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Fiestas in Spanien: Moros y Cristianos sind im Sommer 2022 zurück

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Von: Anne Thesing

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Ein als Maure verkleideter Mann reitet auf seinem Pferd einen Strand entlang.
Fiestas in Spanien: Bei den Moros y Cristianos geht es im Sommer 2022 wieder richtig zur Sache. © Ángel García

Endlich wieder feiern: Nach zwei Jahren Corona-Pause ist im Sommer 2022 eine der beliebtesten Fiestas in Spanien, die der Moros y Cristianos, zurück. Es wird gekämpft, erobert, zurückerobert.

Pego - Damit haben seinerzeit wohl weder die Mauren noch die Christen gerechnet: Über fünf Jahrhunderte nach der Einnahme der letzten Mauren-Hochburg Granada durch die Christen sind die Auseinandersetzungen zwischen den damals verfeindeten Truppen nach wie vor Thema in Spanien. Wenn auch nicht unbedingt originalgetreu und wenn auch meist eher mit der Absicht, ausgiebig zu feiern, als historische Fakten in Erinnerung zu rufen. „Moros y Cristianos“, Mauren und Christen, heißt die Fiesta, die besonders an der Costa Blanca, allen voran in Städten wie Alcoy (im April) und Villajoyosa (Sommer 2022: 24. bis 31. Juli), aber auch in anderen Teilen Spaniens begangen wird. Mal größer, mal kleiner, meist zu Ehren des Stadtpatrons und immer mit viel Herzblut. Und das ganz besonders in diesem Sommer 2022, nachdem die spanischen Mauren und Christen wegen der Corona-Pandemie zwei Jahre lang auf ihr Highlight verzichten mussten.

Fiestas in Spanien: Moros y Cristianos mit historischem Hintergrund

Um die Fiesta der Moros y Cristianos historisch einordnen zu können, muss man ins Jahr 711 zurückgehen, als die Araber auf der Iberischen Halbinsel einfielen und innerhalb von nur 15 Jahren fast ganz Spanien kontrollierten. Die Reconquista (Rückeroberung) durch die Christen begann 722 und dauerte bis 1492, als das Königreich Granada an die Reyes Católicos fiel. Endgültig ließ Felipe III. die Moriscos, also die zum Christentum konvertierten Mauren, 1609 von der Halbinsel vertreiben. In der Zeit vor und nach der Rückeroberung lebten gerade viele Küstenorte in ständiger Angst vor Piratenangriffen.

Auf Außenstehende mag die Fiesta, die sich auf diese Ereignisse bezieht, zunächst befremdlich wirken. Aber spätestens beim großen Umzug der Moros y Cristianos, wenn die Teilnehmer in prächtigen Kostümen und zum Rhythmus der typischen Märsche durch die Straßen schunkeln, ist die Skepsis verflogen. Die Umzüge sind ein Hingucker, den sich kaum jemand entgehen lässt. Und je mehr man über diese Fiesta in Spanien weiß, umso mehr wird man sie auch als Zugezogener genießen können. Vielleicht sogar als Mitglied einer „Filà“ oder „Comparsa“, einer der Fiestagruppen?

Moros y Cristianos verstehen: Fiesta in Spanien mit eigener Sprache

„Es ist das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen allen, was mir am meisten gefällt“, sagt Laura Serna. Solange sie denken kann, ist sie bei den Moros von Pego, einem Ort im Hinterland der Costa Blanca, dabei. Im Sommer 2022 wird die Fiesta hier vom 24. bis 26. Juni gefeiert. Die maurische Musik, zu der Laura Serna als Mitglied der Filà Ha-ben-sahines marschiert, hat sie praktisch im Blut. Genauso wie ihrer Filà-Kollegin Xaro Sendra, die seit der Gründung der Ha-ben-sahines vor 37 Jahren fast immer den Posten des Cabo de Escuadra innehatte. Was das heißt? „Es ist die Person, die beim Umzug vor der Escuadra, also der marschierenden Gruppe, läuft und sie praktisch leitet. Ein bisschen wie beim Militär“, sagt Laura Serna, und schnell wird klar, dass man, um die Mauren und Christen zu verstehen, auch ihre Sprache kennen muss.

Zwar variieren Begriffe und Programm von Ort zu Ort, doch die groben Züge der Fiesta sind ähnlich. Da sind also, je nach Gemeinde, die „Filaes“ oder „Comparsas“ – die einzelnen Gruppen der Mauren und der Christen. „Jede Filà hat ihr eigenes Logo, ihre eigene Farbe, ihr Veranstaltungslokal (Anm. der Redaktion: ‚Cábila‘, ‚Barraca‘ oder ‚Cuartetillo‘), ihre Statuten und ihren Namen“, sagt Laura Serna. Wobei der Name der Filà, zumindest in Pego, von den Moros und Cristianos oft mit einem Augenzwinkern ausgewählt wurde. „Albardins“ zum Beispiel mag für viele nach einem historischen Begriff klingen. Einheimische aus der Region Valencia mit ihrem eigenen Valenciano verstehen es dagegen anders. „Al bar dins“ heißt hier „In der Bar“. Und auch hinter „Al-Garrapets“ verbirgt sich Überraschendes. Aus dem Valencianischen übersetzt bedeutet der Filà-Name soviel wie „Einen ordentlichen Schwips bekommen“.

Highlight der Fiestas nach über 50 Jahren: Moros y Cristianos im Sommer 2022

Filaes entstehen in Spanien oft aus einer Freundesgruppe. In Pego trägt die älteste den Namen Al-Hagamba-Muza (übersetzt soviel wie „Gambas mit Mayonnaise“), seit über 50 Jahren ist sie dabei - und freut sich nach der Coronapause ganz besonders auf diesen Sommer 2022. Ob neu dazukommende Gruppen Moros oder Cristianos werden, welcher der beiden „Bandos“ sie also bei der Fiesta angehören, können sie nicht selbst entscheiden. „Das bestimmt die Junta Central“, sagt Xaro Sendra. Der Fiesta-Vorstand setzt sich aus Vertretern aller Filaes zusammen und achtet unter anderem darauf, dass es ausgeglichen bleibt zwischen Mauren und Christen.

Einer der ersten Akte, bei dem diese sich dem Publikum präsentieren, ist die frühmorgendliche „Diana“. In Pego zum Beispiel beginnt sie um 7 Uhr und vermittelt ein ganz besonderes Ambiente. „Erst ist alles andächtig still, bis die Glocken siebenmal schlagen“, erzählt Xaro Sendra mit leuchtenden Augen. Dann gibt es eine besondere Vorführung, bei der die Escuadras zu der typischen Diana-Musik kunstvolle Figuren bilden.

Moros und Cristianos an der Burg: Fiesta mit Verhandlung und Schlacht

Weiterer Programmpunkt der Fiesta, der von Ort zu Ort in seiner Ausführung und Länge variiert, ist eine Art Theaterstück, oft „Embajada-Parlamento“ genannt. An der Burg – falls vorhanden einer echten, ansonsten einer nachgebauten – , treten die Botschafter („Embajadores“) der Moros und Cristianos in eine Verhandlung („Parlamento“), danach kommt es zur Schlacht. Während dafür in einigen Gemeinden in Spanien eifrig Pulver in die Luft geschossen und „Arcabuces“, also Schusswaffen aus dem 17. Jahrhundert, eingesetzt werden, entscheidet man sich in anderen für eine tänzerische Darstellung. Das Ergebnis: Die Christen siegen und erobern die Burg zurück.

Besonders spektakulär werden die Auseinandersetzungen zwischen Moros und Cristianos bei den Fiestas in einigen Küstenorten nachgespielt, in denen die Mauren, oft frühmorgens, beim „Desembarco“ übers Meer landen und am Strand ihre Schlachten mit den Christen austragen. Am bekanntesten ist an der Costa Blanca wohl die in Villajoyosa, aber auch in El Campello (2022: 11. bis 15. Oktober), Moraira (schon vorbei) und Santa Pola (Sommer 2022: 31. August bis 8. September) spielt sich das Geschehen am Meer ab.

Ein als Maure verkleideter Mann führt tanzend seine Fiestagruppe an.
Moros y Cristianos in Spanien: Eine Fiesta mit vielen Emotionen. © Ángel García

Fiesta ohne Ende: Moros y Cristianos stellen Gemeinden in Spanien auf den Kopf

Doch die Moros y Cristianos sind weit mehr als die nach außen getragene Show. „Wir feiern praktisch von Donnerstagmorgen bis Sonntagabend durch“, sagt Laura Serna. An den Tagen oder Stunden zwischen Gala-Umzügen und Präsentationen werden die Cábilas anderer Filaes besucht, es gibt kleine Konzerte, informelle Umzüge, große und kleine Partys. Der abschließende Umzug, der Höhepunkt der Fiesta, kann an einem oder zwei Tagen stattfinden, mit Moros und Cristianos getrennt oder gemeinsam. An diesem Tag können die Teilnehmer endlich in ihre prächtigen Kostüme steigen, die in Spanien entweder aus Städten wie Villena, Ontinyent oder Alcoy ausgeliehen oder Eigentum der Festleute sind.

Besonders groß raus kommt dabei die Filà, die in dem entsprechenden Jahr die Capitanía innehat. Je nach örtlichen Gepflogenheiten gibt es pro Jahr eine Capitanía der Moros und eine der Cristianos oder aber, oft aus finanziellen Gründen, insgesamt nur eine. Denn Capitanía zu sein, ist nicht nur eine Ehre, es ist auch teuer. Beim Gala-Umzug der Fiesta zum Beispiel geht der Kapitäns-Filà in einigen Jahren ein von ihr bezahlter „Boato“ voraus – ein großes Spektakel aus Akrobaten, Tanz und Tieren. Es folgen, wie bei den anderen Filaes auch, die „Escuadras“, also die einzeln marschierenden Gruppen einer Filà. Kunstvoll geführt werden sie jeweils vom „Cabo“, dem Kopf der Escuadra.

Bei der Capitanía zeigt sich zudem ein prächtig geschmückter Wagen dem Publikum, auf dem der Capitán, also der diesjährige Anführer, thront. Ebenfalls eine herausragende Bedeutung hat der „Abanderado“, der Fahnenträger der Filà.

Eine Gruppe von als Mauren verkleideten Frauen marschiert durch eine von Zuschauern gesäumte Strasse.
Moros y Cristianos in Spanien: Aufmarsch bei der Fiesta in Alcoy. © Ángel García

Fiestas in Spanien: Kapellenmusik darf nicht fehlen

Ob für die Fiesta der Moros y Cristianos viel geprobt werden muss, damit bei dem Umzug alle gleichmäßig und festlich im Rhythmus schreiten? Tatsächlich sei es manchmal gar nicht so einfach, eng aneinandergeschmiegt zu marschieren, sagt Laura Serna. „Besonders bei den Kurven muss man aufpassen, dass alle sich parallel drehen.“ Aber mit dem Proben nehme man es nicht ganz so ernst. „Wir hören ja die ganzen Tage zuvor Moros-Musik in der Cábila, wir üben also praktisch ständig“, sagt sie lachend.

Apropos Musik: Um die ganzen Fiesta-Tage über bis hin zum Umzug musikalisch begleitet zu werden, engagiert jede Filà ihre eigene Kapelle, die tagelang die typische Moro- beziehungsweise Cristiano-Musik trommelt und bläst. Spätestens wenn diese Musik erschallt, weiß jeder im Ort: Eine der traditionellsten Fiestas Spaniens hat begonnen und wird die Stadt für einige Tage in einen Ausnahmezustand versetzen.

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