Doch das erzkatholische Spanien ist gar nicht mehr so erzkatholisch, und damit gehen auch die Einheitsnamen nach Heiligen und Jungfrauen allmählich zurück. In den Klassenzimmern von heute findet man immer weniger Juans, Franciscos und Josés, auch María, Carmen oder Asunción sind bei jungen Mädchen eher selten. Dafür gab es irgendwann einmal, zumindest für chicas, einen neuen Trend: Als die Muttergottes langweilig wurde, erinnerten sich werdende Eltern an den Erdkundeunterricht. Und so nahmen die Standesbeamten den Vornamen África ins Repertoire auf, Aitana, so wie der höchste Berg der Provinz Alicante, und Altea waren ebenfalls eine Zeitlang beliebt. Belén, Bethlehem, gibt es schon lange, ebenso Lourdes.
Zu sagen, „die Spanier heißen alle gleich“, stimmt zumindest beim Nachwuchs also längst nicht mehr. Doch auch unter den Mittelalten und Alten gibt es ein paar Ausreißer bei den Namen. Altehrwürdige Vornamen wie Ambrosio, übernommen aus dem Griechischen, oder Hilario, abgewandelt vom lateinischen Hilarius, hört man heute hin und wieder noch, wenn auch immer seltener. Beispiele für Frauen wären Herminia, eine Variante des römischen Herminio, oder Jacinta, griechisch für Hyazinthe, es sollte mal so was heißen wie „schön wie die Blüte der Hyazinthe“.
Heute dagegen ziehen Namen aus dem Mythen-umwobenen Baskenland in ganz Spanien in die Klassenzimmer ein, für Mädchen etwa Amaia, Ainara oder Nerea. Unter den Jungs findet man oftmals Iker – was vielleicht auch mit dem National-Torwarthelden der Vätergeneration zu tun hat –, Gaizka oder Aitor. Und natürlich sind auch die spanischen Eltern nicht mehr ganz so spanisch wie noch die Großeltern-Generation. So heißt der Jakob von heute nicht mehr Jaime, sondern James, wird allerdings „spanisch“ ausgesprochen, also Chammes. Aus Ethan wird Ettan, aus Sheyla Scheila.
Andersherum meinen die Spanier, dass man doch nicht jeden Mist mitmachen muss, und erst recht nicht den mit den Anglizismen. Kommt ihnen ein Name gar allzu (un)spanisch vor, ziehen sie einfach die Übersetzung hinzu. Das gilt vor allem, wenn blaues Blut fließt, da hört der Spaß ja ohnehin auf. Beispiel britische Königsfamilie: Spanien trauerte im September 2022 nicht um Queen Elizabeth, sondern um Reina Isabel. Im Amt ist jetzt auch nicht King Charles, sondern Rey Carlos. Und als der Nachwuchs jüngst mit seinem Buch für Aufsehen sorgte, lästerte die spanische Presse nicht über Prince Harry, sondern Príncipe Enrique, dessen Bruder nicht William, sondern Guillermo heißt. Manchmal muss man die Dinge eben beim Namen nennen – wenn auch nicht immer beim richtigen.