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Spaniens Landwirtschaft in der Krise: Kein Wetter für Oliven, Kirschen und Co.

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Von: Anne Thesing

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Eine Erntehelferin pflückt Kirschen.
Kirschen sind eins der Landwirtschafts-Produkte, die das Wetter 2022 in Spanien ruiniert haben. © Ángel García

Erst zu viel Regen, dann zu viel Dürre: Das extreme Wetter 2022 war katastrophal für die Landwirtschaft in Spanien. Besserung ist nicht in Sicht. Ist eine Anpassung an den Klimawandel überhaupt möglich?

Alicante - Die Kirschbauern in den Bergen der Provinz Alicante stehen kurz vor dem Ruin. Das spanische Olivenöl ist wegen rekordverdächtiger Ernteeinbußen teurer denn je. Weintrauben sonst exzellenter Qualität erreichten nur Mittelmaß. Die Mandelbauern kommen nicht mehr raus aus der Xylella-Krise. Neuen Bomba-Reis gab es vergangenes Jahr kaum, und Zitrusfrüchte wurden auch weniger als sonst von den Bäumen gepflückt. Wetter, Klimawandel und hohe Kosten machen Spaniens Landwirtschaft zu schaffen.

„Es war wirklich ein katastrophales Jahr“, blickt der Vorsitzende des Landwirtschaftsverbands Asaja Alicante, José Vicente Andreu, auf das Krisen-Jahr 2022 zurück. Schon ohne die wetterbedingten Ernteverluste bei fast allen landwirtschaftlichen Produkten wäre es schwierig gewesen. „Der Ukraine-Krieg. Die Energiekrise. Die gestiegenen Produktionskosten. Der sinkende Konsum“, zählt Andreu all das auf, was nicht nur den Landwirten im vergangenen Jahr das Leben schwergemacht hat. „Die ganze Gesellschaft hat darunter gelitten.“

Das Klima aber betrifft den, dessen täglich Brot auch davon abhängt, ob Regen, Wind und Sonne ihm wohlgesonnen sind, mehr als viele andere. Und in diesem Jahr war das Wetter für die meisten Landwirte in Spanien kontraproduktiv. Und was noch viel schlimmer ist: Besserung ist nicht in Sicht. „Der Klimawandel hat uns fest in der Hand, er bringt alles durcheinander“, erklärt Andreu die aktuelle Krise.

Wetter vermiest Landwirtschaft in Spanien: Kirschbauern vor dem Ruin

Los ging es im Frühjahr 2022 – mit Regen. Eigentlich eine gute Nachricht für Spaniens Landwirte, die sich denn auch schwertun, Regenfällen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Füllen sie doch die Wasserreserven auf und ermöglichen eine Pause bei der teuren Bewässerung. Doch zur falschen Zeit am falschen Ort und im falschen Maß kann Regen-Wetter nun einmal enormen Schaden in der Landwirtschaft anrichten. „In der Provinz Alicante gab es seit 50 Jahren nicht mehr so einen regenreichen Frühling“, sagt Andreu.

Die Kirschbauern im Hinterland der Costa Blanca in Spanien hat das ruiniert. „Die Ernte war gleich null“, sagt der Vorsitzende der Cooperativa Cerezas Montaña de Alicante, Vicent Sanchis. „Im März und April hat es 45 Tage bei voller Kirschblüte geregnet. Das ist der beste Moment, um die Ernte zu zerstören.“ Für ihn und seine Kollegen ist es das vierte schlechte Jahr in Folge – und das katastrophalste in einer Reihe von Katastrophen. Produzierte die Landwirtschafts-Kooperative in „normalen“ Jahren zwischen 500.000 und 800.000 Kilo, waren es 2019 nur 200.000 Kilo, 2020 ganze 28.000 und 2021 rund 107.000 Kilo. Immer noch mehr als 2022. „Entweder waren die Winter zu warm oder es hat im Frühjahr zu viel geregnet“, beschreibt Sanchis das Wetter der vergangenen Jahre. Er selbst baut auf einer Fläche von sechs Hektar Kirschen an. Noch.

Spaniens Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels: Olivenbäume leiden

„Wir machen immer weiter, weil wir in der Landwirtschaft immer auf ein besseres Jahr hoffen und weil es auch ein emotionales Thema ist. Viele haben das Land von ihren Eltern oder Großeltern geerbt“, sagt er. „Aber wenn 2023 wieder schlecht wird und uns das Wetter wieder einen Strich durch die Rechnung macht, gebe ich auf. Die Verluste sind einfach zu groß, die Kosten in Spanien zu hoch. Allein die für den Dünger haben sich verdreifacht.“

Auch den Oliven in der Provinz Alicante hat der Frühjahrsregen 2022 das Wachsen vermiest. „Es war das schlechteste Jahr, das ich je erlebt habe, die Ernte ist um 50 Prozent gesunken“, sagt Esther Vilaplana von der Ölmühle Almazara de Millena im Kreis El Comtat im Hinterland der Costa Blanca. „Wir hatten 60 Tage Feuchtigkeit im Frühjahr, ganz ohne Sonne.“ Die Folge: Der für diese Region in Spanien untypische Dauerregen hat die Blätter abfallen lassen, es gab weniger Blüten und damit auch weniger Früchte. „Der Klimawandel macht es uns schwer. Entweder regnet es zu heftig oder es ist zu heiß. Die Bäume sind die ersten, die das spüren.“ Regen sei gut, fügt auch sie schnell hinzu, „aber nach ein oder zwei Tagen Regen-Wetter muss die Sonne wieder rauskommen“.

Die Landwirtschaft in Spanien sei schon lange nicht mehr rentabel, sagt Vilaplana, sondern ein Krisen-Sektor. „Sich ihr zu widmen, ist ein Opfer.“ Besonders, wenn die Produktionskosten so sehr steigen wie im letzten Jahr. „Das ist eine Kettenreaktion. Selbst unsere Verpackungen sind teurer geworden.“

Landwirtschaft leidet unter Wetter: Auf Regen folgte Dürre

Was in der Provinz Alicante der Regen war, war in Andalusien, wo 61 Prozent der Olivenfelder Spaniens bewirtschaftet werden, ein gegenteiliges Wetter-Phänomen, nämlich die Rekord-Dürre und -Hitze. Rund 49 Prozent Olivenöl sollen hier in der Kampagne 22/23 weniger produziert werden als im Vorjahr. Eine Katastrophe für die Landwirtschaft einer Region, in der 97 Prozent aller Dörfer Olivenfelder beherbergen und allein im Jahr 2021 3,567 Millionen Euro mit dem Anbau generiert wurden.

Schon jetzt führe der Klimawandel jedes Jahr zu einem Rückgang der Produktionseinnahmen um sechs Prozent, heißt es in einer Studie der Landwirtschaftsorganisation Coag zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft in Spanien. Der vielsagende Titel der Studie: „Empieza la cuenta atrás“ (Der Countdown läuft). Bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad, so errechnen die Autoren, liege der Verlust für die Anbaufläche von Qualitätsweinen bei zehn Prozent, für die bekannten Olivensorten Hojiblanca oder Manzanilla bei 80 Prozent, für Weizen bei acht Prozent. Bei zwei Grad seien es schon 15 Prozent für Weizen, 20 Prozent für Qualitätswein, bei Oliven würde nur noch die Sorte Picual überleben. Bei 2,5 Grad mehr könnten wir auch diese vergessen. Höhere Temperaturen, weniger Niederschläge, mehr Verdunstung, mehr Dürrephasen, zählt Coag die problematischen Wetter-Phänomene auf. Und wenn es regne, dann zu kräftig, was wiederum Erosionen, aber auch Plagen und Krankheiten hervorrufe. „Hydrischer Stress“ sei all das für die Pflanzen. Eine klimabedingte Krise also.

„Auf den regenreichen Frühling folgte direkt eine extreme Hitzewelle im Mai“, lässt José Vicente Andreu das für die Landwirtschaft so schädliche Jahres-Wetter 2022 in der Provinz Alicante weiter Revue passieren. „Wenn das Klima von einem Extrem ins andere übergeht, funktionieren die Pflanzen nicht mehr normal“, sagt er und schaut auf seine Zitronenbäume, die zum Zeitpunkt des Interviews, Ende Dezember, im Süden Alicantes in voller Blüte standen. „Dabei müssten sie eine Winterpause einlegen, sich ausruhen. Aber sie glauben, in Spanien sei der Frühling schon da.“

Erntehelfer pflücken Oliven von den Bäumen, die auf einer Plane am Boden gesammelt werden.
Landwirtschaft in Spanien: Auch den Oliven hat das Wetter zu schaffen gemacht. © Ángel García

Ökologische Landwirtschaft besser für Klimawandel gerüstet

Die perfekte Lösung hat niemand parat. Doch es gibt Ansätze. „Zuerst einmal müssen wir innehalten“, sagt Vicente Faro, Vorsitzender des Komitees für ökologische Landwirtschaft in der Region Valencia und Zitrusfruchtbauer. Auch Spaniens Zitrusfrüchte haben gelitten. Auch hier kam der Frühjahrsregen gerade zur Blütezeit, die Zitronensorte Verna zum Beispiel ist laut Asaja mit 50 Prozent Ernteeinbußen betroffen. Und die Zitronen, die sich trotz widrigen Wetters durchgekämpft haben, waren klein – zu klein, um das Gefallen der Großhändler zu finden, schreibt Asaja. Denn auch das ist ein Faktor, der den Landwirten in Spanien das Leben schwer macht. Hat die Orange, Zitrone oder Mandarine nicht die von den Supermarktketten – also demnach auch von den Kunden – gewünschte Größe, findet sie keine Abnehmer – und landet oft vergammelt auf dem Boden.

„Der extrem trockene Sommer hat außerdem dazu geführt, dass wir mehr bewässern mussten, und das bei den durch die hohen Stromkosten auch gestiegenen Bewässerungskosten“, nennt Vicente Faro das nächste Problem und kommt zurück zum Thema „Innehalten“. „Wir sind fast besessen davon, dass wir immer von allem mehr haben und wachsen müssen“, sagt er. Wer das Tempo drossele und sich die Zeit zum Nachdenken nehme, werde zu dem Schluss kommen, dass die Zukunft, auch in Spanien, in der ökologischen Landwirtschaft liegt. „Beim Bio-Anbau ist unser Ziel, starke, resistente und gesunde Pflanzen auf gutem Boden zu ziehen. Nur widerstandsfähige Pflanzen können sich Änderungen wie dem Klimawandel und widrigen Wetter-Bedingungen anpassen.“

Chemische Produkte schafften zwar schnelle, kurzfristige Erfolge, schwächten die Pflanzen aber auf Dauer – und auch den Boden, dem zudem durch das Vernichten von Flora und Fauna die Biodiversität entzogen werde. „Es ist so, als würde der Baum am Tropf hängen. Er ist vollständig von den Nährstoffen abhängig, die ihm von außen zugeführt werden.“

Landwirtschaft in Spanien: Einbußen bei Trauben und Reis

Innehalten und nachdenken, das hat auch Cristina Rodríguez aus Teulada an der Costa Blanca getan und 2022 den schweren Entschluss gefasst, ihren Qualitätswein „M de Alejandría“ nicht zu produzieren. Wegen des anhaltenden Regens im Frühjahr und der anhaltenden Hitze im Sommer hatten ihre Trauben nicht die gewohnte Qualität. Um ihre Landwirtschaft dem Klimawandel anzupassen, wird sie ganz praktisch damit beginnen, das Stutzen der grünen Reben in Grenzen zu halten, um die Trauben mit mehr Vegetation besser vor der in Spanien immer aggressiver werdenden Sonne zu schützen. Notgedrungen wird sie künftig zusätzlich bewässern müssen, obwohl ihre Trauben eigentlich im Trockenanbau wachsen. „Der Trockenanbau hat in der Provinz Alicante keine Zukunft“, ist sich José Vicente Andreu sicher. „Das Wetter mit seinen langen Dürreperioden merzt die Pflanzen aus, wenn gar kein Regen von oben kommt. Und dann wieder kommt zu viel auf einmal.“

Lufaufnahme einer Finca mit Haus und Weinfeldern.
Der Wein M de Alejandría von dieser Finca an der Costa Blanca musste wegen Hitze und Klimawandel ein Jahr pausieren. © M de Alejandría

Ernteeinbußen von über 50 Prozent mussten die Reisbauern im Marjal von Pego im vergangenen Jahr bei der Sorte Bomba hinnehmen. Zu sehr setzte der Pilz Pyricularia den Pflanzen zu. Einer der Gründe ist auch hier das Klima: Wegen des Regens im Frühjahr musste die Saat um einen Monat nach hinten verschoben werden – und damit auch die Ernte. Die ausgewachsenen Pflanzen mussten im September feuchteres Wetter aushalten, als sie es von der normalen Erntezeit Ende August gewohnt sind. Beste Bedingungen für den Pilz, der früher in der Reis-Landwirtschaft mit chemischen Produkten bekämpft wurde, die heute in der EU nicht mehr erlaubt sind. „Wir müssen auf von Natur aus resistentere Sorten setzen“, sagt der Reisbauer Vicent Dominguis und nennt die vor einigen Jahren wieder zum Leben erweckte heimische Reissorte Bombón als Beispiel, die weit weniger unter der Pyricularia-Krise gelitten habe.

Spaniens Landwirtschaft: Mandeln in tiefster Krise

Und auch bei den Mandeln sah es 2022 angesichts zu milder Temperaturen im Herbst, Frost und Regen im Frühjahr und Saharastaub bei voller Blüte nicht gut aus. Von 51 Prozent Ernteeinbußen in der Provinz Almería ist die Rede. In Alicante hat das Wetter den wenigen Bäumen, die noch trotz der seit Jahren wütenden Xylella-Krise stehen, den Garaus gemacht. „Es geht alles so schnell, man weiß nicht mehr, wie man in der Landwirtschaft in Spanien auf den Klimawandel reagieren soll“, sagt Mandelbauer Faustino Mestre aus Alcalalí.

Es war ein schlechtes Jahr 2022. „Gegen den Klimawandel vorzugehen, hilft uns nicht nur, unsere Landwirtschaft und Ökonomie zu schützen, sondern verhindert auch, dass ein ewiger Sommer unsere Gastronomie, Traditionen, Kultur und Identität austrocknet“, weist die Studie der Coag mahnend und zugleich bittend darauf hin, dass an der Landwirtschaft in Spanien sehr viel mehr hängt als nur das wirtschaftliche Überleben der Bauern. Der Countdown läuft.

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