Zurück vom Ende der Welt: Spuren der ersten Weltumsegelung

Am 6. September 1522 beendete Juan Elcano die große Reise, die Magellan drei Jahre zuvor begonnen hatte. Vor 500 Jahren war die Umrundung der Welt für den Menschen wie eine Mondlandung.
- Magellan beabsichtigte 1519 keine Weltumsegelung, sondern wollte sich für Spanien im Gewürzkrieg profilieren.
- Tür auf für die Globalisierung: Die epochale Reise bewies vor 500 Jahren, dass die Erde eine Kugel ist.
- Spuren bis an die Costa Blanca hinterließ Elcano, der 1522 die erste Weltumsegelung beendete.
Sanlúcar de Barrameda - Als Juan Sebastían Elcano am 6. September 1522 die andalusische Küste, die wir heute Costa del Sol nennen, erreichte, verlieh er der Weltgeschichte aus heutiger Sicht eine Sternstunde, die in Spanien 500 Jahre später groß gefeiert wird, trotz aller auch düsteren Folgen. Von fieser Machtpolitik, menschlichen Tragödien, Fehlern bis Abgründen gezeichnet war die erste Weltumsegelung, die Ferdinand Magellan im Jahre 1519 begonnen hatte und selbst nie abschloss. Aber die epochale Reise veränderte die Welt auch im Sinne der Wissenschaft und des Fortschritts für immer, verewigte Spanien auf der Weltkarte und hinterließ Spuren quer über die Erdkugel bis an die Costa Blanca.
500 Jahre erste Weltumsegelung: Rückkehr nach Spanien vom Ende der Welt
„Lass es Salzwasser sein“, denkt der Kapitän der nur noch aus vier Schiffen bestehenden Flotte aus Spanien beim Abbiegen in die Bucht, die tief ins Landesinnere taucht. Glaubt er noch daran, den Kontinent zu durchqueren? Monatelang, über zig Mündungen, hat er die Küste von Südamerika penetriert. Mit immer derselben Wasserprobe: Aus salzig wurde süß. Keiner der Flüsse führte also zum Meer auf der anderen Seite des Kontinents, der damals das Ende der Welt markiert. In wütende Augen blickt Kapitän Ferdinand Magellan. Es ist Ende Oktober 1520. Die Mannschaft ist die Mission mehr als leid, die am 20. September 1519 in Sanlúcar de Barrameda startete – und nun drauf und dran ist, im Desaster zu enden.
„El mundo es un pañuelo“ – Die Welt ist ein Taschentuch –, sagt man 500 Jahre später in Spanien, um auszudrücken, wie klein sie geworden ist. Das ist sie auch dank jener Mission, bei der der Mensch die Magellanstraße fand und erstmals die Erde umfuhr. Magellan, hatte die erste Weltumsegelung vor 500 Jahren gar nicht vorgehabt, als er vor der Abfahrt die Weltkarte vor sich ausrollte. Es könnte die Karte von Juan de la Cosa gewesen sein, die man heute im Museo Naval in Madrid bewundern kann. Die Karte von 1500 war die erste, die nach Kolumbus’ Entdeckung am 12. Oktober 1492 „Westindien“, Amerika, darstellte. Längst war klar, dass auf der Karte keineswegs die ganze Welt abgebildet war. Das starre Mittelalterdenken war vorbei. Der Mensch begann zu ahnen, wie wenig er eigentlich wusste.
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Ein Portugiese, für Spanien - Als hätte Yuri Gagarin in der US-Rakete gesessen
Kann sein, dass Draufgänger Magellan vor der Karte dennoch das Gefühl hatte, sich die Welt in die Tasche stecken zu können. Auf der Karte teilte ein dicker Strich den Atlantik. Damit hatten sich 1494 Spanien und Portugal in Tordesillas die Welt geteilt. Der Osten, bei Juan de la Cosa mit bunten Symbolen verziert, ging an Portugal. Den Westen mit dem noch unerforschten Amerika erhielt Spanien. Derselbe Strich ging durch Magellan, der eigentlich Fernão de Magalhães hieß. Für die Armada seines Landes hatte der Portugiese viele Verdienste vorzuweisen, gerade im scharfen Wettlauf um die asiatischen Gewürze. Vasco da Gama hatte 1497 den Weg nach Indien gefunden – über das Kap der Guten Hoffnung – und damit den direkten Zugang zu Curry, Zimt und Muskatnüssen.
Bisher hatten die Araber das Monopol auf die begehrten Stoffe, und rückten nie recht mit der Sprache raus, woher sie die exotischen Aromata hatten. Damit war es vorbei. Herrscher und Händler starteten das Rennen ins Gebiet, wo der Pfeffer wuchs. Ferdinand Magellan war mittendrin, als Soldat im Indischen Ozean, aber auch als Adeliger, der munter in den Sektor investierte. Welch Ironie, dass Magellan auf der Weltreise die Flagge von Spanien hisste! Die des Erzfeindes, der im Gewürzkrieg nie die Nase vor Portugal bekam. Heute stelle man sich zum Vergleich vor, dass vor 60 Jahren ein Yuri Gagarin in der US-Rakete gesessen hätte, die auf dem Mond landete. Magellan jedenfalls geriet durch die hochbrisante Aktion zwischen die Fronten.
Magellan voller Versprechen zum König - Reines Wunschdenken im Gewürzkrieg
Versucht hatte er es ja, Portugals König Manuel I. davon zu überzeugen, dass sich der Westweg zu den Molukkeninseln lohnte. Aber der Monarch winkte ab. Der Plan war ja nicht neu. Kolumbus hatte es schon vorgehabt – und war bis zum Tod überzeugt, es geschafft zu haben. Bei aller Liebe zu Ferdinand Magellan – verdienter, erfahrener Seemann mit einem enthusiastisch dargelegten Plan – meinte Manuel I., den alternativen Seeweg überhaupt nicht zu brauchen. Die Mission würde Unsummen kosten. Was für ein Aufwand – und Risiko – eine Weltumseglung heute noch ist, erfährt ein Nicht-Segler durch Sport-Events wie das Ocean Race. Dieses befährt Magellans Route rückwärts – technisch perfekt ausgestattet, exakt terminiert, Nahrung und Medizin rationiert.

Ferdinand Magellan hingegen konnte den Verlauf der Tour höchstens schätzen. Zudem warnten Mathematiker ihn davor, sich auf Berechnungen des Toscanelli zu stützen. Dieser vertat sich gehörig mit der Erdgröße, unter anderem, da er das alte ptolemäische Weltbild zu ernst nahm. Auch rechnete er nicht mit einem so großen Pazifik. Nur 29.000 statt 40.000 Kilometer Umfang traute Toscanelli der Erde zu. Das sollte sich später rächen. Im Stolz verletzt, zog es Magellan nach Spanien. Er trommelte ein illustres Team aus Politikern, Gelehrten und Händlern aus Spanien zusammen, das auf den blutjungen König Carlos I., später Karl V., einredete: Es gäbe einen Weg durch Amerika, über den man schneller auf der anderen Seite sei als Vasco da Gama.
Als Flotte Magellan-Straße entdeckt, wird Kapitän plötzlich überrumpelt
Dem nicht genug: Magellan könne beweisen, dass die Gewürzinseln, dem Vertrag von Tordesillas gemäß, in der Spanien-Zone lagen. Zwar waren die Versprechen nur Wunschdenken, doch für den im Gewürzkrieg unterlegenen König waren sie höchst attraktiv. Er sagte zu – stellte aber beim Abkommen im März 1518 Bedingungen. So durfte die Flotte weder Konflikte mit indigenen Völkern anzetteln, noch portugiesische Gewässer befahren. Bei Erfolg würde Magellan zum Ritter des Santiagoordens geschlagen, Herrschaftsgebiete am Zielort und Anteile am Gewinn erhalten. Die Kosten von acht Millionen Maravedís – umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro – übernahmen der König, der spanische Händlerklan Haro und auch die Fugger aus Deutschland.
Die Flotte verließ am 10. August 1519 Sevilla in Andalusien über den Fluss Guadalquivir – und steuerte Sanlúcar de Barrameda an. In Sevilla wurde der erste Akt des Jubiläums daher im Sommer 2019 bereits groß gefeiert. Und auch in Sanlúcar sorgte es im September vor drei Jahren für ein Fest, wobei im Hafen die Replik der Victoria („Sieg“) anlegte, es deinzigen Schiffes, das die erste Weltumsegelung vor 500 Jahren überstand. Der Kapitän des Originals war bei der Ankunft, drei Jahre nach dem Start, nicht mehr Ferdinand Magellan, sondern Juan Sebastián Elcano. Doch so weit sind wir noch nicht, und fahren auch nicht auf der Victoria. Sondern wir befinden uns im Oktober 1520 auf der Trinidad, dem größten Schiff der Flotte, mit Magellan als Kapitän.
Als Magellan – wie anfangs beschrieben – an der argentinischen Küste befiehlt, in die Bucht einzubiegen, verdrehen die Matrosen die Augen – und wenden sie plötzlich Richtung Meer. Was macht das Schiff San Antonio da? Das Schiff scheint den Kurs zu ändern. Tatsächlich! Die Verwirrung genutzt, dreht Kapitän Esteban Gómez um: zurück nach Spanien. Dort wird er von Magellans Eskapaden berichten. Dieser, von allen sowieso kritisch beäugt, hatte an Bord harte Hand walten lassen. Seine Gegner sperrte er ein, ließ zwei töten, und zwei weitere auf einer Insel zurück.
Magellan auf heutiger Weltkarte verewigt - Von Bucht in Rio de Janeiro bis Feuerland
Die Konflikte hatte der König von Spanien selbst angeheizt, als er kurz vor Start mit Juan de Cartagena, erster Kapitän auf der San Antonio, Magellan einen Rivalen vor die Nase setzte. Das konnte nicht gut gehen. In der Bucht San Julián südlich des Río de la Plata – so weit war kein Europäer gekommen – brachen die Dämme. Es kam zur Meuterei, die Magellan auf die geschilderte Weise abwehren konnte. Juan Elcano war übrigens einer von 40 Aufständischen, die verschont wurden – weil sie noch an Bord gebraucht wurden. Doch kaum wurde die Stimmung besser, fiel sie ins Bodenlose, als das Schiff Santiago sank. Dessen Crew wurde gerettet und umverteilt. Doch begeistert ist keiner, als es nur Tage später immer tiefer in die Bucht mit den steilen Ufern geht.
Zwischen diesen Ufern der heutigen Magellanstraße kommt ein Strom quer durch das Festland zutage. Im Wirrwarr durch faszinierende Berg- und Seelandschaften bleibt eines konstant – der Wassergeschmack! Nie war Magellan so glücklich über Salz auf der Zunge. Er hatte recht! Es gibt eine Durchfahrt durch Amerika! Am traditionsreichen Allerheiligentag gefunden, taufte der Katholik die Meerenge „Kanal Aller Heiligen“. Die Nachwelt änderte den Namen in Estrecho de Magallanes, also „Magellanstraße“. Die Weltkarte ist bis heute voller solcher Namen, die Magellans Reise entstammen. In Rio de Janeiro heißt die Bucht Santa Lucía, weil sie der Entdecker an Lucías Namenstag am 13. Dezember erreichte.
Und das Gebiet um die Magellanstraße blieb für die Besatzung aus Spanien nicht nur wegen der vielen unbekannten Tiere – Pinguine, Seelöwen – unvergesslich. Sondern auch, weil sich bei Nacht die Berge mit brennenden Punkten füllten: Feuer in den Lagern der Einheimischen. Vom Kanal aus muss das bemerkenswert ausgesehen haben. Der Name Feuerland blieb bis heute. 565 Kilometer weit trug der Kanal die drei Schiffe quer durch Südamerika, und als die Männer unter Magellan nach 38 Tagen schließlich das Meer sahen, muss es ein Fest gewesen sein. Denn sie waren ja fast da – meinten sie zumindest.
„Pazifik“? Von wegen - Monatelang litt Flotte von Magellan auf hoher See
Die friedliche Weite in einer herrlichen Wintersonne konnte doch nur die Zielgerade ins Gewürzparadies sein. Die Flotte deckte sich nicht einmal mit Proviant für den Rest des Weges über das still und einladend anmutende Gewässer ein, dem Ferdinand Magellan spontan den Namen „Pazifik“ gab. Was für ein Euphemismus! Denn nun rächten sich die Fehler in den Berechnungen – und die Reise wurde endgültig zur Qual. Vier Monate sollten die Seeleute kein Land mehr sehen, völlig verloren auf dem größten Ozean der Welt. Gut, dass sie nicht wussten, dass sie immer noch genauso weit von Europa weg waren, wie von den Molukken. Hunger, Hitze und Krankheit plagten die Reisenden zusehends. Rund 20 Mann starben.

Spätestens seit der Fahnenflucht des einen Schiffes vor der Durchquerung von Südamerika wusste Magellan jedoch, dass es kein Zurück, und nur die Flucht nach vorn gab. Er sollte sich hier nicht irren. Nach 13.000 Seemeilen war endlich Land in Sicht! Die Insel Guam bot der Mannschaft Rast und frische Früchte. Doch als sie dann Inseln der heutigen Philippinen erreichten, wussten sie, dass sich Magellan ordentlich verfahren hatte. Um die Molukken zu erreichen, müssten die Schiffe weit nach Süden fahren. Doch darauf hatte Magellan plötzlich keine Lust mehr.
Laut Vertrag mit der Grundherrschaft auf zwei Inseln in der Zielregion ausgestattet, verstrickte sich der Seefahrer in Machtspiele – nicht mehr an Bord, sondern an Land – und bezahlte es mit dem Leben. Bei einer Intrige gegen Häuptling Lapu-Lapu tötete dieser den Weltreisenden Magellan in der Schlacht von Mactan am 27. April 1521 und stieg zum ersten Nationalheld der Philippinen auf.
Magellans Weltumseglung bewies: Erde ist Kugel - Nur 18 von 250 kehrten heim
Der Held, der keiner Nation so richtig angehörte, endete hingegen tragisch. „Sie vernichteten ihn, der unser Spiegel, Licht, Trost, wahrer Führer war“, schrieb der italienische Bordchronist Antonio Pigafetta. Die heutige Auffassung von Magellan ist da kritischer. Sicher machte er einen großen Schritt für die Menschheit, aber interessiert war er vor allem an großen Schritten für sich selbst. Auf die Weltreisen folgte der Kolonialismus, der Menschen versklavte und ausbeutete. Doch der Beweis, dass die Erde eine Kugel war, brachte auch die Renaissance nach Spanien, die unter dem Nachfolger Carlos’ I., Felipe II., zu voller Blüte kam. In Bibliotheken wie im Klosterpalast El Escorial sammelte man neue Erkenntnisse über die immer kleiner und doch immer komplexer werdende Welt.
Die Kunde von Magellans Reise wäre dorthin allerdings nicht ohne eine vermeintliche Nebenfigur gekommen: Juan Sebastián Elcano. Nur weil der dritte Kapitän der Victoria Anfang 1522 beschloss, die Reise zu beenden, gelang die erste Weltumsegelung der Geschichte. Auf die Route des Hinwegs durchs spanische Gebiet verzichtete er lieber, und nahm verbotenerweise die bekannte Route an Afrika vorbei. Doch das Reiseabkommen hatte Magellan ja schon so gut wie in allen Punkten gebrochen.
Mit nur 18 Überlebenden der ursprünglichen 250-Mann-Crew aus Spanien sowie drei Sklaven von den Molukken erreichte der Nordspanier am 6. September 1522 – nach sieben Monaten Fahrt – den Startpunkt Sanlúcar de Barrameda. Dass er dort eine Art Mondlandung vollbrachte, wurde Elcano wohl erst langsam bewusst, als sein schwer beschädigtes Schiff nach Sevilla abgeschleppt wurde, und dort das Süßwasser des Guadalquivir berührte.

„Als Erster hast du mich umfahren“: Zumindest ein Testament
Einen feierlichen Empfang erhielt Juan Sebastián Elcano kurze Zeit später in Valladolid. Kaiser Karl V. erhob den Nordspanier 1522 in den Ritterstand. Zudem durfte der Seefahrer ein edles Wappen mit einer Erdkugel tragen, versehen mit dem lateinischen Satz „Primus circum dedisti me“: „Als Erster hast du mich umfahren“. Dennoch wurde der Mann, der die erste Weltumsegelung der Geschichte beendet hatte, nach und nach zu einem nur noch heimlichen Helden dieser epochalen Reise abgestuft. Schon 1526 starb Elcano bei einer Fahrt im Pazifischen Ozean. Bücher über seine Weltumsegelung hatte der Seefahrer zuvor leider nicht verfasst. Im Reisebericht des Chronisten Antonio Pigafetta wurde Juan Sebastián Elcano sogar nicht erwähnt.
Daher geriet der Name des Nordspaniers im Vergleich zum populäreren Ferdinand Magellan in den Hintergrund und ist heute selbst in Spanien nicht so bekannt, wie man meinen könnte. So ist auch Elcanos Widmung im Kloster Santa Faz, in Alicante an der Costa Blanca, eher ein Ziel für Insider. Ein kleines Modell des Schiffs, das um die Welt gesegelt war, hängt in dem kleinen Vorort vor einer Kachel-Tafel herab Sie erinnert daran, dass der Seemann der 1518 eingeweihten heiligen Stätte, in der eine Version von Christi Schweißtuch gehütet wird, nach der Weltumsegelung einen hohen Betrag spendete.
Das hatte der Seemann dem Kloster versprochen: im Testament, das er fernab der Heimat, in Bedrängnis auf hoher See verfasste. Auf diese Weise hinterließ Juan Sebastián Elcano auch eine Spur dessen, was ihn, den ersten Weltumsegler, - inmitten aller Machtkämpfe, Wettrennen und Abgründe - im Innersten so angetrieben hatte.