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Essen in Schichten: Spanien führt Double Seating in Restaurants und Bars ein

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Von: Thomas Liebelt

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Britische Touristen sitzen auf der Terrasse eines Restaurants in Benidorm.
Die Restaurants in Benidorm wollen in der Hauptsaison alle Kapazitäten ausnutzen. © David Revenga

Wer nicht rationalisiert, stirbt: Spaniens Gastronomie führt das Double Seating ein und belegt Tische doppelt. Speisen die Gäste unter Zeitdruck? 

Madrid – Die Gastronomie in Spanien ist ein hartes Geschäft. Besonders in diesen Zeiten: Mieten steigen, Produkte werden immer teurer, gutes Personal ist knapp – und wenn man es findet, will man es halten mit geregelten Arbeitszeiten und brauchbarem Lohn. Welcher Gastronom unter diesen Bedingungen nicht rationalisieren kann, bleibt auf der Strecke. So gehen immer mehr Restaurants dazu über, ihre Tische mittags und abends zweimal zu vergeben. Double Seating nennt man das.

Spanien isst in Schichten: Immer mehr Restaurants führen Double-Seating-Betrieb ein

Die Vorteile für Restaurantbesitzer liegen auf der Hand: Die Auslastung ist effizienter, der Umsatz bei gleichem Einsatz der Mittel deutlich größer. Ob das dem Gast gefällt, ist die andere Frage. Wenn er gerade am Espresso nippt und schon vier hungrige Touristen erwartungsvoll auf seinen Tisch schielen. Andererseits kann der Gast bei einem Double Seating-Betrieb davon ausgehen, dass zügig bedient wird und er keine halbe Stunde warten muss, bis das erste Glas Weißwein auf dem Tisch steht. Wie auch immer: Die in Spanien so beliebte Angewohnheit, nach dem Essen noch gemütlich bei der einen oder anderen Copa im Restaurant zusammenzusitzen, das sogenannte Sobremesa, das allerdings wäre dann wohl vorbei.

Viele Restaurants mit angeschlossener Bar – so es sie denn gibt – schmeißen den Gast auch nicht direkt raus, sondern komplementieren ihn dorthin für den Espresso oder die Copa. Und so weit wie in den USA, wo man unaufgefordert die Rechnung erhält, wenn man nichts mehr bestellt, ist man in Europa und in Spanien noch nicht. Aber selbst Bars haben inzwischen das Double Seating für sich entdeckt, damit Gäste nicht endlos auf der Terrasse sitzen. Nicht selten weist ein Schild auf dem Tisch auf die begrenzte Sitzzeit hin. Neue Zeiten also, auf die sich Ausgehfreudige einstellen müssen – adiós Gemütlichkeit.

Schichtbetrieb in Spaniens Gastronomie: Betreiber weisen auf Vorteile des Double Seating hin

In Restaurants werden die Gäste meistens beim Eintritt dezent darauf hingewiesen, wann sie – bitte schön – den Tisch wieder freigeben sollten. So kann ein Restaurant mit 60 Sitzplätzen an einem Abend 120 Gäste bewirten. Im Großen und Ganzen nimmt das Modell in der spanischen Gastronomie zu, weiß Jorge Bretón, Küchen-Koordinator der kulinarischen Stiftung Basque Culinary Center (BCC) in San Sebastián. Wenn die Corona-Pandemie etwas bewirkt habe, sagte Bretón, dann sei es, „dass die Gäste ein Bewusstsein dafür entwickelt haben, dass Rationalisierung in der Gastronomie nötig ist“.

Sicherlich lässt sich der Zwei-Schichten-Betrieb nicht in jedem Restaurant in Spanien realisieren. Wer Fünf- oder Sechs-Gänge-Menüs anbietet, dürfte damit nicht fahren können. Aber selbst Top-Gastronomen wie die Roca-Brüder haben sich in ihrem neuen Restaurant Normal in Girona darauf eingestellt. So wurden die Essenszeiten vorgezogen. Mittags ist bereits ab 12.30 Uhr offen, das Abendessen wird bereits ab 19.30 Uhr serviert. Doch selbst in ihrem Edel-Restaurant El Celler de Can Roca operieren sie schon seit Jahren mit einem Zwei-Schichten-Turnus. Allerdings beim Personal. Eine Schicht von 8 bis 16 Uhr, die zweite von 15 bis 23 Uhr – mit jeweils getrennten Teams. Nicht nur in der Top-Gastronomie hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Personal ein wichtiges Gut ist, das gepflegt werden will. Geregelte Arbeitszeiten und akzeptabler Lohn gehören dazu.

So gesehen werde sich der Zwei-Schichten-Betrieb sowohl bei der Besetzung der Tische als auch beim Einsatz des Personals in der Gastronomie durchsetzen, ist Bretón überzeugt. „Diese zwei Schichten werden den Fortbestand von Restaurants sichern.“ Zwar erfordere dieses Modell einen höheren Personaleinsatz. „Aber es hilft, das Personal zu halten“, sagt Bretón. Und eine bessere Auslastung der Tische sorgt für mehr Umsatz, was wiederum den Löhnen zugutekommen kann.

Dass im Zwei-Schichten-Betrieb zu arbeiten die Zukunft in der Gastronomie ist, meint auch Jorge Dávila, Direktor der Gruppe Mabel Hospitality, die unter anderem die Restaurants Titel in Madrid betreibt. „Schon bei der Reservierung weisen wir den Gast darauf hin, dass er zwei Stunden zur Verfügung hat. So haben wir eine Schicht von 13 bis 15 Uhr eingerichtet und eine von 15 bis 17 Uhr“, sagte Davila. Man müsse mit den Zeiten so optimal wie möglich umgehen, „um die größtmögliche Leistung des Lokals zu erreichen“.

Auch Nino Redruello, der in Madrid fünf bekannte Restaurants führt, ist von der Maßnahme überzeugt: „Double Seating ist etwas, das der Gast versteht. Die Gastronomie erlebt gerade einen guten Moment, und wir müssen dafür sorgen, dass unsere Rechnung aufgeht. Glücklicherweise versteht der Gast diese Maßnahmen, weil er in der Pandemie mit der Gastronomie gefühlt hat.“

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