Mittlerweile interessieren sich auch Behörden und Wasserversorger für das Projekt MEMOLab, die Stiftung Agua Granada, die Firma Emasagra und andere sind eingestiegen und wollen die Acequia de Aydanamar, an der Civantos und sein kleines Heer arbeiten, bis Mitte 2022 gebrauchsfähig machen. Das Wasser soll dann „bis auf den Campus der Uni Granada fließen und die dortigen Gärten bewässern“, auch als anschauliches Modellprojekt für andere Regionen, freut sich Civantos.
Natürlich werden die Acequias der Mauren den Klimawandel, der Spanien besonders treffen wird, nicht aufhalten, sind keine Universallösung. Zumal in den 700 Jahren maurischer Herrschaft und auch danach noch viel weniger Menschen zu versorgen waren. Die Mauren bauten ihr System zum Teil auf jenem der Römer auf, die sich mit ihren Aquädukten jedoch mehr auf Städte, Häfen, Produktionsstätten und Militärstützpunkte konzentrierten, während die Mauren die Landwirtschaft mit ihren ausgeklügelten Anbau- und Bewässerungssystemen Wasser in jedes Dorf, auf jeden Hof brachten und die „Bewässerung ins Zentrum stellten“, mit Kanälen, aber auch Drainage-Terrassen, Speichern und Umleitungen. Je mehr der Bauer anbauen konnte, umso höher fielen schließlich die Abgaben aus, die Bevölkerungszahl nahm zu, Ware konnte exportiert werden.
Dieses Erbe einfach verfallen zu lassen, wäre nicht klug. „Die Mauren lösten auf der Iberischen Halbinsel eine ökonomische Revolution aus, Al-Ándalus, sei es vom Kalifat der Omayaden (9. Jh.) bis zum Emirat der Nasriden (bis 1492) wäre ohne diese Technologie und auch das Bewässerungssystem gar nicht denkbar gewesen“, ist Civantos überzeugt. Der Anbau von Zitrusfrüchten, Reis, Zuckerrohr, Baumwolle, Artischocken, Spinat und anderen Gemüsen und Früchten, die die Araber vorfanden oder mitbrachten, wurde so überhaupt erst möglich und wirtschaftlich sinnvoll.
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Der Professor erinnert konkret unter anderem an die Einführung der Seidenraupe durch die Mauren. Während die Männer die Feldfrüchte bestellten, widmeten sich die Frauen den Raupen und dann der Herstellung wertvoller Stoffe und Textilien, trugen so zu einer hohen Wertschöpfung bei. „Seide aus Almería und Granada wurde zu seiner Zeit nach ganz Europa verkauft“, bis das Wissen und die Menschen im 17. Jahrhundert endgültig vertrieben wurden.
Der Professor erinnert sich noch an sein erstes Graben-Projekt, 2014 in Cañar in der Alpujarra war es. Die Studenten der Uni brachten Dokumente mit, die Bauern stellten Gerätschaften zur Verfügung und schon bald ackerten 200 Menschen über einen Monat, um die alten „Leitungen“ zu reinigen. „Als dann nach 30 Jahren wieder das Wasser ins Dorf floss, gab es eine große Fiesta. Das Wasserfest wiederholen wir seitdem jedes Jahr“, freut sich Cayetano Álvarez, Kleinbauer mit gerade zwei Hektar Land und Chef der Bewässerungsgemeinschaft Cañar. Er baut Knoblauch und Habas-Bohnen an und sorgt nun auch dafür, dass die Kanäle sauber bleiben. „Wir organisieren uns unter Nachbarn und Kollegen, um die Gräben sauber zu halten“, dabei machen auch tiefer gelegene Nachbarorte wie Órgiva mit, die von dem wiedergewonnenen Wasser profitieren.
Civantos würde gern viel mehr und schneller machen, doch er schätzt auch das Erreichte: „Es geht ja nicht nur um das Wasser, sondern um die soziale Anerkennung für das ländliche Leben, die Kulturlandschaft, die Kenntnis über die lokalen Umweltprobleme und traditionelle Landwirtschaft. Das alles zusammen ist ein ungeheures Kapital, der Schlüssel für unsere Zukunft als Spezies“, philosophiert der Professor mit dem Spaten.
Weitere Infos zum Projekt MEMOLab der Universität Granada unter: regadiohistorico.es