1. Costa Nachrichten
  2. Spanien
  3. Land und Leute

Die Mutter aller Fiestas: So spektakulär feiert Algemesí - Tipps für Sommer-Feiern in Spanien

Erstellt:

Von: Judith Finsterbusch

Kommentare

Eine Madonnen-Figur wird in eine Kirche getragen, der Eingang ist umrahmt von Menschentürmen.
Einer der Höhepunkte der Fiesta in Algemesí: Einzug der Jungfrau in die Kirche, umrahmt von Menschentürmen. © Pau Fotograf

Im Sommer reiht sich in Spanien eine Fiesta an die nächste. Eine der spektakulärsten veranstaltet Algemesí in der Region Valencia. Hier feiert die ganze Stadt mit, die Feier erzählt praktisch die valencianische Geschichte komprimiert in bis zu sieben Stunden andauernden Prozessionen. Welche Fiestas im Sommer außerdem sehenswert sind.

Algemesí – Es ist heiß in Algemesí. Der Hochsommer ist zwar vorbei, aber nur knapp, auch Anfang September kann das Thermometer in der Kleinstadt 35 Kilometer südlich von Valencia noch leicht auf 30 Grad klettern. Trotzdem ist die ganze Stadt auf den Beinen, versucht, einen der Stühle entlang der Straßen im Zentrum zu ergattern. Die Spannung in der Luft ist greifbar, denn gleich folgt der Moment, auf den die Bewohner das ganze Jahr gewartet haben: die Fiesta zu Ehren der Schutzheiligen Nuestra Señora de la Salud, eine der spektakulärsten Feiern im Sommer in Spanien.

Sehenswerte Fiesta in Spanien: Feier in Algemesí ist Weltkulturerbe der Unesco

Es ist nicht irgendeine weitere (Spät-)Sommer-Fiesta in Spanien, sondern quasi die Mutter aller Fiestas in der Region Valencia. Vom valencianischen Kultusministerium ist die Feier als Kulturgut BIC geschützt, von der spanischen Zentralregierung als Fiesta von nationalem und internationalem Interesse, sie ist eine von zwölf immateriellen Kulturschätzen Spaniens, eines der sieben valencianischen Wunder – und seit Ende 2011 Unesco-Weltkulturerbe. Ein beachtlicher Reigen von Auszeichnungen für die Fiesta eines 27.000-Seelen-Ortes – die im Übrigen nur zwei Tage dauert.

„Unsere Fiesta ist eine Zeitreise durch die valencianische Geschichte“, sagt Felipe Estrela Roca vom Organisationskomitee sichtlich stolz. Nicht umsonst befindet sich das valencianische Fiesta-Museum in Algemesí. Erzählt wird die valencianische Geschichte während der Fiestas ausschließlich anhand von Tänzen. „Es gibt 17 Gruppen, sogenannte collas, die die verschiedenen Tänze während der Prozessionen aufführen“, sagt Estrela. Und: Während andere Fiestas spätestens seit der Wirtschaftskrise um Mitstreiter kämpfen, hat in Algemesí jede einzelne colla hat Wartelisten, ein Platz wird in aller Regel nur frei, wenn ein älteres Mitglied das Feld räumt. Doch der Reihe nach.

Schweißtreibende Fiesta in Spanien: Wer in Algemesí mitmachen will, muss sportlich sein

Algemesís Fiesta besteht im Grunde genommen nur aus drei Prozessionen. „Es ist eine sehr volkstümliche Feier mit religiösem Hintergrund. Wobei natürlich längst nicht alle Teilnehmer oder Zuschauer gläubig sind“, sagt Estrela. Die drei Prozessionen verteilen sich auf zwei Tage: Am Abend des 7. September gibt es einen ersten Umzug, die Procesión de las Promesas, am 8. September zwei, morgens die kurze Processoneta del Matí, abends die Procesión de vuelta general. „Die späte beginnt gegen 19 Uhr an der Basilika und endet erst gegen 2.30 Uhr“, sagt Estrela. Über sieben Stunden laufen und tanzen die Teilnehmer also durch die Straßen – eine Höchstleistung.

Menschen in Fiesta-Kleidung formieren einen Turm.
Sieht wackelig aus, ist aber bis ins kleinste Detail geplant: Muixerangas, Menschentürme, bei der Fiesta in Algemesí. © Pau Fotograf

Eine der beliebtesten Gruppen ist die Muixeranga. Dabei bauen die Teilnehmer Menschentürme, ähnlich wie die katalanischen Castells im Nordosten von Spanien, wobei es bei den Muixerangas weniger um die erreichte Höhe geht als vielmehr um ein Ritual mit religiösem Hintergrund, um die Darstellung plastischer, figurativer Szenen, um einen Tanz. Algemesís Muixerangas beschränken sich nicht darauf, „nur“ bis zu sechs Stockwerke hohe Türme zu bauen, die fertigen Stapel bewegen sich durch die Straßen und sogar in der Kirche – ein Spektakel, das für den Zuschauer wacklig aussieht, aber bis ins kleinste Detail geplant ist. Seit 1723 gehören die Muixerangas zur Fiesta in Algemesí, verändert wird an den einzelnen Ritualen wenig bis nichts. „Mittlerweile trägt das Kind, das ganz oben steht, einen Helm. Und wir haben seit ein paar Jahren eine neue Muixeranga, bei der Frauen mitklettern“, sagt Estrela. Algemesí ist übrigens einer der ganz wenigen valencianischen Orte, in denen die menschlichen Pyramiden heute noch zu sehen sind.

Hüpfen, springen, tanzen: Höhepunkte der Fiesta in Algemesí

Ein weiterer tänzerischer Höhepunkt sind die Tornejants. Hier sind nur Männer erlaubt, die in schweren Kostümen mit einer Art Degen durch die Straßen tanzen – oder besser gesagt hüpfen. Zum Takt von Trommelschlägen werfen sie die Degen in die Höhe und fangen sie wieder auf, dabei sind die Füße selten auf dem Boden, ein Sprung folgt auf den nächsten – ein Kriegstanz und eine Meisterleistung im Spätsommer, über sieben Stunden, und mit mehreren dicken Kleidungsschichten. „Diese Tänzer sind Athleten. Einige laufen ab dem Frühjahr Halbmarathons, um im September fit für die Prozessionen zu sein“, sagt Estrela.

Eine Gruppe verkleideter Männer tanzt Folklore auf der Straße.
Hier werden Fiesta-Leute zu Athleten: Die Tornejants tanzen, hüpfen und drehen sich stundenlang in Algemesí. © Pau Fotograf

Die Llauradors, Feldarbeiter, tanzen wiederum in typisch valencianischer Tracht Boleros und erinnern an die ländlichen Traditionen, im Fall von Algemesí den Anbau von Reis und Orangen. Zu Reichtum brachte es die Kleinstadt im 17. Jahrhundert mit Seidenproduktion und -handel, bei der Fiesta repräsentiert von der Carxofa. Dabei handelt es sich um einen Stab, an dessen oberen Ende lange Stoffbänder angebracht sind, die unten von den Tänzerinnen gehalten werden. Durch ihre Drehungen flechten die weiß gekleideten Mädchen im Laufe des Tanzes einen bunten Zopf um den Stab, ist er fertig, öffnet sich oben ein Behälter, aus dem eine weiße Taube gen Himmel fliegt. Auch Kinder dürfen mittanzen, sie verkleiden sich als Pastorets, Hirten, oder spielen in kleinen Theaterstücken Geschichten aus der Bibel und religiöse Episoden aus Algemesí nach. Es gibt die Arquets, ein Tanz mit stoffbespannten Bögen, und die Bastonets, ein atemberaubend schneller Kriegstanz mit Stöcken und Metallplatten.

Keine Fiesta in Spanien ohne die Kirche: Algemesí feiert Jungfrau aus Schutzpatronin

Doch auch wenn die Tänze Traditionen und Geschichte des Orts und der Region aufgreifen: Keine Fiesta in Spanien ohne religiösen Hintergrund, irgendein Heiliger oder eine Jungfrau hat immer Schuld am bunten Treiben. In Algemesí verehrt man die Virgen de la Salud. Die Legende erzählt, dass ein Bauer 1247 die Figur der Muttergottes in einem hohlen Maulbeerbaumstamm entdeckte, an der heutigen Calle Berca, wo nach dem Fund eine Kapelle gebaut wurde. „Die Figur ging mehrfach verloren, tauchte aber immer wieder auf. Im Bürgerkrieg wurde sie dann zerstört, heute wird bei den Prozessionen eine Replik durch die Straßen getragen“, erklärt Estrela.

Zum Thema: Die „bessere“ Feria - Tradition und Folklore in Antequera

Wie eng die Bewohner Algemesís mit ihrer Fiesta und ihrer Madonna verbunden sind, zeigt nicht nur die Tatsache, dass rund 3.000 der 27.000 Einwohner aktiv teilnehmen. „Die Krone der Marienfigur ist aus Gold. Nach der Zerstörung der Figur spendeten die Einwohner Schätze, die sie im Bürgerkrieg versteckt hatten: Eheringe, Goldketten, Armreifen. Daraus wurde die neue Krone geschmiedet“, sagt Estrela. Ein weiteres religiöses Symbol der Prozessionen ist ein Kreuz aus Silber, die Reihenfolge, wer vor und hinter der Jungfrau und dem Kreuz tanzen darf, ist streng festgelegt.

Fiesta mit Tradition: Sommer-Feier seit Jahrhunderten

Seit wann Algemesí sein Patronatsfest feiert, ist nicht ganz klar. Einen ersten Hinweis liefert eine Rechnung aus dem Jahr 1610 über die Kosten einer Fiesta zu Ehren der Jungfrau am Fundort in der Calle Berca. Seit 1680 wurde die Feier wohl auf weitere Straßen ausgeweitet, spätestens seit 1747, zum 500. Jahrestag des Funds, findet die Fiesta in ähnlicher Form wie heute statt, mit ihren drei Prozessionen zwischen Basilika und Kapelle. Begleitet werden die Tänzer dabei von über 200 Musikern, jede Gruppe hat ihre eigenen Stücke, gespielt wird fast ausschließlich die valencianische Flöte Dolçaina und die Trommel Tabalet – natürlich hat Algemesí eine eigene Musikschule, die nur diese beiden Instrumente unterrichtet.

Zum Thema: Keine Fiesta ohne Feuerwerk - Pyrotechnik-Meister von der Costa Blanca

Es ist heiß in Algemesí. Trotzdem werden am Abend des 7. September alle mit Inbrunst tanzen und musizieren. Am nächsten Morgen steht für sie mit Abstand die kürzeste, aber trotzdem spektakuläre Prozession an: Dann treffen alle Gruppen auf der Plaza Mayor zusammen und tanzen gleichzeitig, jede colla in ihrem eigenen Takt mit ihrem eigenen, jahrhundertealten Ritual. Und am Abend folgt der siebenstündige Tanz-Marathon. Immerhin, eins bleibt den Tänzern heute erspart, erzählt Estrela: „Früher sind die Teilnehmer nach der Prozession im Morgengrauen direkt raus aufs Feld, um den Reis zu ernten. Die Gefahr, die Ernte bei Unwettern nach dem Sommer zu verlieren, war zu groß.“

Weitere sehenswerte Sommer-Fiestas an Costa Blanca, Costa Cálida, Costa del Sol

Moros y Cristianos an der Costa Blanca: An der ganzen Costa Blanca beliebt sind die Moros y Cristianos, bei denen erst die Mauren die Christen besiegen, letztere aber den finalen Sieg erringen. Die verschiedenen Fiesta-Gruppen tragen aufwändige Kostüme, es gibt spektakuläre Umzüge, Schaukämpfe, Feuerwerk und Burg-Eroberungen. Nächste Termine für Moros y Cristianos: Dénia, bis 16. August. Mutxamel, 7. bis 12. September.

Tomatina, Buñol: Zur Tomatina kommen Besucher aus der ganzen Welt in das Dorf Buñol (Valencia), um sich einmal in ihrem Leben mit überreifen Tomaten zu bewerfen – zu Tausenden. Termin ist dieses Jahr am Mittwoch, 31. August. Eintrittskarten zum Mitwerfen gibt es online.

Weinfest Jumilla: Die Weine aus der Region Murcia haben sich international längst einen Namen gemacht. Jumilla ist eines der Weingebiete und feiert bis zum 21. August ein großes Fest der Weinernte, das zur Fiestas von regionalem touristischen Interesse erklärt wurde. Bei dem Fest dreht sich alles um den Wein, seine Kultur sowie die traditionellen Arbeiten, die mit dem Anbau der Rebe und der Herstellung des Weins verbunden sind.

Gemüse, Fisch und Folklore in Los Alcázares: Noch bis 24. August feiert Los Alcázares die Semana Internacional de La Huerta y El Mar, die zur Fiesta von regionalem touristischen Interesse erklärt wurde. Die Straßen und Plätze sind voller Buden, die typische Gerichte und Getränke anbieten. Parallel findet ein Folklorefestival statt.

Römer und Karthager in Cartagena: Vom 17. bis 26. September feiert die Stadt Cartagena ihre wichtigsten Fiestas. Das historische Fest „Carthagineses y Romanos“ wurde im Juni 2017 zur Fiesta von internationalem touristischen Interesse erklärt und zieht jedes Jahr tausende von Besuchern an. Die Teilnehmer spielen den Punischen Krieg zwischen 218 und 201 vor Christus nach. Damals kämpften die See- und Handelsmacht Karthago und das junge Römische Reich gegeneinander, das letztlich als Sieger aus dem Konflikt hervorging. Höhepunkte der Fiestas sind die Ankünfte der Karthager und der römischen Truppen im Hafen von Cartagena, die Schlacht auf der Cuesta de Batel, die Umzüge der Römer und der Karthager und ein Gladiatoren-Kampf. Die Fiesta endet mit einem Feuerwerk.

Feria de Málaga: Málaga feiert seine Feria mit Flamenco-Charme noch bis 20. August mit Stierkämpfen, Pferde- und Kutschenparaden. Gefeiert wird mittags im Umfeld der Calle Larios, nachts geht das Treiben auf dem Festgelände im Cortijo de Torres hinter dem Messezentrum weiter, wo ein Rummel aufgebaut ist und auch eine Freiluft-Bühne für Konzerte namhafter Musiker und Bands.

Feria de Almería: Die Feria in Almería bringt vom 19. bis 27. August nicht nur die Stadtbewohner, sondern auch etliche Almerienser aus dem Rest der Provinz zusammen. Gefeiert wird ab dem Mittag in den Festlauben der Feria del Mediodía im Umfeld des Paseo de Almería. Abends verlagert sich das Geschehen auf das Festgelände zwischen dem Fußballstadion und dem Ufer des Andarax. Dort werden neben einem Rummel auch eine Reihe hochkarätiger Konzerte geboten.

Feria Real de Puente Genil: Puente Genil, in der Provinz Córdoba, feiert seine Feria schon seit 1670, dieses Jahr seit dem 14. und noch bis 19. August. Zum Auftakt gibt es das große Flamenco-Festival Cante Grande. Die Feria gilt als besonders traditionell und das malerische Städtchen bietet die perfekte Kulisse dafür.

Weinfest in Jerez: Ab dem 3. September feiert Jerez de la Frontera zwei Wochen lang sein Weinfest rund um die Burg, die Fiesta de la Vendimia für Sherry- und Tapasfreunde. Besucher können Traubentreten, es gibt natürlich Flamenco, Weinproben, Konzerte und Ausstellungen.

Auch interessant

Kommentare