen Jogger in Norditalien sind „Problembären“ wieder in den Schlagzeilen. Auch in Spanien leben Bären, und der Bestand erholt sich - trotz allgegenwärtiger Probleme.

O Courel - JJ4, auch bekannt als Gaia, ist in aller Munde, weil die mittlerweile eingefangene Bärin Anfang April in Norditalien einen Jogger angefallen und getötet hatte. Seitdem diskutieren Tierschützer, Behörden und Politiker darüber, wie mit „Problembären“ zu verfahren ist. Auch Bergsteiger-Legende Reinhold Messner hat sich zu der Debatte um die mögliche Tötung von Bären geäußert, berichtet merkur.de. In Spanien wiederum freut sich die Stiftung Braunbär (FOP), endlich wieder mehr Bären, auf Spanisch Oso Pardo genannt, zu sichten. Doch auch hier kämpfen die Tierschützer mit Problemen.

Bären in Spanien: Waldbrände vernichten Lebensräume

Die verheerenden Waldbrände, die 2022 in Galicien und anderen Teilen Spaniens wüteten, machen Mensch und Tier zu schaffen und zerstören Lebensräume. Eines der Opfer sind die Braunbären, die im Norden des Landes leben. Im Südosten Galiciens, in O Courel, ist erst 2020 wieder ein Oso Pardo gesichtet worden. 150 Jahre lang galt die Gegend als bärenfrei. Seitdem haben sich Bären in den Provinzen Lugo und Ourense verbreitet.

Das Feuer in O Courel im vergangenen Jahr hat Teiles dieses ökologisch wertvollen Habitats für lange Zeit vernichtet. Die Bären ziehen weiter, erklärt Fernando Ballesteros, Biologe der Stiftung FOP in der Zeitung „Faro de Vigo“. 100.000 Obst- und Kirschbäume hat FOP dort gepflanzt, damit die Bären Futter finden. Alles umsonst. Und es brannte auch in den übrigen Gebieten, in denen der Bär in Spanien heimisch ist.

Bären stehen seit 1973 in Spanien unter Schutz

Von Galicien bis Frankreich, in Asturien, Kastilien-León und Kantabrien bis zu den Pyrenäen werden die scheuen Tiere gesichtet, beobachtet, gezählt, gechipt und mitunter immer noch verfolgt. Der Oso Pardo ist seit 1973 in Spanien geschützt, der Braunbär wurde als „stark gefährdet“ auf der Roten Liste geführt, inzwischen gilt er nur noch als „gefährdet“.

Rathäuser, Jäger, NGOs, Imker und Politiker arbeiten zusammen, erklärt der Direktor von FOP, Guillermo Palomero. Er ist froh, dass die Braunbär-Bestände in Spanien zunehmen: in den Pyrenäen und dem Kantabrischen Gebirge, der Verlängerung der Pyrenäen bis nach Galicien. Die Bären-Exemplare beider Gebiete vermischen sich sogar.

Probleme mit Bären in Spanien: Viehzüchter und Imker sorgen sich

Aber nicht alle Einwohner sind einverstanden mit den Bemühungen der Umweltschützer und Biologen, die Bären-Bestände im Norden von Spanien zu vergrößern. Wie bei den Wölfen und Luchsen sind es vor allem die Viehzüchter, die Angst um ihre Weidetiere haben. Bei den Braunbären kommen noch die Imker hinzu. Die Honigproduktion ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in Asturien. Aber das flüssige Gold gilt den bis zu 500 Kilogramm schweren Süßmäulern als besonderer Leckerbissen, wie die Leser von „Pu der Bär“ wissen.

Herden und Bienenstöcke können durch elektrifizierte Zäune geschützt werden. FOP hat allein 864 solcher Zäune um Bienenstände gezogen. Bergbauern müssen Hirten und Hunde einsetzen, das hat sich auch gegen die Wölfe als erfolgreich herausgestellt. Die Fundación Oso Pardo versucht, der Landbevölkerung in Spanien die Vorteile der Bären ans Herz zu legen. Ihre Beobachtung ist eine Touristenattraktion. Sie zieht Menschen in die einsame Landschaft, schafft Arbeitsplätze und kurbelt Gaststätten- und Hotelgewerbe an. In Asturien lockt der Braunbär pro Jahr rund 20.000 Besucher an, deren Ausgaben werden mit 20 Millionen Euro beziffert.

Bären ziehen Touristen an: Braunbären-Beobachtung im Norden von Spanien

Eines der Ziele von Touristen, die in Spanien Bären beobachten möchten, ist das Biosphären- und Naturreservat Muniellos in Asturien. Dort befindet sich der größte Eichenwald Spaniens sowie ein Paradies aus Buchen, Birken und Eiben. Um das Habitat nicht zu überlasten, ist die Besucherzahl auf 20 pro Tag begrenzt, wer das Reservat besuchen möchte, muss vorab online reservieren. 2022 waren die Feuerwehrleute allerdings auch hier damit beschäftigt, einen schweren Brand zu löschen.

Für die Braunbären-Stiftung ist der Erhalt der Natur wesentlich. „Wir erhalten und stellen Naturräume wieder her, besonders die, in denen Bären leben. Wir kämpfen gegen Wilderer, klären über umweltfreundliche Maßnahmen auf und versuchen, in Problemfällen zu vermitteln“, so Palomero. Gesponsert wird seine Stiftung von Paul Lister, Gründer von The European Nature Trust (TENT). Listers Motto lautet, die Erde besser zu hinterlassen als er sie vorgefunden hat. In den 1980er Jahren stand der Oso Pardo in Spanien kurz vor dem Aussterben. Da lebten in Kantabrien rund 50 Exemplare. Heute sind es 320. Zusammen mit denen, die in den spanischen Pyrenäen leben, streifen rund 400 durch Spanien.

Von wegen gemütlich: Videos von tödlichen Bären-Kämpfen in Spanien

Gutmütig und freundlich, wie Meister Petz in Märchen und Sagen auftritt, ist der Braunbär keineswegs. Mitunter geht es äußerst rabiat zu. Anfang Juni 2022 etwa sorgte ein Video für Aufsehen: Ein Männchen griff eine Bärin an, die ihren Nachwuchs verteidigte. Ausflügler filmten die brutale Attacke in den Bergen Palencias in Kastilien-León in Nordspanien. Schließlich stürzten beide Bären in die Tiefe. Der Bär starb, die verletzte Bärin zog sich in eine Höhle zurück. Ob mit oder ohne Nachwuchs, ist ungewiss. Ein Aufgebot aus acht Naturschützern, Tierärzten und Personal des Umweltministeriums Kastilien-Leóns versuchte, zu helfen. Sie stellten Früchte und Wasser an die Höhle, gesehen haben sie die Tiere nicht mehr.

Im Juni 2020 wurde ein ähnlicher Angriff in Spanien gefilmt. Da tötete das Männchen die Bärin und fraß Teile von ihr auf. Bären sind Allesfresser. Sie ernähren sich von Honig und Früchten, Nüssen, Kastanien und Beeren, aber eben auch von Fleisch, Fisch und Aas. Auf Nahrungssuche gehen sie auch im Winter. Sie halten keinen richtigen Winterschlaf, sondern eine Winterruhe. Das bedeutet, Herzschlag und Atemfrequenz gehen zurück, sie können aber schnell erwachen. Gerade Bärinnen mit ihrem Nachwuchs ziehen in milden Wintern eine kurze Winterruhe vor. Manche Bären verzichten ganz darauf.

Bären in Spanien vermehren sich nur langsam

Immer wieder berichtet die Stiftung FOP in Spanien von toten Bären, die gefunden und obduziert werden. Ende Juni 2022 etwa entdeckten Spaziergänger ein totes Braunbären-Männchen am Pico Miro de Valdeprado in der Provinz León. Zum Teil sind die Bären Opfer ihrer Kämpfe. Bären wie Bärinnen sind promisk und polygam und leben nicht in Paaren oder Familien.

Die Bärin kümmert sich allein um ihren Nachwuchs. Oft versuchen die Männchen, die Jungtiere zu töten, damit eine Bärin wieder empfänglich wird. Die mindestens 18 Monate, die sie mit dem Nachwuchs verbringt, ist ihnen zu lang. Die meisten Bärinnen sind nur alle zwei Jahre zur Paarung bereit und werfen höchstens drei Jungtiere. Diese langsame Fortpflanzungsrate trägt nicht zu einer schnellen Erholung der Bestände bei.

Wilderer und Jäger als Problem: Bären bei Unfällen in Spanien getötet

Zu schaffen machen den Biologen in Spanien jedoch die Wilderer und Jäger. Wilderer gibt es weniger, Tier- und Naturschutz sind in der Bevölkerung im Norden des Landes verbreitet. Dennoch werden immer wieder verbotene Fallen aufgestellt, vor allem gegen Wildschweine, die natürlich auch anderen Tieren zum Verhängnis werden. Und immer wieder kommt es zu Jagdunfällen. Im November 2020 etwa sind gleich zwei Bärinnen erschossen worden, in Velilla in Kastilien-León und in den Bergen Palencias. „Wir müssen das Thema Jagdgenehmigungen anders regeln. Die Gebiete, in den Bären leben, müssen respektiert werden“, sagt Palomero von der Braunbären-Stiftung.

2020 war in den spanischen Pyrenäen auch Sarousse erschossen worden, eine Bärin aus Slowenien, die 2006 in Frankreich ausgewildert wurde und im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Spanien lebte. Aus Slowenien stammt, wie viele andere Bären, die seit 1996 im Rahmen eines Wiederansiedelungs-Programms in die Pyrenäen gebracht wurden, auch Goiat. Der reißt Vieh und erzürnt die Landwirte. Wählerisch ist er nicht: ein Schaf, ein Lamm, ein Schwein, ein Fohlen und eine Stute sollen seine Opfer sein. In Frankreich sind deshalb auch viele Pferdezüchter gegen die Bären eingenommen.

Berühmter Bär in Spanien: Der kuriose Fall des Cachou

Berühmt war der Bär Cachou, der wie kein anderes Männchen zur Erholung der Bestände beigetragen hat. Sein Tod am 17. April 2020 im Vall d’Aran in den katalanische Pyrenäen ging Wochen durch die Presse und beschäftigte die Gerichte in Spanien monatelang. Wie sich herausstellte, wurde Cachou mit Frostschutzmittel vergiftet. Die Ermittlungen führten zu einer Überraschung. Fünf der zwölf Verdächtigen kamen im März 2021 ins Gefängnis. Die Polizei war beim Abhören der Verdächtigen auf Gespräche über Kokainhandel im Vall d’Aran gestoßen und konnte in einem parallelen Verfahren einen Drogenring ausheben. Fünf Mitglieder der Bande stammten übrigens aus Castellón de la Plana in der Region Valencia.

Die Bären in Spanien vermehren sich und weiten ihre Reviere aus, eben auch in die Nähe von Ortschaften. Ihre Lebensräume fallen Waldbränden zum Opfer oder werden durch Infrastrukturen wie Straßen oder Bahngleise zerstückelt. Manche Bären verlieren die Scheu und finden auf Müllkippen gefundenes Fressen. In Ibias, das zum Reservat Muniellos in Asturien gehört, wurde einer Bärin ein Sender verpasst, um zu sehen, wo sie sich aufhält, da sie sich immer wieder den Mülltonnen des Ortes näherte.

Begegnung mit einem Bär: So verhalten Sie sich richtig

2021 wurde eine Frau in Spanien auf offener Straße in Cangas de Narcea – ebenfalls Muniellos – von einem Tier sogar angegriffen. „Ein absoluter Einzelfall“, so Palomero. „Aber wir haben Protokolle entwickelt, um vorzubeugen, dass sich die Bären zu wohlfühlen in besiedelten Gegenden. Sie werden mit Böllern und Gummigeschossen vertrieben. Notfalls eingefangen. Dann bekommen sie ein Halsband mit einem Sender und können geortet und eventuell auch umgesetzt werden.“ Wer ein Tier in der Nähe von Ortschaften sichtet, solle sofort den Notruf 112 verständigen, der setzt das Protokoll in Gang. Im Herbst 2022 sorgte ein Bär für Aufsehen, der in Spanien mitten durch eine Kleinstadt spazierte.

Braunbär
In Märchen und Sagen werden Bären gerne als gemütlich und freundlich dargestellt. Videos von Bären-Kämpfen in Spanien beweisen das Gegenteil. (Symbolfoto) © Christophe Gateau/dpa/Archivbild

Für Begegnungen mit Bären gibt es verschiedene Regeln. Man soll die Ruhe bewahren und nicht schreien oder herumfuchteln, auf keinen Fall wegrennen, Bären schaffen 50 Stundenkilometer. In den Bergen soll man auf den autorisierten Wegen bleiben, nicht ins Dickicht und nicht an tote Tiere herantreten, die den Bären und anderen Raubtieren als Futterquelle dienen. Hunde müssen an der Leine laufen.

Klimawandel macht Bären in Spanien zu schaffen

Sorge machen den Wissenschaftlern auch die Auswirkungen des beschleunigten Klimawandels in Spanien auf die Bären-Populationen. Alle Studien stimmen überein, dass die Bären sich anpassen, aber die Nahrungsquellen sich ändern werden. Möglicherweise verzichten sie ganz auf die Winterruhe und sind das ganze Jahr über aktiv. In manchen Studien reduzieren sich die Braunbären-Bestände im Gebirge bis 2050 auf ein Viertel, denn weniger Nahrung bedeutet weniger Nachwuchs.

Die Stiftung FOP hat deshalb das Programm „Life – Bären mit Zukunft“ mit EU-Finanzierung und Unterstützung des Obersten Rats für Wissenschaftliche Forschung (CSIC) in Spanien gegründet. Seit 2020 werden fünf Jahre lang Kastanien gepflanzt. Die Bären lieben ihre Früchte. Aber durch den Klimawandel werden die Wälder der Berge ausgedünnt. Um zu verhindern, dass sich die Raubtiere den Kastanien in den Tälern und Ortschaften annähern, will das Programm für genügend Futterquellen im Gebirge sorgen.

Wenn die Bären zu wenig Früchte und Beeren finden, könnten sie beginnen, mehr Fleisch und Aas zu fressen. Das würde die Konflikte mit der Bevölkerung in Spanien verstärken. Wenn es ohnehin weniger Osos Pardos gibt und diese sich besiedelten Gegenden nähern und Weidetiere reißen, ist klar, wer den Kürzeren zieht. Und dann sind die Bemühungen um die Raubtiere wieder für die Katz.

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