Nur Verteidigungsministerin Margarita Robles soll im Parlament Rede und Antwort stehen, wie und warum anscheinend der spanische Geheimdienst soweit gehen und selbst Vertreter von Regionalregierungen beschatten lassen konnte. Ohne richterliche Anordnung würden in Spanien aber keine Gespräche abgehört, beteuerte Regierungssprecherin Isabel Rodríguez. „Wir sind ein Rechtsstaat, in dem wir nicht spionieren, keine Gespräche abhören und keine Abhörmaßnahmen vornehmen, es sei denn, dies geschieht im Rahmen der Gesetze“, sagte sie. Da es um eine Angelegenheit nationaler Sicherheit gehe, könne sie keine Details nennen.
Nach einer Studie der kanadischen Forschungsgruppe Citizen Lab, die am Montag vom US-Magazin „The New Yorker“ veröffentlicht wurde, wurden über 65 katalanische Separatistenführer sowie zum Teil auch deren Mitarbeiter und Familien systematisch zwischen 2017 und 2020 überwacht, darunter auch der aktuelle katalanische Regionalpräsident Pere Aragonès sowie dessen drei Vorgänger Quim Torra, Carles Puigdemont und Artur Mas. Begonnen hatte die Abhöraktion demnach unter PP-Premier Rajoy, aber unter dem PSOE-Regierungschef Sánchez wurde sie zumindest nicht gleich beendet.
Nun sind die Verhältnisse zwischen Madrid und der katalanischen Landesregierung wiedermal gestört, nachdem es zuvor zaghafte Annäherungen beim Dialog zwischen Madrid und Barcelona gab. Puigdemont kündigte am Dienstag in Brüssel juristische Schritte gegen alle Verantwortlichen an. Er wolle diese in Spanien sowie in Deutschland, Frankreich, Luxemburg und der Schweiz einleiten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief er dazu auf, „dringend zu handeln“ und Spanien für den Einsatz des Pegasus-Programms gegen politische Rivalen zur Rechenschaft zu ziehen. Es handele sich um eine „massive Verletzung der Grundrechte“.
Neben anderen Parteien forderte auch der Juniorpartner in der Regierungskoalition, Unidas Podemos (UP), „klare Erklärungen“ und eine eingehende Untersuchung. Notfalls müssten „Köpfe rollen“, sagte Sprecher Pablo Echenique. In dem Bericht mit dem Titel „Wie Demokratien ihre Bürger ausspionieren“ hebt „The New Yorker“ hervor, bei der Überwachung sei die Spysoftware Pegasus des israelischen Unternehmens NSO Group eingesetzt worden. NSO Group beteuere, das Programm würde nur an Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste verkauft. Das renommierte The Citizen Lab an der Universität von Toronto hatte Whatsapp-Schwachstellen im Zusammenhang mit Spionage untersucht.
Die Affäre weitet sich zunehmend aus. Laut Puigdemont hat man Pegasus in Ungarn, Belgien, Polen, Griechenland, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, und in der Schweiz eingesetzt, neben Politikern auch gegen Journalisten. „Wir sprechen nicht über Autokraten oder Diktatoren“, betonte die deutsche Grünen-Europaabgeordnete Hannah Neumann vor der konstituierenden Sitzung des zuständigen Untersuchungsausschusses im Europaparlament. Auch demokratische Regierungen seien für Spionage anfällig.
Zum Thema: Illegale Aktionen von Sicherheitsbehörden sind auch im demokratischen Spanien keine Ausnahme: Villarejo - Der Pate von Spaniens Kloaken.