1. Costa Nachrichten
  2. Spanien
  3. Land und Leute

Spaniens Stadt der Liebe: Vereint im Mudéjar-Himmel

Erstellt:

Von: Stefan Wieczorek

Kommentare

Eine Frau küsste einen liegenden Mann vor Publikum, alle in Mittelalter-Trachten.
Die Liebenden von Teruel, eine der größten Liebesgeschichten Spaniens, sind heute ein touristisches Event. © Stiftung Bodas de Isabel

Die kleinste spanische Provinzhauptstadt bot die Bühne für die größten Liebesdramen. Aus gescheiterten Ehen erwuchsen Teruels touristische Attraktionen - und eine riesige Fiesta der Liebe vom 16. bis 19. Februar.

Teruel, existiert das überhaupt?, fragt man sich manchmal in Spanien. Wirkt doch in der kleinsten Provinz-Hauptstadt des Landes nicht nur der Torico, der kleine Stier auf der Säule, winzig. Doch genau hier soll sich, vor 800 Jahren, das vielleicht größte spanische Liebesdrama zugetragen haben: Isabel und Diego waren die „Amantes de Teruel“, die Liebenden von Teruel. Ihre Beziehung soll von einer Liebe erfüllt gewesen sein, die so stark und rein war, wie man es nie gesehen hatte - ob im Königreich Aragón oder sonstwo. Doch ausgerechnet ein Kuss brachte das Ende: Diego starb, und bald auch Isabel. Doch der Reihe nach. Unser Ausflug führt uns zum Valentinstag im Februar 2023 nach Teruel, in die kleine Hochburg des Mudéjar-Stils in der Region Aragonien.

Spaniens Stadt der Liebe: Ausflug nach Teruel

Anno 1171 hatte König Alfonso II. gerade erst das Mauren-Dorf, das damals Tirwal hieß, erobert. In die neue Stadt, umgeben von einer Mauer mit sieben Toren, zogen die Familien Marcilla und Segura. Erstere war angesehen, eine Plage brachte sie jedoch um die Besitztümer. Die Seguras dagegen waren vermögende Handelsleute. Schon als Kinder, sagt die Legende, waren Isabel de Segura und Diego de Marcilla, den einige Quellen auch Juan nennen, unzertrennlich. Aus Freundschaft erwuchs Liebe. Liebe, die unmöglich war: Der Zweitgeborene einer gebeutelten Familie wäre für die einzige Tochter der Seguras nicht gut genug. Außer, Diego würde reich werden, und dies versprach er Isabel. In den Krieg würde er ziehen und spätestens nach fünf Jahren wiederkommen.

„Die Bereitschaft, zu warten, Kummer zu ertragen, legt etwas ganz Anderes nahe als unsere technologisierte Zeit.“

Encarna Catalán, Stiftung „Bodas de Isabel“ aus Teruel

1212 brach Diego auf, wonach Isabel Bewerber abwehrte und die Tage zählte. Knapp vor Ende der Frist schaffte es Diego. Als Mann mit Geld stürmte er am kalten Februar-Tag 1217 zu Pferd durch das Stadttor. Die Glocken läuteten – das würden sie auch bei der Hochzeit mit Isabel, träumte Diego. Welch Verzweiflung: Tatsächlich gab die Angebetete gerade ihr Ja-Wort - aber einem Anderen, einem reichen Kaufmann. Nach einer Falschnachricht über Diegos Tod hatte Isabels Familie den Bund geschmiedet. Diego schlich sich nachts zu Isabel – einen Kuss erbittend, um zumindest die Trauer, die Schrecken des Krieges zu vergessen. Isabel aber, an ihr Treuegelöbnis gebunden, weigerte sich. Als hätte sie Diego einen Dolchstoß verpasst, sackte er zusammen, starb vor ihren Füßen.

Todesursache: Liebe

Tags darauf trauerte die ganze Stadt um den mysteriös Verstorbenen. Totenstille herrschte bei der Bestattung, als sich eine verschleierte Frau der Leiche näherte. Innig küsste sie Diego - und fiel um. Ihr zu Hilfe eilend erkannten die Menschen die Frau: Isabel. Auch sie war tot. Aus Liebe gestorben, wurden die im Tod Vereinten gemeinsam begraben. 1555, beim Fund zweier Mumien in der Kirche San Pedro, dachte man sofort an sie. Auf eine würdige Stätte mussten sie freilich 400 Jahre warten. Erst 1955 hüllte Juan de Ávalos die wenig appetitlichen Reste in Alabaster und Bronze: zwei Statuen, deren Hände sich um Zentimeter verpassen. Ein Bild, das ausdrückt, was Worte kaum können: Das Schicksal voller Tragik, aber auch Schönheit.

Skulptur zweier Hände, die sich fast berühren.
Spaniens Stadt der Liebe: Die Hände der Liebenden von Teruel verpassen sich um Zentimeter. © Fundación Amantes

Langsam begann Teruel, die Legende von Isabel und Diego auch auf diese positive Weise zu lesen. „Zuvor war Teruel trist, dunkel, mit einem Paar vergessener Mumien im Grab“, erzählt Encarna Catalán von der Stiftung des Stadtfests „Bodas de Isabel“. Das Fest zu Ehren der Amantes entstand dank der Bühnenkünstlerin und späteren Leiterin der Stiftung, Raquel Esteban. „Sie hatte einen Traum: Ganz Teruel in die Zeit von Diego und Isabel zu versetzen“, so Catalán. Ein Funke, der übersprang: 20 Schauspieler gestalteten 1996 die erste Fiesta, im Jahr 2023 werden es vom 16. bis 19. Februar über hundert sein. Mit aufwendig gestalteten Kostümen und Requisiten soll nach bitterer Corona-Auszeit ein besonders prächtiges Mittelalterfest steigen.

Programm „Bodas de Isabel“ 2023 in Teruel (externer Link, Spanisch)

Dumme Sie, dummer Er?

Verwandelt habe die Fiesta das Selbstverständnis der Stadt. In der Region, die eine der kältesten und am meisten von Landflucht betroffenen in Spanien ist, sei an die Stelle der Tristesse Freude über die Amantes getreten. „Die Stadt erhielt etwas Ureigenes“, erklärt Encarna Catalán. „Heute wollen alle kleinen Jungen im Schultheater Diego spielen, und die Mädchen Isabel – das ist so, als würde man den König oder die Königin spielen.“ Auch internationalen Ruhm schenkten die Liebenden ihrer Stadt, die sich im Netzwerk „Europe in Love“ mit Städten wie Coimbra in Portugal, Krosno in Polen und natürlich dem italienischen Verona zusammenschloss. Für dessen Romeo und Julia soll sich Shakespeare ausgerechnet in Teruel bedient haben.

Wobei das große Liebesdrama in Spaniens kleinster Provinz-Hauptstadt aus heutiger Sicht durchaus Befremdliches enthält: Man betrachte etwas Diegos Entschluss, den materiellen Ansprüchen der Seguras Folge zu leisten und in den Krieg zu ziehen. Oder Isabels eiserne Treue zum nicht gewollten Mann – eine Ehe, die heute wohl selbst die strenge Katholische Kirche für ungültig erklären würde. Alle Spanier kennen die Redensart über die Amantes de Teruel: „Tonta ella y tonto él“, dumme Sie und dummer Er – und so falsch scheint sie nicht zu liegen. Eine Sicht, die Encarna Catalán jedoch nicht teilt. „Die Frage ist, wie kannst du vor so viel Liebe sterben?“, sagt die Spanierin nachdenklich.

Früchte gescheiterter Ehe

Die Ehrenhaftigkeit im Handeln der beiden Liebenden von Teruel bis zum Tod - der eben kein Selbstmord war - bringe beachtenswerte Eigenschaften ihrer Liebe zu Tage: „Die Bereitschaft, zu warten, Kummer zu ertragen, legt etwas ganz Anderes nahe als unsere heutige, technologisierte Zeit“, meint Encarna Catalán. Gewiss waren es andere Zeiten, die von Diego und Isabel, und sie brachten in Teruel zudem eine weitere hochkomplizierte Beziehung hervor: die zwischen christlichen Eroberern und arabischen Alteingesessenen. Eine von Grund auf gescheiterte Ehe sei es, sagt die Geschichte. Die kulturelle Annäherung brachte jedoch Früchte, wofür ein weiteres Symbol Teruels ein beeindruckendes Zeugnis bietet: die Baukunst des Mudéjar.

Mann auf Pferd reitet in Arena vor Publikum
Historische Gefechte in Spaniens Stadt der Liebe: Spektakel in Teruel © Stiftung Bodas de Isabel/diegoandlori.com

Schon von Weitem sind in Spaniens Stadt der Liebe die vier, einst fünf, Türme zu sehen, die durch roten Ziegelstein auffallen, wie auch durch die arabisch anmutende Ausschmückung. Als Mudéjar-Stil in Reinform gelten die Bauwerke in Teruel, das bereits den 30. Jahrestag der Erklärung zum Unesco-Weltkulturerbe für seinen Architektur-Schatz feierte. Es ist schwer, den Mudéjar-Stil in Worte zu fassen. „Man kann ihn als das Weiterleben der hispanomuslimischen Kunst auf christlichem Terrain definieren“, sagt ein echter Kenner, Antonio Pérez. Gemeinsam mit José María Sanz war er verantwortlicher Architekt für die damalige Unesco-Auszeichnung. In den Folgejahren restaurierte das Duo Teruels Mudéjar-Bauten.

Wie geschaffen für Ziegelsteine

„Deren Architekten konnten sowohl die Mudéjaren selbst sein – als auch Christen, die den Baustil schätzten und übernahmen“, erklärt Antonio Pérez. Der Terminus Mudéjar, übersetzt „Gebliebener“ oder „Geduldeter“, bezeichnete die Araber, die im christlich gewordenen Spanien verblieben. In speziellen Bezirken, den sogenannten Morerías, wohnhaft, unterstanden sie – wie die Juden in den Juderías – zwar den Machthabern, konnten jedoch vergleichsweise frei ihre Bräuche und Religion leben. „Das Zusammenleben von Christen, Muslimen und Juden ist oft idealisiert worden“, erklärt der spanische Architekt, „doch im Wesentlichen lebten sie in der Stadt Teruel friedlich miteinander.“

Während die jüdische Bevölkerung sich eher dem Handel und Bankwesen widmete, blieben die Mudéjares ihren Handwerken treu. „Sie waren Maurer, Schreiner, Keramiker, Gipser, und alles weitere, was sie im Gepäck der islamischen Kunst hatten“. Den Teruel-typischen Stil erschuf einerseits die Verknüpfung mit dem christlichen Sakralbau, wie auch die natürliche Beschaffenheit der Landschaft. „Der turolensische Mudéjar verwendete keinen Stein, weil es keine Steinbrüche gab“, erklärt Pérez, „dafür aber Berge aus Tonerde und Gips.“ Die lehmartige Erde sei wie geschaffen für Ziegelsteine und die eingearbeiteten Keramik-Azulejos, die die Türme in Grün, Weiß und Purpur verzieren.

Petrus neben Fátima

Der spanische Experte für Mudéjar-Architektur erklärt: „Die bunte Verglasung erhielt man durch einen Blei-Lack mit verschiedenen Oxiden, Grün entstand durch Kupferoxid, Purpur durch Manganoxid und das Weiß erlangte man durch Zinn.“ Das Miteinander der Ziegel mit einer Vielfalt an Azulejos sei in Teruel herausragend. „Die Keramik führt einen Dialog mit der Ziegelwand – erschafft so eine wirkliche Harmonie der Linien und Farben“, drückt es Antonio Pérez ganz poetisch aus. Einzig in ihrer Art sei in der Hauptstadt der Liebe auch die Platzierung der Türme: „Sie sind jeweils über eine Straße gebaut, die darunter durch einen Durchgang verläuft – das gibt es in keiner anderen Stadt“, lobt Antonio Pérez.

Unter einem Mudéjar-Turm verläuft ein Tunnel.
Teruel bietet einmalige Mudéjar-Bauten. © Torre de El Salvador

Im Jahrhundert Isabels und Diegos entstanden die Türme der Kirche San Pedro, wo sich das Mausoleum der Amantes befindet, sowie der Kathedrale, Santa María. Schon im 14. Jahrhundert folgten die Türme von San Martín und El Salvador. Es ist ein Zeichen dafür, wie früh die handwerklich ausgezeichneten Mudéjares Anerkennung fanden. Und welch freie Hand die damaligen Bauherren den muslimischen Architekten, Keramikern und Malern ließen. Mit Formen und Zeichen aus der Islam-Kultur sind die Bauten geradezu übersät. Im Turm von San Pedro überrascht auf einem Kapitell neben den Schlüsseln des Petrus, immerhin das Zeichen des Papstes, die Hand der Fatima – also ein Symbol aus der muslimischen Volksfrömmigkeit.

Stern und Mondsichel

„Das kann als Akzeptanz der verschiedener Kulturen und Religionen gedeutet werden“, sagt Antonio Pérez. Doch auch die Vereinbarkeit bestimmter arabischer Symbole mit der christlichen Kultur förderten ihre Verwendung in Teruel offenbar besonders. Vor allem gilt dies für den achtzackigen Stern, in Teruel sowieso wegen einer Stadtlegende mit dem Torico untrennbar verknüpft. Die Reconquistadoren sollen nämlich Teruel an der Stelle gegründet haben, wo zuvor der Sage nach ein geheimnisvoller Stier aufgetaucht war, über dessen Hörnern ein heller Stern aufleuchtete. Genau auf der heutigen Plaza del Torico soll dies geschehen sein – die Erzählung ist im Stadtwappen verewigt: Der Stier erscheint da, darüber der achtzackige Stern.

Vielleicht war es die legendarische Deutung einer Supernova, 1054 im Sternbild Stier erschienen, wie im Januar ein italienischer Astronom in Teruel mutmaßte. Jedenfalls ist der Stern mit acht Strahlen seit Jahrhunderten auch ein geläufiges kirchliches Element – der heutige Papst etwa trägt es im Wappen, als Symbol für die Jungfrau Maria. Der Mutter Jesu Christi wiederum, der im Koran eine ganze Sure gewidmet ist, liegt auf vielen christlichen Bildern zudem ein weiteres islamisch wirkendes Attribut zu Füßen: die Mondsichel. Prominent scheint eine solche vom Dachwerk der Kathedrale Santa María herab. Dort scheint Teruels Miteinander aus Christlichem und Islamischem zur Vollkommenheit zu gelangen.

Himmel auf Erden

Als Sixtinische Kapelle des Mudéjar oder als Mudéjar-Himmel gelobpreist, schieben sich auf dem 32 Meter langen und knapp acht Meter breiten Holzkunstwerk die Elemente der Kulturen wie Puzzle-Stücke ineinander. Zu christlichen Bildern, von Jesu Passion oder Heiligen, gesellen sich Islam-typische Verzierungen: Sterne, Blumen, geographische Figuren und eine geheimnisvolle Kufi-Inschrift. Keinesfalls Nebenelemente seien dies, erklärt Antonio Pérez: „Der reichhaltige Schmuck ist so wesentlich, dass er nicht als etwas Zusätzliches gesehen werden kann, sondern als etwas, das der perfekt geplanten Struktur innewohnt.“ Es ist Eine Denkart, die zum Islam passt. Wertschätzt dieser allein die Kunst des Koran-Rezitierens fast so hoch, wie die heiligen Inhalte selbst.

Dach in spanischer Kathedrale voller Mittelalter-Symbole.
Als Sixtinische Kapelle des Mudéjar gilt die Kathedrale von Teruel dank ihres herausragenden Dachwerks. © Diego Hernández Estopiñán/Torre de El Salvador

Allerdings fasziniert auf den Deckenbildern von Teruels Kathedrale nicht nur das Heilige, sondern gerade auch das Profane. Im „offenen Buch der Mittelalter-Welt Teruels“, wie es eine Broschüre ausdrückt, sind hier allerlei Menschen mit Handlungen ihrer Zeit zugange: Adlige beim Herrschen, Soldaten beim Kämpfen, dazu Handwerker, Musiker, Bauern, Jäger, Christen und Mudejare. Sogar, - hoppla! - ein Paar Verliebter im Bett. Laut aktueller Forschung sind es jedoch eher nicht Isabel und Diego. Raritäten des Mudéjar bietet auch die Kirche der Amantes, San Pedro, mit ihrem Kreuzgang und ihrer Apsis mit kleinen Türmchen. Das Innere der Türme San Martín und El Salvador hingegen weist laut Antonio Pérez einen fortgeschrittenen Stil auf.

Omars schiefer Turm

„Hier umschließt je ein Turm einen anderen, dazwischen sind Flure und Treppen – ein Muster der Minarette der Almohaden“, erklärt der Mudéjar-Experte. Ein eigenes, arabisches Liebesdrama erzählen diese zwei Türme: Die Geschichte von den Baumeistern Omar und Abdalá und der schönen Zoraida. Wer zuerst einen Turm bauen würde, dem versprach der Vater einst die Tochter. Halb Teruel half Omar beim Bauen, halb Abdalá. Schneller war Omar. Bei der Enthüllung seiner Arbeit traf ihn jedoch fast der Schlag. Sein Turm war ein Meisterwerk – aber er war leicht zur Seite geneigt. Der Versager kletterte auf die Spitze, sprang in die Tiefe. Abdalá brauchte länger, doch sein Turm, dem des Konkurrenten überraschend ähnlich, war kerzengerade. Abdalá heiratete Zoraida.

Sein Turm, El Salvador, beherbergt in Teruel nun das Interpretations-Zentrum zum Mudéjar. Der Blick von der Spitze gilt als sagenhaft. Ein Blick zum Verweilen und Nachdenken. Über Isabel und Diego, ihre reine, aber so unmögliche Liebe. Und auch über Christen und Muslime, und die Mudéjares. Hätten sich Kreuz und Halbmond in Spanien in Frieden aufeinander eingelassen, in welcher Form auch immer, ahnt man, würden vielleicht Unmengen an Städten Teruel ähneln. Hat die Architektur etwas geschafft, was die Geschichte nicht schaffte? „Das wage ich nicht zu behaupten“, ist Antonio Pérez vorsichtig. Doch dass Christen und Muslime Teruels Mudéjar gemeinsam bewundern könnten, „das ist sicher“.

„Nun gilt es einzig, den Stil zu konservieren und für spätere Generationen zu erhalten.“

Antonio Pérez, Archtekt, Mudéjar-Kenner

Erst Juden, dann Mudejaren

Nur bis ins 16. Jahrhundert schaffte es die Kunstrichtung, wofür in unserer Stadt der Liebe noch der Merced-Turm und der Vierungsturm der Kathedrale bürgen. Doch damals kündigten schon ernste Spannungen das Ende des interkulturellen Zusammenlebens in Spanien an. Historikerin Isabel Montes schreibt: „Ein neues ideologisches Universum bewirkte, dass die Einen wie die Anderen schrittweise immer extremere Positionen einnahmen. Dies führte notwendigerweise zu Konfrontationen, deren Folge der unerbittliche Sieg der Einen, und das Verschwinden der Anderen wäre.“ Und so verschwanden 1492 erst die Juden, dann auch die Mudejaren, 1502 zwangsgetauft, letztendlich vertrieben.

Und mit den muslimisch geprägten Bewohnern verschwand aus Spanien dann auch der Mudéjar-Baustil und sein harmonisches Miteinander aus Ziegeln und Mustern. „Formell verdrängte den Stil die Renaissance in der westlichen Kunst“, ergänzt Architekt Antonio Pérez. Obgleich das 20. Jahrhundert durchaus mit einem spanischen Neo-Mudéjar experimentierte – in Teruel ist die Treppe La Escalintata von 1921 hierfür ein Beispiel – sei derchristlich-islamische Baustil nunmehr Geschichte. „Heute wäre es anachronistisch, Mudéjar-Bauwerke zu errichten“, ist sich der Experte sicher. „Nun gilt es einzig, den Stil zu konservieren und für spätere Generationen zu erhalten.“

Ein Mann und eine Frau in Mittelalter-Trachten vor Mudéjar-Turm.
Vereint im Mudéjar-Himmel: Teruel feiert seine Liebenden Isabel und Diego. © Stiftung Amantes

Und wenn es möglich wäre, zu lieben?

Idealerweise sollten die kommenden Generationen auch die alten menschlichen Fehler der Vergangenheit vermeiden – wie Vorbehalte, Eitelkeiten, Unwahrheiten, Berechnung, Engstirnigkeit –, die eigentlich all die großen Beziehungsdramen in Teruel und ganz Spanien tragisch enden ließen. Sich annähernde Hände wurden auf unüberbrückbare Distanz entfernt. Über das Drama der Zwietracht weiß die spanische Stadt der Liebe schließlich auch dank der jüngeren Geschichte auf schmerzliche Weise Bescheid. Die Schlacht von Teruel war 1937 eine der erbittertsten im Spanischen Bürgerkrieg. Zehntausende Menschen starben in den schrecklichen Kämpfen. Das so wertvolle Kunsterbe litt schwer.

„Und wenn es möglich wäre, zu lieben?“, fragte, wie zum Trotz, der Titel eines Hörspiels über die Amantes de Teruel vor einigen Jahren. Längst restauriert sind in der spanischen Stadt der Liebe die Kriegsschäden, und auch die zunichte gemachte Hochzeit von Isabel und Diego feiern die Bewohner der kleinen Provinz-Hauptstadt anno 2023 fröhlich nach. Mitten im friedlichen Getümmel sind dort auch lauter Mudéjares und Juden – wenn auch nur als Verkleidete in kostbaren Kostümen. In dieser wunderbaren Fiesta entsteht ein Bild, das zeigt, was zwischen den Menschen möglich wäre. Vielleicht, irgendwann, in der kleinen aragonesischen Stadt mit dem Stierchen unter dem achtzackigen Stern.

Auch interessant

Kommentare