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Immer mehr Erosion an Spaniens Küste: Sind die Strände noch zu retten?

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Von: Andrea Beckmann

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Der Strand Les Deveses in Dénia (Alicante), dem das Sturmtief Gloria schwer zugesetzt hat.
Strände in Spanien schwinden: Bei jedem Sturmtief frisst sich die aufgewühlte See weiter ins Land. © Ángel García

Ein beachtlicher Teil von Spaniens Stränden leidet unter fortschreitender Erosion. Viele Küstenorte, insbesondere im Mittelmeerraum, sehen ihre Felle, soll heißen Sandoasen, davonschwimmen. Maßnahmen in Millionenhöhe bringen meist nicht den gewünschten Erfolg.

Mit voller Wucht schlagen die Wellen in Dénia an der Costa Blanca im Osten von Spanien an die Vorgartenmauern der Häuser am Blay Beach, und nur wenige 100 Meter weiter klopft das Meer bei stürmischer See fast an die Häuser in erster Strandlinie am Deveses-Strand an. Da, wo sich einmal ein weitläufiger Sandstreifen erstreckt hat, an dem sich gerne Badegäste tummelten, erinnert nichts mehr an einen Strand. Die Erosion ist weit fortgeschritten. Ähnlich die Situation am Mar Menor in der Region Murcia, wo Javier Caballero im Bezirk Cavanna seit Jahren ein Phänomen beobachtet. „Im Winter ist hier kein Fitzelchen Strand mehr zu sehen“, erzählt er. „Er verschwindet dann völlig unter der Meeresoberfläche.“

Spaniens Strände: Ein bedeutender Teil leidet unter fortschreitender Erosion

Situationen, die auch die Barbetreiber am Strand La Victoria im südspanischen Cádiz (Andalusien) nur zu gut kennen. Bei Unwettern steht dort das gesamte Gebiet jenseits der Stadtmauern, an dem sich ein Lokal an das andere reiht, unter Wasser. Besonders dramatisch war die Situation im März vor vier Jahren, als Sturmtief Emma über die Küste fegte und Tische und Stühle von Strandbars mit sich riss. Auch hier sind durch fortschreitende Erosion unwiderrufliche Schäden an den playas entstanden.

An Spaniens Küsten gibt es mehr als 3.000 Strände, von denen ein beachtlicher Teil erosionsgeschädigt ist. Ein Problem, das vor allem in der stark bebauten Mittelmeerregion voranschreitet. Deutlich wird dies insbesondere im Schwemmlandgebiet Delta de Ebro (Katalonien). Das Reisanbaugebiet und Vogelparadies ist hauptsächlich wegen fehlendem Nachschub von Sedimenten in akuter Gefahr. Doch wo liegen die Ursachen für dieses Problem und was kann dagegen unternommen werden?

Das Hauptproblem der Strände in Spanien: Über die Flüsse gelangen kaum noch Sedimente an die Küste

Antworten darauf gibt Josep Ramón Medina, Professor an der Polytechnischen Universität in Valencia und Leiter des Labors für Häfen und Küsten, der als Beispiel die Strände an der Costa Blanca anführt. Diese hätten sich zu über 90 Prozent aus Sedimenten gebildet, sagt Medina. „Es handelt sich dabei um Ablagerungen, die von Gestein herrühren und hauptsächlich durch die Flüsse an die Küsten gelangen.“ Hier liege das Hauptproblem. „Ab den 1920er Jahren wurden entlang der Flüsse unzählige Stauseen gebaut, die zur Trinkwassergewinnung und Stromerzeugung dienen“, erklärt Medina. Große Mengen der Sedimente blieben damit buchstäblich auf der Strecke. Über 500 Staudämme seien in den vergangenen Jahrzehnten allein am 1.000 Kilometer langen Ebro und seinen vielen Zuflüssen entstanden. „Die Sedimente lagern sich größtenteils an den Einmündungen der Stauseen ab und bilden dort immer größer werdende Sandbänke, während nur feine Sedimente bis zur Mündung gelangen.“ Die eigneten sich aber nicht für den natürlichen Aufbau von Stränden. Die Erosion kann deshalb in Spanien unaufhaltsam weiterschreiten.

Aber nicht allein ausbleibende Sedimente sind für die Erosion der Strände in Spanien verantwortlich. Hinzu kommt ein Mix aus Wetterextremen, steigendem Meeresspiegel und massiver Bebauung, der den Stränden zusetzt. Viele Urlaubsorte entlang der Küste versuchen, das Problem mit regelmäßigen Sandaufschüttungen zu lösen. Ein teures Unterfangen, das jedoch keine endgültige Lösung darstellt, auch wenn klar ist, dass viele Strände ohne diese Eingriffe längst gar nicht mehr existieren würden. In einem Land, das wie Spanien in hohem Maße vom Tourismus abhängig ist, hätte dies fatale Folgen.

Der kaum noch existente Strand Deveses (Alicante) nach dem Sturmtief Gloria.
Bis an die Häuser heran reichen die Wellen bei stürmischer See an erosionsgeschädigten Stränden in Spanien. © Ángel García

Spanien: Jachthäfen setzen Stränden zu und sorgen für Sandverlust

In der Region Murcia im Südosten von Spanien hat der Geograf Antonio Daniel Ibarra den Zustand der Strände über Jahrzehnte hinweg ausgewertet. Sein Fazit: Vielen Stränden habe der Bau von Jachthäfen zugesetzt. So sei die Ursache für den Sandverlust am Strand La Llana zum Beispiel die Erweiterung des Jachthafens von San Pedro del Pinatar. Aber auch der Bau von Wellenbrechern bringe häufig nicht den gewünschten Erfolg. Als Beispiel nennt der Geograf La Manga. „In La Manga verläuft die Strömung von Norden in Richtung Süden. Ein Wellenbrecher wirkt sich so aus, dass sich auf der Nordseite der Sand ansammelt, der dann auf der Südseite fehlt.“ Die Folge: Erosion.

Dennoch: Viele Kommunen in Spanien setzen wie etwa Villajoyosa (Alicante), wo am Playa del Paradís der unmittelbare Bau einer 300 Meter langen Mole mit einem Kostenvoranschlag von 600.000 Euro ansteht, auf Wellenbrecher zum Schutz ihrer Küste – ungeachtet der Negativbeispiele, die den Sinn dieser Dämme in Frage stellen. Man denke dabei etwa an das ehemalige Strandparadies Babilonia in Guardamar del Segura (Alicante). Ein Kollektiv von Anwohnervereinen und Ökologen gibt einem 1991 an der Flussmündung des Río Segura in Guardamar gebauten Wellenbrecher die Schuld der fortschreitenden Erosion, durch die ein Teil der Häuser der Wohnsiedlung nicht mehr bewohnbar ist.

Experten in Spanien warnen: Wellenbrecher vor den Küsten können einen gegenteiligen Effekt erzeugen

Auch in Andalusien schwinden immer mehr Strände, nicht nur an der Costa del Sol. An der Küste von Balerma im andalusischen El Ejido etwa frisst sich das Meer immer weiter in das Land, schreitet die Erosion unaufhaltsam fort. Anwohner fürchten um ihre Promenade. Sie glauben, dass sie beim nächsten Sturmtief von den Wellen geschluckt wird. Die dem spanischen Umweltministerium unterstehende Küstenbehörde versucht, den Strand immer wieder mit Sandaufschüttungen zu retten. Eine Maßnahme, die nach Auffassung der Verantwortlichen bei der Stadt längst nicht mehr ausreicht und nur unnötige Kosten verursacht. Sie wünschen sich den Bau verschiedener Wellenbrecher, die außer Balmera auch die Strände der Urbanisationen Guardias Viajes und Ejido Beach schützen würden.

In dem wohl bekanntesten andalusischen Küstenort Marbella, wo Unwetter erst zu Ostern starke Schäden angerichtet haben, hält man ebenfalls vehement an Wellenbrechern zur Lösung des Erosionsproblems fest. Die Stadtverwaltung hat dem Umweltministerium gar angeboten, sich an den Kosten zu beteiligen. Die Renaturierungsmaßnahmen, die nach jedem Unwetter erfolgten, seien nichts weiter als „eine Verschwendung öffentlicher Gelder“, meint Bürgermeisterin Ángeles Muñoz und drängt auf eine langfristige Lösung.

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