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Jesús, María und José: Spanische Namen, warum gefühlt alle gleich heißen und wie aus José Pepe wurde

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Von: Judith Finsterbusch

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Viele Menschen laufen durch eine Fußgängerzone.
Gefühlt gibt es in Spanien nur drei, vier Namen pro Geschlecht. © David Revenga

Hand aufs Herz: In Spanien heißen gefühlt alle gleich. Doch warum wiederholen sich die spanischen Namen so oft? Und wie wurde aus Francisco Paco? Eine augenzwinkernde Reise durch die Welt der spanischen Vor- und Spitznamen, vorbei an Heiligen und Tradition bis zu Einfallsreichtum und Erdkundeunterricht.

Madrid - „Jesús, María y José“, sagt man in Spanien gerne, wenn jemand geniest hat. Damit fasst der Spanier nicht nur den Gesundheits-Wunsch und die Essenz der Weihnachtsgeschichte in einem Zug zusammen, sondern sorgt meist auch dafür, dass sich in einem vollen Raum mehrere Personen umdrehen, die ihren Namen gehört haben. Bei María dürften es Frauen sein, bei José Männer, doch um die biblischen Eltern von Jesus in einer Person zusammenzufassen, gibt es auch noch die Varianten José María, und, aus Gleichstellungsgründen, María José. Spanische Namen sind eben kompliziert – und doch so simpel.

Spanische Namen für den Nachwuchs finden: Man nehme einen Heiligen - oder die Eltern

Lange Zeit machten sich die werdenden Eltern keinen großen Kopf darum, welchen spanischen Namen ihr Nachwuchs tragen sollte: Sie nahmen einfach den Heiligen oder die Jungfrau, deren Namenstag nah am Geburtsdatum lag, und voilà, war der Vorname gefunden. Man meinte wohl, dass sich der Heilige oder die Jungfrau dadurch so geschmeichelt fühlt, dass er oder sie das Neugeborene unter Schutz stellt. Ein katholischer Brauch, den schon Johannes von Antiochia oder Chrisostomos im vierten Jahrhundert predigte: „Man soll seinen Sohn nicht Andrés nennen, weil der Vater Andrés heißt, nicht Pedro, weil der Großvater Pedro hieß. Das sind niedrige Beweggründe, aus Fleisch und Blut gemacht, damit der Name des Hauses weitergegeben wird. Ein barbarischer Grund. Welcher Vater könnte besser sein als San Francisco? Welcher Großvater besser als San Pablo?“ Gesagt, getan, und so haben viele Inmaculadas (Inmaculada ist die Unbefleckte, doch dazu später mehr) rund um deren Namenstag am 8. Dezember Geburtstag. Viele Carmens wiederum feiern im Sommer ihr Wiegenfest, schließlich hat Unsere Liebe Frau auf dem Berge Karmel, so die deutsche Bezeichnung der Jungfrau, am 16. Juli ihren großen Tag.

Eine zweite beliebte Variante, um das Kind beim spanischen Namen zu nennen, war und ist es in Spanien den katholischen Predigern zum Trotz, den Vornamen der Mutter oder des Vaters weiterzugeben. Das wird nur dann schwierig, wenn noch ein kleiner Bruder oder eine kleine Schwester hinterherkommt. Doch auch dafür fanden die Spanier zumindest für ihre Söhne rasch eine Lösung: Die heißen dann einfach Segundo, der Zweite. Und so kommt es, dass in spanischen Familien bis heute drei Generationen gleich heißen, was bei Familienfeiern mitunter schwierig wird, wenn jemand „Antonio“ ruft und sich ein Junge, ein Mittelalter und ein Senior angesprochen fühlen. Spitznamen und Varianten müssen also her, um all die Josés, Franciscos und Pedros auseinanderzuhalten – um vorerst bei den Herren der Schöpfung zu bleiben. Welche die beliebtesten, seltensten und häufigsten Namen in Spanien für Erwachsene und Babys sind, haben wir zusammengefasst.

Spanische Namen und ihre Spitznamen, die mit dem eigentlichen Vornamen scheinbar nichts zu tun haben

Zurück zu den Spitznamen: Einfach nur Kurzformen des eigentlichen Namens zu verwenden, wie im Deutschen etwa Steffi für Stefanie, ist den Spaniern zu simpel. Es entstanden Spitznamen, die mit dem eigentlichen spanischen Namen auf den ersten Blick gar nichts zu tun haben. Nacho etwa für Ignacio, Pepe für José oder Paco für Francisco. Eine allseits beliebte Erklärung, wie all die Pepes zu ihrem Namen, der eigentlich ein Spitzname ist, kamen, ist die Ableitung vom lateinischen Pater Putativus, auf Spanisch Padre Putativo, auf Deutsch etwa Adoptivvater oder „vermeintlicher Vater“. Damit ist natürlich der Vater aller Väter gemeint, der biblische Josef, José. Nimmt man nur die Initialen PP, kommt man auf Pepe.

Der Spitzname Paco dagegen – ebenso wie Pepe längst auch ein eigenständiger spanischer Name – hat ausnahmsweise keinen religiösen Hintergrund. „Paco lässt sich eigentlich ganz gut von Francisco herleiten. Die letzte Silbe – co – wird übernommen, die erste nur leicht abgewandelt: Aus F(r)a wird Pa“, erklärte der Linguistikprofessor an der Universität Alcalá, Jairo Javier García Sánchez, 2020 in einem Interview mit der Zeitung „El Confidencial“. Ohnehin, so der Experte, haben wir auf der Suche nach Spitznamen einen Hang dazu, zweisilbige Kurzformen zu wählen, bei denen sich idealerweise entweder der Konsonant und/oder der Vokal wiederholt: Pepe, Kiko (Francisco), Quique, letzterer für Enrique.

Verniedlichen, verkürzen und wieder verlängern: Spanische Namen auseinanderpflücken und zusammensetzen

Um den Kosenamen noch liebevoller zu gestalten, lassen sich etliche spanische Namen oder Spitznamen dann auch noch verniedlichen – die Spanier lieben Verniedlichungen, nicht nur bei Namen! Diese Ehre kommt dann meist den jüngsten Familienmitgliedern durch die Endung -ito beziehungsweise -ita zuteil: Aus Ángel wird Angelito, aus Ana Anita. Da ist es dann auch wurscht, wenn der Kosename doch wieder länger wird als der eigentliche Rufname.

Die zweite Möglichkeit, Varianten zu beliebten spanischen Vornamen zu finden, ist, einen zweiten Namen dranzuhängen. Mit José funktioniert das zum Beispiel wunderbar, beliebte Kombinationen sind José María, José Antonio oder José Miguel. Auch Juan lässt sich gut um einen Miguel, Francisco oder José ergänzen. Ist der Doppelname dann doch zu lang, kürzt man ihn einfach wieder zusammen, ohne in das Dilemma zu geraten, sich für einen Rufnamen entscheiden zu müssen. Besonders gut geht das mit dem Erstnamen Juan: Juanmi für Juan Miguel, Juanfran für Juan Francisco, Juanma für Juan Manuel, Juanjo für Juan José.

Spitznamen als Hilfsmittel - Berufe oder körperliche Merkmale an den spanischen Namen anfügen

Doch kommt dieser Hang zu Spitznamen wirklich aus der Not, dass in Spanien gefühlt alle gleich heißen? „Spitznamen sind fast so alt wie Namen selbst. Die Römer nutzten Kosenamen, die Griechen auch. Es geht dabei nicht nur darum, Namen abzukürzen, sondern auch um zärtliche, liebevolle Varianten. Meist bekommt schon ein Kind seinen Spitznamen, den er dann oft bis ins Erwachsenenalter beibehält“, sagt Professor García. Und es gibt noch eine dritte Möglichkeit, viele Menschen mit demselben Namen – auch außerhalb der Familie – zu unterscheiden. Vor allem in spanischen Dörfern und Kleinstädten, in denen jeder jeden kennt, ist das hilfreich. Zumal es, je kleiner der Ort, früher umso üblicher war, so viele Kinder wie nur irgendwie möglich nach dem Schutzpatron oder der Schutzpatronin des Dorfs zu benennen. Also gibt es einen Zusatz zum eigentlichen Namen, der dann oftmals selbst zum wortwörtlichen Rufnamen der Person wird.

Oft wird der Beruf an den spanischen Namen angefügt (Toni el zapatero, Toni der Schuhmacher), auch körperliche oder charakterliche Auffälligkeiten sind beliebt (Pepe el flaco, Pepe der Dünne) oder der Anhang geht zurück auf irgendeine Anekdote, an die sich längst niemand mehr erinnert: Paco el rompe etwa muss irgendwann mal etwas kaputt gemacht haben. Kurioserweise wird der Spitzname in Spanien an die nächste Generation weitervererbt, selbst wenn der Nachwuchs längst einen anderen Beruf hat oder sich durch gänzlich andere Merkmale auszeichnet. So kann Pepe el flaco 150 Kilo auf die Waage bringen und trotzdem „der Dünne“ heißen, weil sein Großvater eine Bohnenstange war.

Alle Spanierinnen sind Müttergottes: Warum spanische Namen nicht übersetzt werden sollten

Kommen wir zu den Damen der Schöpfung, die in Spanien fast alle eins gemein haben: Sie sind Müttergottes. So steht bei so ziemlich jeder Carmen im Personalausweis María del Carmen, bei Pilar María del Pilar, bei Dolores María Dolores. Benannt nach den unzähligen Jungfrauen, die irgendwann irgendwo einmal Wunder vollbracht haben sollen, wird es richtig kurios, wenn man die wörtliche Übersetzung all dieser Marien ins Deutsche hinzuzieht. Da gäbe es zum einen die harmlose Kategorie à la Mar (Meer), Luz (Licht) oder Nieves (Schnee). Nicht mehr so harmlos: Dolores, Schmerzen. Inmaculada, unbefleckt. Concepción, Empfängnis. Pilar, Pfeiler.

Menschen laufen an einem Schild vorbei, auf dem „Pepe‘s Bar“ steht.
Warum heißt José eigentlich Pepe? Spanische Namen und Spitznamen haben es in sich. © David Revenga

Doch keine spanische Mutter ist so nachtragend, dass sie ihre Tochter auch Jahre nach der Geburt noch „Schmerzen“ ruft, also müssen auch hier Spitznamen her. So wird aus Dolores Lola oder Loli, aus Pilar Pili, aus Inmaculada wahlweise Inma oder Macu, Concepción lässt sich mit Conchi oder Concha abschwächen. Wie schon bei den Männern werden auch bei den Frauen Doppelnamen gerne zusammengefasst: Mamen heißt eigentlich María del Carmen, Anabel geht auf Ana Isabel zurück.

Von María, Carmen und Asunción zu África, Altea und Aitana - Spanische Namen im Wandel

Doch das erzkatholische Spanien ist gar nicht mehr so erzkatholisch, und damit gehen auch die Einheitsnamen nach Heiligen und Jungfrauen allmählich zurück. In den Klassenzimmern von heute findet man immer weniger Juans, Franciscos und Josés, auch María, Carmen oder Asunción sind bei jungen Mädchen eher selten. Dafür gab es irgendwann einmal, zumindest für chicas, einen neuen Trend: Als die Muttergottes langweilig wurde, erinnerten sich werdende Eltern an den Erdkundeunterricht. Und so nahmen die Standesbeamten den Vornamen África ins Repertoire auf, Aitana, so wie der höchste Berg der Provinz Alicante, und Altea waren ebenfalls eine Zeitlang beliebt. Belén, Bethlehem, gibt es schon lange, ebenso Lourdes.

Zu sagen, „die Spanier heißen alle gleich“, stimmt zumindest beim Nachwuchs also längst nicht mehr. Doch auch unter den Mittelalten und Alten gibt es ein paar Ausreißer bei den Namen. Altehrwürdige Vornamen wie Ambrosio, übernommen aus dem Griechischen, oder Hilario, abgewandelt vom lateinischen Hilarius, hört man heute hin und wieder noch, wenn auch immer seltener. Beispiele für Frauen wären Herminia, eine Variante des römischen Herminio, oder Jacinta, griechisch für Hyazinthe, es sollte mal so was heißen wie „schön wie die Blüte der Hyazinthe“.

Wenn kein spanischer Name da ist, nimmt man einen - Blick in die Welt

Heute dagegen ziehen Namen aus dem Mythen-umwobenen Baskenland in ganz Spanien in die Klassenzimmer ein, für Mädchen etwa Amaia, Ainara oder Nerea. Unter den Jungs findet man oftmals Iker – was vielleicht auch mit dem National-Torwarthelden der Vätergeneration zu tun hat –, Gaizka oder Aitor. Und natürlich sind auch die spanischen Eltern nicht mehr ganz so spanisch wie noch die Großeltern-Generation. So heißt der Jakob von heute nicht mehr Jaime, sondern James, wird allerdings „spanisch“ ausgesprochen, also Chammes. Aus Ethan wird Ettan, aus Sheyla Scheila.

Andersherum meinen die Spanier, dass man doch nicht jeden Mist mitmachen muss, und erst recht nicht den mit den Anglizismen. Kommt ihnen ein Name gar allzu (un)spanisch vor, ziehen sie einfach die Übersetzung hinzu. Das gilt vor allem, wenn blaues Blut fließt, da hört der Spaß ja ohnehin auf. Beispiel britische Königsfamilie: Spanien trauerte im September 2022 nicht um Queen Elizabeth, sondern um Reina Isabel. Im Amt ist jetzt auch nicht King Charles, sondern Rey Carlos. Und als der Nachwuchs jüngst mit seinem Buch für Aufsehen sorgte, lästerte die spanische Presse nicht über Prince Harry, sondern Príncipe Enrique, dessen Bruder nicht William, sondern Guillermo heißt. Manchmal muss man die Dinge eben beim Namen nennen – wenn auch nicht immer beim richtigen.

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