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Spaniens Geoparks: Erdgeschichte zum Anfassen

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Von: Anne Götzinger

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Ein Mann steht auf einem Felsen vor einer Landschaft mit Bergen und einem See in Katalonien.
Spektakuläre Landschaften finden sich in allen Geoparks in Spanien, wie hier im Geopark Orígens in Katalonien. © Geoparque Orígens/Jordi Peró

Spanien ist das Land mit den meisten Unesco-Geoparks in Europa. Allein Andalusien besitzt vier Gebiete mit außergewöhnlichen geologischen Formationen. In ihnen wird die Erdgeschichte greifbar.

Granada - Sie sind ein Fenster in die Geschichte. Ausnahmsweise mal nicht in die iberische, römische oder maurische Historie Spaniens, sondern in eine noch viel weiter zurückreichende Vergangenheit von unermesslicher Dimension. Ein Fenster in die Erdgeschichte.

Spanien besitzt 15 Unesco-Geoparks und damit mehr als jedes andere Land in Europa, weltweit steht es nach China (41) an zweiter Stelle. Die einzigartigen geologischen Formationen zeigen erkaltete Lavaströme, Fossilien, Flysch, Karst und andere Besonderheiten. Sie erzählen vom Big Bang, von unvorstellbaren Kräften und von heute ausgestorbenen Pflanzen und Tieren, die einst unseren Planeten bevölkerten vor Tausenden und Abermillionen von Jahren, in deren Verlauf dem Menschen gerade mal die Bedeutung eines Wimpernschlags zukommt.

Doch so spektakulär dies klingen mag, ohne geologische Kenntnisse sieht der Betrachter auch in den Geoparks wohl nur einen Haufen Steine, Brocken und Felsen, kurios zwar, aber nicht selbsterklärend. „Ich denke, es ist schwierig, in einen Geopark zu fahren und dort nur die Landschaft zu betrachten – man muss begreifen“, meint auch José María Barrera Martín-Merás, Leiter des Geoparks Villuercas–Ibores–Jara (Provinz Cáceres) und Mitglied des spanischen Forums der Unesco-Geoparks. „Die Geoparques wollen ein Kapitel der Erdgeschichte erzählen, und dieses sollten wir verstehen, wenn wir diese Art von Landschaften besichtigen.“

Spaniens Geoparks: Ein „geologisches Mosaik“ auf der Iberischen Halbinsel

Natürlich gebe es vor Ort Infotafeln. „Aber ich denke, es gibt Geschichten, die besser von jemandem erzählt werden“, sagt der Geopark-Leiter aus Cáceres. Deshalb sei es sinnvoll, dass Unternehmen aus dem Tourismussegment geführte Touren anbieten. „Deren Mitarbeiter sind nicht unbedingt Geologen, aber sie haben verstanden, was dort zu sehen ist und wie man es für andere interpretieren kann.“

Durch sie erfahren die Besucher etwa, was eine Falte im geologischen Sinn ist, was eine Verwerfung. „Und sie sehen zum Beispiel die Folgen des Meteoriten, der die Erde traf und das Aussterben der Dinosaurier verursachte – wer den Geopark auf eigene Faust besucht, wird diese Dinge nicht erkennen“, sagt Barrera. „Entweder er sieht sie erst gar nicht oder er ist nicht in der Lage, sie richtig zu interpretieren.“

Spanien ist eines der Länder mit der größten Geodiversität in Europa. Dies ist der geologischen Geschichte der Iberischen Halbinsel sowie der kanarischen und balearischen Inseln geschuldet, die von der Fusion und dem Auseinanderbrechen von Kontinenten geprägt sei, heißt es bei der Geologischen Gesellschaft Spaniens, was ein „wahres geologisches Mosaik“ erschaffen habe.

In Unesco-Geoparks finden sich Felsformationen von internationaler Bedeutung

Doch ein natürlicher Reichtum in geologischer Hinsicht reicht nicht. Bis hin zur Auszeichnung als Unesco-Geopark ist es ein langer Weg. „Aber dieser ist notwendig, denn er bezieht die ganze Gesellschaft des betreffenden Territoriums mit ein“, erklärt Barrera.

Normalerweise verfügen Gebiete, die als Kandidaten für einen Geopark in Frage kommen, bereits über einen Strategieplan für nachhaltige und touristische Entwicklung, haben sich aber auch den Erhalt ihres geologischen Naturerbes auf die Fahnen geschrieben. „Zunächst wird bewertet, ob die geologischen Besonderheiten dieser Landschaft von internationaler Bedeutung sind, ob sie einen Teil der Erdgeschichte erzählen, der interessant genug ist, um ihn kennenzulernen und um die Geschichte besser zu verstehen“, berichtet der Koordinator des Geoparks Villuercas–Ibores–Jara, der 2015 in die Unesco-Liste aufgenommen wurde.

Es folge ein sehr komplexer Weg durch die Institutionen, bei dem das Territorium aber „nie alleine ist“. Das spanische Forum für Geoparks stehe beratend zur Seite und biete für die implizierten Organe und Personen Seminare und Kurse an. „Es ist ein Weg mit vielen Entscheidungen, Aktionen und Kooperation, der aber durchweg positiv ist, denn am Ende steht die Auszeichnung der Unesco als Geopark“, betont der Koordinator aus Cáceres.

Nach vier Jahren wird die Unesco-Auszeichnung als Geopark überprüft

Doch selbst, wenn dieser lange Weg einmal geschafft ist, ist der Unesco-Titel nicht für immer sicher. „Im Gegensatz zu anderen Unesco-Modellen wie dem Weltkulturerbe wird die Auszeichnung als Geopark nur für jeweils vier Jahre verliehen“, verrät José María Barrera. Nach Ablauf dieser Zeit gebe es einen neuen Bewertungsprozess, und wenn alles im Sinne der Unesco ist, wird der Titel für weitere vier Jahre vergeben.

„Das ist aber kein ,Alles oder nichts‘, wenn es etwas gibt, was nicht so gut funktioniert oder defizitär ist, gibt es eine Anerkennung über zwei Jahre, und nach Ablauf dieser Zeitspanne wird noch einmal geprüft“, erklärt der Geopark-Leiter. „Wenn dann alles in Ordnung ist, wird die Auszeichnung wieder für vier Jahre verliehen. Man muss sie sich also immer neu verdienen.“

Er selbst hat „mehr oder weniger intensiv“ alle Geoparks in Spanien bereits besucht. „Für mich ist es schwierig zu sagen, dieser ist spektakulärer als ein anderer. Alle sind einen Besuch wert, alle einfach wunderbar“, sagt er begeistert und macht einen kleinen geistigen Rundgang: Das Gebiet, das zuletzt in das Geopark-Netz aufgenommen wurde, sind die Montañas do Courel in Galicien. „Er umfasst die Ribeira Sacra, ein Biosphärenreservat, den Río Sil und Río Miño, Weinberge und natürlich geologische Formationen von großer Bedeutung“, sagt Barrera.

Spaniens vielfältige Geoparks: Dinosaurier, Ammonite und Flysch

Der nächstgelegene Geopark für Bewohner des Landes Valencia ist das Bergmassiv Maestrazgo in der Nachbarregion Aragón. Neben etlichen Höhlen, Barrancos und einer großen Geodiversität birgt der Park in der Provinz Teruel auch zahlreiche Dinosaurierfossilien, von denen auch der Themenpark Dinopolis zeugt. Die Region ist außerdem bekannt für ihre Trockensteinmauern, inzwischen ebenfalls Unesco-Weltkulturerbe. Gut von Alicante aus erreichbar sind auch die Geoparks Cabo de Gata-Níjar sowie Granada. In der Provinz Almería ist beispielsweise auch die spektakuläre Geode von Pulpí zu sehen.

Überhaupt ist Andalusien die Region mit den meisten Unesco-Geoparks in Spanien. Vier von ihnen sind hier zu finden:

Beim Cabo de Gata sei es empfehlenswert, zu anderen Jahreszeiten als im Sommer zu kommen, sagt José María Barrera. „Der Geopark ist gleichzeitig Naturpark und Biosphärenreservat und im Sommer kommen sehr viele Touristen dorthin, weshalb es besser ist, diese Zahl nicht noch mehr zu erhöhen. Zumal die Temperaturen dann angenehmer sind.“ Barreras „eigener“ Geopark Villuercas–Ibores–Jara ist eine Berglandschaft, „eine Sierra nach der anderen, die landschaftlich und geologisch einzigartig und von großem Wert sind“.

Fossilien und mehr: Geo-Tourismus ist auch in Spanien im Kommen

Spaniens 15 Geoparks würden sich sehr voneinander unterscheiden, ganz anders ist etwa der kleinste Geopark „Baskische Küste“ mit seinen sehr außergewöhnlichen Steilklippen und Flysch-Ablagerungen, 100 Millionen Jahre alte maritime Überlagerungen verschiedener Schichten. „Am besten sieht man sie von einem Boot aus“, rät José María Barrera. Die Region Valencia hat zwar keinen eigenen Unesco-Geopark, aber auch an der Costa Blanca lassen sich spektakuläre Höhlen besichtigen. Das gilt übrigens auch für Murcia, wo mehr als 450 Höhlen entdeckt wurden.

Flysch-Formationen an der baskischen Küste.
Spaniens Geoparks sind vielfältig. An der baskischen Küste lässt sich Flysch betrachten. © Turismo de Euskadi

In den letzten Jahren habe Geo-Tourismus in Spanien deutlich zugenommen. „Heute können wir das anhand von Indikatoren sehen, die wir vorher nicht hatten, zum Beispiel, wie stark das Interesse im Internet und in den Sozialen Netzwerken zugenommen hat“, erklärt der Geopark-Experte. Auch die Besuche in den einzelnen Geoparques hätten zugenommen – und das trotz oder vielleicht auch wegen der Pandemie.

Das hänge auch damit zusammen, dass das „geologische Substrat“ sehr gut dazu diene, um es mit anderen Tourismus-Angeboten zu kombinieren, und zwar nicht nur mit Aktivsport wie Klettern und Wandern. „Wenn wir zum Beispiel Felsen haben, die sich gut für das Bauwesen eignen, dann gibt es in der Nähe sicherlich sehr alte Monumente, die Teil der Kultur dieses Gebiets sind“, erklärt José María Barrera.

Dies sei etwa im Geopark Villuercas beim Kloster Santa María de Guadalupe der Fall, das gleichzeitig Unesco-Welterbe ist. „Oder auf einem bestimmten Boden wachsen Pflanzen, die es anderswo nicht gibt, etwa in Kalksteingebieten, was wiederum Botaniker interessiert“, sagt der Geopark-Leiter und schließt damit das Fenster in die Erdgeschichte.

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