- 0 Kommentare
- Weitere
Aktualisiert:
Rasante Entwicklung
Fleisch aus dem 3D-Drucker: Auch in Spanien arbeiten Startups an Alternativen
- VonAndrea Beckmannschließen
Es klingt nach Science-Fiction und mag sich verrückt anhören, doch viele sehen darin die Zukunft der Ernährung der rasant ansteigenden Weltbevölkerung. Schon in wenigen Jahren soll künstlich erzeugtes Fleisch aus dem 3D-Drucker erhältlich sein - auch aus Spanien.
Immer mehr Startup-Unternehmen arbeiten mit Nachdruck an der Erforschung dieser alternativen Ernährungsform. Auch Spanien bleibt da nicht außen vor. Wie überall auf der Welt entstehen auch hier neue Ansätze, um unsere Ernährung umweltschonender zu gestalten. Während jedoch in Singapur, dem ersten Land weltweit, das künstliches Fleisch bereits zugelassen hat, schon Chicken-Nuggets konsumiert werden, die zum Teil aus kultiviertem Hähnchenfleisch bestehen, wird es in Spanien noch einige Zeit dauern, bis man diesen Fleischersatz in Restaurants und Supermärkten angeboten bekommt. Das meint unter anderem Daniel Rico, Gründer des Startup in Cizur Menor (Navarra).
Spanien: Noch keine verbindlichen Daten zum Gesundheitswert von künstlichem Fleisch
Doch ganz unumstritten ist die revolutionäre Form der Fleischproduktion nicht. Forscher von In-Vitro-Fleisch betonen zwar, dass sich das Fleisch so züchten lässt, dass es mehr gesundheitsförderliche und weniger schädliche Bestandteile enthält, indem man zum Beispiel Vitamine zusetzt, und Startups aus Spanien versichern, dass sich gezüchtetes Fleisch kaum vom Original unterscheidet. Weil Laborfleisch aber bislang kaum konsumiert wird, gibt es noch keine verbindlichen Daten zum Gesundheitswert. Dies müsste die EU vor der Zulassung genauer prüfen lassen, unabhängig von den Herstellerstudien.
Synthetisches Fleisch aus dem Labor, das im 3-D-Drucker, auch Lebensmitteldrucker genannt, hergestellt werden kann, soll wie richtiges Fleisch schmecken und auch von der Konsistenz her dem echten tierischen Produkt nahe kommen, da es aus Fleischzellen gezüchtet wird. Aber auch die Version eines 3D-gedruckten Steaks pflanzlichen Ursprungs soll in nicht allzu ferner Zukunft den Markt in Spanien und anderswo revolutionieren.
Das bislang größte Steak, das im Labor gezüchtet werden konnte und für das kein Tier sterben musste, wurde vergangenen Dezember von dem israelischen Unternehmen MeaTech präsentiert. Das Unternehmen gab bekannt, dass es 104 Gramm wog und aus echten Muskel- und Fettzellen bestand. Dafür wurden einem Rind Stammzellen entnommen, diese im Labor vermehrt, und anschließend die Zellmasse mit einem 3D-Drucker in Steakform gebracht.
Spanien: Produktion von Fleisch aus dem Labor ist teuer
Neu ist diese Technik nicht. MeaTech hat aber den Reifeprozess perfektioniert. „Wir haben uns damit im Rennen um die Entwicklung hochwertiger zellbasierender Fleischprodukte an die Spitze gesetzt“, sagte Firmenchef Sharon Fima dem „Guardian“. Man arbeite auch an der Entwicklung von zellgezüchtetem Schweine- und Hühnerfleisch, heißt es auf der Homepage des Unternehmens.
Verbindliche Angaben über die Herstellungskosten macht MeaTech nicht. Bisher sei die Produktion noch kostspielig, meinen Experten in Spanien. Das Wettrennen um den künstlichen Fleischmarkt hat dennoch längst begonnen. Weltweit experimentieren Unternehmen mit der Zellkultivierung und pflanzlichen Stoffen. Das ebenfalls israelische Unternehmen SuperMeat stellt zum Beispiel Fleisch aus tierischen Zellen her, die befruchteten Hühnereiern entnommen werden, und verwendet Muskel- und Bindegewebszellen. Diese werden mit einer pflanzlichen Lösung angereichert, die Proteine, Fett und Mineralien enthält.
Spanische Startup-Unternehmen wollen realistische Fleisch-Alternative
Bereits seit 2018 forschen Unternehmen am 3D-Druck von protein- und stärkebasierten Lebensmitteln wie etwa veganem Fleisch. Rohstoffe werden dafür mechanisch oder thermisch verarbeitet, um sie druckbar zu machen. Doch nicht nur die Fleischversorgung könnte schon bald aus Laboren kommen. Bio-Wissenschaftler der Universität Lissabon arbeiten an der Herstellung eines im Labor gezüchteten Fischfilets, das aus Wolfsbarschzellen kultiviert wird. Besonders interessant: Es soll nicht nur ohne Gräten, sondern auch frei von Quecksilber und Mikroplastik sein.
Die Vorteile für das Tierwohl, aber auch für die Ökologie sind unbestritten. Die Fleischproduktion – jährlich werden Milliarden Tiere für den Fleischkonsum gezüchtet und geschlachtet – setzt mehr Treibhausgase frei als der Verkehrssektor. Startup-Unternehmen, die in synthetischem beziehungsweise pflanzlichem Fleisch- und auch Fisch- sowie Meeresfrüchteersatz die Zukunft sehen, arbeiten deshalb auch in Spanien mit Hochdruck an der Perfektionierung einer Technologie, die es ermöglicht, eine möglichst realistische Alternative zum Originalprodukt zu schaffen. Sei es unter Verwendung von tierischen Fleischzellen oder auf der Basis von pflanzlichen Produkten wie Erbsen, Reis, Algen und Olivenöl.
Spanien isst viel Fleisch: Alternativen aus dem 3D-Drucker sollen interessant werden
Noch begegnen viele Konsumenten dem Fleischersatz aus dem Lebensmitteldrucker mit Skepsis. Firmen wie etwa das Startup-Unternehmen Cocuus aus Navarra geben sich deshalb alle Mühe, das Fleisch auf pflanzlicher Basis in Geschmack, Aussehen, Textur und Nährwert interessant zu machen. Eine denkbare Alternative für Länder mit hohem Fleischkonsum, wie etwa Spanien. Mit einem Pro-Kopf-Verzehr von nahezu 100 Kilogramm pro Jahr zählt das Land zu einem der größten Fleischverbraucher Europas.
Längst sind sich Klimaforscher einig, dass der Fleischkonsum nicht unerheblich zum Klimawandel beiträgt. Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zufolge sind weltweit mehr als 14 Prozent der Treibhausgase der Viehzucht und etwa 13 Prozent den Tiertransporten geschuldet. Wissenschaftler räumen In-Vitro-Fleisch aber nicht allein aus Umweltgründen, sondern auch aus der Notwendigkeit, die Weltbevölkerung auf Dauer satt zu bekommen, gute Chancen ein, sich auf dem Markt zu behaupten.
Experte aus Spanien: „Suche nach neuen Proteinquellen ist notwendig“
Luis Cintas, Professor für Biologie-Wissenschaften und Ernährungsexperte, erklärte in einem Interview mit der spanischen Zeitung „La Razón“ unter anderem: „Die Weltbevölkerung wird sich bis 2050 um etwa zwei Milliarden auf 9,7 Milliarden Menschen erhöht haben. Dies macht die Suche nach neuen, qualitativ hochwertigen Proteinquellen notwendig.“
Während sich der Bedarf an Fleisch in den kommenden 30 Jahren schätzungsweise um mehr als 70 Prozent erhöhen werde, sei davon auszugehen, dass die Produktion von herkömmlichem Fleisch aus der Massentierhaltung dieser Entwicklung nicht standhalten kann. „Kultiviertes Fleisch stellt deshalb die Lösung für die Zukunft dar“, meint der Wissenschaftler aus Spanien.
Interview zu Fleisch aus dem 3D-Drucker: „Profitieren vom Wissen der anderen“
Die Startup-Firma Cocuus in Cizur Menor (Navarra), die mit dem spanischen Zentrum für Technologie und Ernährungssicherheit (CNTA) zusammenarbeitet, ist in Spanien führend in der Forschung über synthetisches Fleisch. Das Unternehmen ist bereits in der Lage, acht Kilogramm In-Vitro-Fleisch pro Minute zu produzieren. Costanachrichten sprach mit Daniel Rico, der die Firma 2017 mit Patxi Larumbe gegründet hat.