Prostitution in Spanien: Verbot für ältestes Gewerbe der Welt?

Spaniens Regierung will jede Art von Prostitution verbieten und unter das Strafrecht stellen. Freier müssten dann mit Freiheitsstrafen rechnen, wenn sie die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nehmen. Prostituierte gehen dagegen auf die Barrikaden. Ein Gespräch mit einer Betroffenen.
Karen Rodríguez lebt in Spanien und führt ein Doppelleben. Nach außen hin tritt sie als Mitarbeiterin eines Reinigungsunternehmens auf, in Wirklichkeit ist die attraktive Frau aber als Prostituierte im Raum Dénia an der Costa Blanca unterwegs. Bevorzugte Kunden: Ältere solvente Männer, die sich ein paar Stunden, einen Tag oder auch schon mal eine Reise mit ihr gönnen und sich das richtig was kosten lassen. Uns will sie Einblicke in ihre Arbeit geben, allerdings mit der Bedingung, dass wir sie Karen Rodríguez nennen (ihr richtiger Name ist der Redaktion bekannt) und wir nicht ihr Herkunftsland preisgeben. Rodríguez stammt aus Südamerika, lebt seit 20 Jahren in Dénia, ist Mitte 40, Single und kinderlos.
Prostitution in Spanien: Viele Frauen führen ein Doppelleben
Ihre Kunden in Spanien seien in erster Linie Deutsche, Schweizer, Franzosen und Briten, erzählt die Prostituierte. „Viele der Männer, die meine Dienste in Anspruch nehmen, sind verwitwet oder geschieden“, behauptet sie. „Es kommen aber auch Freier zu mir, die eine Partnerin haben und unter einem Vorwand für ein Stündchen dem faden Ehealltag entfliehen.“ Sie lacht. „Es hat schon eine gewisse Komik, wenn ich einem Kunden in Begleitung seiner Partnerin begegne und wir wie Fremde aneinander vorbeigehen. Auch wenn wir vielleicht erst kurz zuvor Geschlechtsverkehr miteinander hatten.“ Sie lasse sich das natürlich nicht anmerken, denn das Letzte, was sie wolle, sei, ihre Kunden bloßzustellen. „Damit schade ich mir nur selbst“, meint sie. Und verblüfft mit der Aussage: „Ich bin zwar eine Prostituierte, aber ich verhalte mich immer anständig gegenüber meinen Mitmenschen.“
Auch die Nachbarn eines älteren Briten, den sie regelmäßig besucht, hätten keine Ahnung, womit sie sich ihren Lebensunterhalt verdient. „Offiziell bin ich natürlich keine Prostituierte, sondern seine Putzfrau, was sogar der Wahrheit entspricht“, erzählt Rodríguez. „Ich mache dem Mann tatsächlich den Haushalt, und wenn alles sauber ist, kümmere ich mich um ihn und seine Bedürfnisse.“ Die habe der allein lebende Mann trotz hohen Alters. „Sagen wir, er bekommt bei mir all inclusive“, scherzt die Südamerikanerin, die in Spanien lebt..
Prostitution in Spanien: Geschätzt 150.000 Frauen leben von käuflicher Liebe
Karen Rodríguez ist eine von schätzungsweise 150.000 Frauen in Spanien, die ihren Lebensunterhalt in einem privaten Umfeld mit käuflichem Geschlechtsverkehr verdienen. Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil eine hohe Anzahl an Prostituierten wie Rodríguez dieser Tätigkeit sehr diskret nachgeht. Karen Rodríguez nutzt dafür das Ferienapartment eines, wie sie sagt, besonderen Freundes, das die meiste Zeit leer steht, besucht allein lebende Freier in deren Zuhause oder Kunden im Hotel. „In meiner Wohnung empfange ich nur einige wenige Stammkunden, zu denen ich im Laufe der Jahre ein Vertrauensverhältnis aufgebaut habe“, erzählt die Südamerikanerin. „Die wissen zum Beispiel, dass sie nicht an meiner Tür klingen dürfen. Meine Nachbarn sollen nicht mitkriegen, dass ich Besuch von verschiedenen Männern bekomme.“ Sie stehe zwar zu ihrem Beruf, aber die Vorurteile gegen Frauen wie sie seien halt immer noch weit verbreitet.

Prostitution. Ein Thema, das einen Tsunami in Spanien ausgelöst hat, seit es sich die Regierung zum Ziel gesetzt hat, jede Art von Prostitution zu verbieten und unter das Strafrecht zu stellen. Dabei soll es nicht den Prostituierten, sondern Zuhältern und Freiern an den Kragen gehen. Das heißt, auch Freier müssten dann mit Freiheitsstrafen rechnen, wenn sie die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nehmen – vor allem dann, wenn es sich um minderjährige Frauen oder Personen handelt, die schutzbedürftigen Kollektiven zugerechnet werden. Der Weg dahin ist nach einer ersten Abstimmung im Parlament geebnet. Immerhin stimmten im Kongress 232 Abgeordnete für ein Verbot, 38 sprachen sich dagegen aus und 69 enthielten sich der Stimme. Doch während Feministinnen und Frauenrechtler den Vorstoß gutheißen, sehen das viele der Betroffenen ganz anders. Dies zeigte zuletzt eine Demonstration vor dem Kongress in Madrid Ende Juni, an der zahlreiche Prostituierte größtenteils maskiert teilnahmen.
Spaniens Prostituierte fordern Anerkennung ihres Berufs
Betroffene und ein Teil der Frauenbewegung in Spanien fordern das Gegenteil eines Verbots, das heißt, sie wollen, dass Prostitution offiziell als Beruf anerkannt und geregelt wird. „Das angestrebte Gesetz der PSOE steckt voller Vorurteile und ist ein Angriff auf die Freiheit der Frauen“, meint Susana Pastor, Vorsitzende der Frauenplattform „Personas Afectadas por la Abolición“ („Betroffene der Abschaffung“), die zu der Protestaktion aufgerufen hatte. „Wir sind unabhängige Frauen, die freiwillig in der Branche tätig sind. Wir brauchen keine paternalistische Vormundschaft.“ Natürlich wolle man auch, dass diejenigen, die Frauen zur Prostitution zwingen, bestraft werden, aber das sei eine Minderheit. „Wir, die aus freien Stücken in dieser Branche tätig sind, wollen ohne Bevormundung unseren Beruf ausführen und fordern eine Gesetzgebung, wie sie in anderen europäischen Ländern wie in den Niederlanden angewandt wird.“
Pastor ist nicht die einzige, die befürchtet, „dass Prostituierte durch ein gesetzliches Verbot in Spanien letztendlich von der Gesellschaft ausgegrenzt werden und ihre Sicherheit gefährdet ist“. Man fordere deshalb eine Regulierung der Sexarbeit. Dies würde die Position der Prostituierten in der Gesellschaft positiv stärken, meint sie.
Viele Prostituierte in Spanien sagen Nein zu einem Verbot
Auch Karen Rodríguez steht dem angestrebten Verbot der Prostitution in Spanien kritisch gegenüber. „Wo kommen wir denn da hin?“, fragt sie empört. „Ich kann doch mit meinem Körper machen, was ich will, oder?“, meint die Südamerikanerin. „Und überhaupt, wie will man denn kontrollieren, ob bei einer Begegnung Geld fließt oder nicht? Es dürfte also schwierig werden, so ein Gesetz anzuwenden.“ Rodríguez lacht und sagt: „Nenne mir eine Tätigkeit, mit der ich 120 Euro in der Stunde verdiene. Steuerfrei versteht sich“. Selbst wenn so ein Gesetz käme, würde sie diesen lukrativen Beruf nicht aufgeben. Sie habe nun mal eine Schwäche für Geld.
„Durch diese Form von Arbeit habe ich viel davon auf die Seite legen können. Meine Eltern, die von meiner Tätigkeit natürlich nichts wissen, konnten sich in Südamerika ein Haus bauen, und ich habe mit einer Cousine ein Tierheim für streunende Hunde gegründet“, erzählt die Südamerikanerin. Stolz schwingt dabei in ihrer Stimme mit. „Ich konnte immer selbständig und ohne Zuhälter in einem privaten Umfeld tätig sein. Das macht diese Arbeit so lukrativ“, erzählt Rodríguez. „Ich würde nie auf der Straße anschaffen oder in einem Club arbeiten, weil da nach Abzug der Zimmermiete und sonstiger Kosten kaum was übrig bleibt.“ Nach einem Blick auf die Uhr hat sie es auf einmal eilig. „Ich muss gleich los zu einem Kunden und dann Koffer packen“, entschuldigt sie sich. Ein wohlhabender Freund aus der Schweiz habe sie nach Sylt eingeladen.